·:Ich trage einen großen Namen

Die Berlinale steht an. Und mit ihr die Frage der Stars: Was zieht man an und von wem? Wie Celebrity-Dressing über Glanz und Elend der Modemarken entscheidet.

Antje Wewer

In der Glamour-Branche haben Abendkleider die Haltbarkeit eines Tempo-Taschentuchs. Einmal benutzt, landen sie nicht in der Mülltonne, aber im Archiv des Designers oder werden auf einer Wohltätigkeits-Gala für einen guten Zweck versteigert.

Warum das so ist? Weil kein Star zweimal im selben Kleid erwischt und vor allen Dingen gedruckt werden möchte. Seit der Inflation von People-Magazinen wie InStyle oder InTouch wird unerbittlich dokumentiert, wer was wo trägt. Die Bunte hat schon lange die Rubrik "Wunderbar/Sonderbar" eingeführt, in der jede Woche eine Schauspielerin für ihr Outfit gelobt oder beschimpft wird. Durchaus beliebig, aber immer noch netter, als sich in InTouch unter der Überschrift "Kleider, die an Nicole Ritchie besser aussahen" wiederzufinden. Nein, trotz geliehener Abendgarderobe ist es nicht leicht, ein gut angezogener Star zu sein.

Das Phänomen kommt aus Hollywood und heißt dort seit Mitte der 90er Jahre "Celebrity-Dressing". Das Zusammenspiel von Mode und Film gab es schon immer, nur alles geschah ohne die inflationären Klatschmagazine ungleich diskreter. Marlene Dietrich trug Dior, Romy Schneider Chanel, Audrey Hepburn Givenchy. Sie bekamen Kleider auf den Leib geschneidert, sahen fabelhaft aus und schrieben dem Designer mit dem Füllfederhalter eine parfümierte Dankeskarte. Heute ist Celebrity-Dressing ein kompliziertes Tauschgeschäft, das manchmal hervorragend funktioniert. Aber auch gut daneben gehen kann. Zum Beispiel, wenn Heike Makatsch kein Kleid von Strenesse trägt, sondern von einem jungen Designer-Duo namens Kaviar Gauche - und die Bunte das nicht mitbekommt. Oder die zarte Jungaktrice Karoline Herfurth ("Das Parfum") beim Bambi in einer bodenlangen RobertoCavalli-Robe zehn Jahre älter aussieht, als sie ist. Oder eine Schauspielerin, deren Namen wir leider nicht nennen können, in einer smaragdgrünen, sehr teuren Seidenrobe auf einer Gala betrunken unter den Tisch rutscht. "Im besten Fall ist es eine Win-Win-Situation für beide Seiten", sagt Ute Zahn von der Agentur Artist Network. "Der Star bekommt ein tolles, vielleicht sogar maßgeschneidertes Outfit umsonst und das Modelabel einen Haufen kostenloser Veröffentlichungen", sagt Zahn. "Allerdings müssen der Typ und die Marke zusammenpassen. Deswegen trägt die kurvige Anna Loos gerne Rena Lange, und Gesine Cukrowski hat mit Größe 34 die perfekten Maße für die Schnitte des Schweizer Labels Acris." Mal nehmen die Modelabels den Kontakt auf und schicken das Look-Book mit der neuen Kollektion, mal ruft Ute Zahn die Designer an. Ungeschriebenes Gesetz: Keinesfalls ruft der Schauspieler selber an. Das machen nur Nobodys. "Ein hübscher Nobody nützt den Firmen nicht viel und wäre am Ende eine Fehlinvestition", sagt Ute Zahn. "Außerdem gibt es Publikumslieblinge und Medienlieblinge, die immer fotografiert werden. Und auf die Letzteren wird gesetzt." Die Designerin Johanna Kühl, eine Hälfte des Duos Kaviar Gauche, sieht das anders. "Ganz ehrlich: Es gibt gar nicht viele deutsche Schauspielerinnen, die wir in unseren Abendkleidern über den roten Teppich schicken würden. Die Ausstrahlung ist uns viel wichtiger als die Prominenz der Frau. Da machen wir keine Kompromisse." Das ist klug, denn die junge Marke will ihre eigene Kontur schärfen und nicht verwässern. Dabei liegt der Kontakt zur Filmbranche bei Kaviar Gauche so nahe, die zweite Designerin heißt Alexandra FischerRoehler und ist mit dem Regisseur Oskar Roehler verheiratet. Johanna Kühl: "Klar gibt es unserem Image Glanz, wenn so tolle Schauspielerinnen wie Heike Makatsch und Marie Bäumer unsere Abendkleider tragen, es weckt Interesse bei den Medien, macht sich bei unserem Verkauf aber nicht sofort bemerkbar." Bei einer Firma wie Hugo Boss schon. Seit mehreren Jahren gibt es eine kleine Abteilung, die sich um das Celebrity-Dressing kümmert. Als Mitsponsor der Berlinale hat das Modeunternehmen aus Metzingen auch dieses Jahr wieder eine Suite im Hyatt. Dort hängen Anzüge, Smokings und Cocktailkleider, die sich die Berlinale-Stars (auf Einladung) für Abendveranstaltungen ausleihen. "Wir machen keine Sonderanfertigungen für Stars, sondern stellen ihnen unsere aktuelle Kollektion zur Verfügung, die später auch so verkauft wird", so der Kommunikationschef bei Boss, Philipp Wolff. Er bezeichnet das aufwändige VIP-Wardrobing als ein give-andtake-Geschäft, bei dem Kleider gegen Medienaufmerksamkeit getauscht werden. In Hollywood beschäftigt Boss eine Agentur, die sich ausschließlich um die Akquise von Stars bemüht. Manchmal hat ein Label aber auch einfach Glück. Als Sharon Stone 1996 zu einem Valentino-Seidenrock ein schlichtes, schwarzes Rollkragen-T-Shirt von GAP (circa 20 Dollar) kombinierte, löste sie damit ein Fashion-Gate aus, das in die Modegeschichte der Academy Awards einging. Einen Oscar bekam sie für ihre Rolle als koksende Edelprosituierte in "Casino" zwar nicht, aber sie schaffte es, mit ihrem Outfit auf ein Dutzend der in Amerika so beliebten best-dressedListen. Noch dazu bescherte sie der Jeans-Kette GAP einen Komplett-Ausverkauf dieses Modells. Das Interessante an dieser kleinen Anekdote: Kollegin Ellen DeGeneres hatte ihr zu dem Oberteil geraten. Eher ungewöhnlich, denn in Hollywood hört fast jeder Schauspieler nur auf seinen Stylisten. Inzwischen sind die so mächtig, dass ihnen von den Modefirmen Swimmingpools, Rassehunde oder Ferienhäuser in Aussicht gestellt werden, wenn sie Julia Roberts, Cameron Diaz oder Penelope Cruz dazu bringen, ein bestimmtes Kleid zu tragen. Voriges Jahr war das Münchner Label Rena Lange in Hollywood dabei. In einer Bauhaus-Villa in Beverly Hills wurde ein Couture-Salon eingerichtet, in dem sich Stars die Roben anschauen und anprobieren konnten. Paris Hilton war da, Kimberly Stewart und Daryl Hannah. Zum Schluss trug keiner der Stars ein Rena-Lange-Kleid, dafür einige andere schöne Frauen. "Gelohnt hat es sich allemal", sagt Stephanie Fresle, die bei Rena Lange für das Celebrity-Dressing zuständig ist. Was sie am meisten überrascht hat? "Dass kein Detail dem Zufall überlassen wird, die Prominenten konsultieren sogar einen Eyebrow-Spezialisten, der ihre Augenbrauen zupft, schneidet, auffüllt, sprayt oder nachmalt. Und dass die Nominierten zwar schon Monate vorher die Roben bestellen - und sich dann doch erst in letzter Minute entscheiden." Zurück nach Deutschland, dem Land, das angeblich keine Stars hat oder sie nicht gut behandelt. Hier trägt Bettina Zimmermann die Roben von Rena Lange, auch bei den Filmfestspielen, die diese Woche in Berlin anstehen. Es wird kalt sein. Die Schauspielerinnen müssen in ihren geliehenen Kleidern über den roten Teppich. Den Mantel? Trägt die Agentin. Spaß? Macht das nicht. Aber einer muss den Job ja machen. Beim Defilée schreien die Fotografen die Namen der Stars, als ginge es um Leben und Tod, sie drücken ab und rufen ihnen hinterher: "Von wem ist das Kleid?" Damit sich das Celebrity-Dressing auszahlt, erreichen die Redaktionen später E-Mails mit der detaillierten Beschreibung des Outfits. Kurz bevor der Eventmarathon beginnt, klingelt bei Strenesse öfter als sonst das Telefon. Aber: "Wir haben kein Interesse an Kurzbekanntschaften, panischen Last-Minuten-Anrufern und unverschämten C-Klasse-Schauspielerinnen, die Sachen erst dann zurückschicken, wenn eine Rechnung im Briefkasten liegt", sagt Yves Guy Coulter, der bei Strenesse für VIP-Ausstattung zuständig ist: "Wenn sie nicht zu uns passen, lehnen wir diplomatisch ab." Eine, die schon lange passt, ist die Schauspielerin Christiane Paul. Bei der Eröffnungsgala der Berlinale wird sie ein goldenes Hängerkleidchen anhaben. Ausgemachte Sache. Seit acht Jahren trägt sie Strenesse und ist, obwohl es immer wieder Anfragen anderer Marken gibt, den Strehles treu. Es gibt keinen Vertrag und kein Geld, aber sie bekommt einen individuellen A-Klasse-Service: Ihre Abendkleider werden maßgeschneidert, dazu gibt es Schuhe, eine Handtasche und den Mantel. Außerdem jede Saison einen zusammengestellten "Kleiderschrank". Da ist alles drin, was Christiane Paul bei TV-Auftritten oder Pressekonferenzen tragen kann. Bei einem Fitting werden Röcke und Hosen gekürzt, und die Schauspielerin bekommt einen Stapel Polaroids mit nach Hause, auf denen sie nachschauen kann, wie die Teile kombiniert werden. "Ein riesiges Geschenk", sagt Christiane Paul, "denn ich habe nicht wirklich die Zeit, in Ruhe einkaufen zu gehen. Ich möchte mich lieber auf das Schauspielen konzentrieren. Trotzdem will ich bei Events natürlich toll aussehen, das gehört zu meinem Beruf auch dazu. Ich finde wirklich, der deutsche Film hat Glamour verdient, und deswegen sollten wir uns alle in Schale werfen." Was bei Christiane Paul gelingt, weil sie sich nur Kleider ausleiht, die sie auch selbst kaufen würde. Es heißt, Schauspielerinnen seien die neuen Mode-Ikonen, weil wir uns mit ihnen eher identifizieren können als mit Models, die so ätherisch sind, dass man fast durch sie hindurchschaut. Das stimmt. Der Haken an der Sache: Die wenigsten Schauspielerinnen haben etwas an, was ihnen auch gehört. Das ist praktisch, kann aber manchmal wie eine missglückte Verkleidung wirken. Was auch nicht weiter schlimm wäre, wenn ein Hauch von Selbstironie mit über den roten Teppich laufen würde. Die Sängerin Björk erschien zu den Academy Awards in einem entzückenden Schwanenkostüm und legte ein Ei (in Form einer Handtasche): direkt auf den roten Teppich. Die Sängerin landete zwar auf der Worst-Dressed-List von Stil-Sheriff Richard Blackwell, blieb aber allen im Gedächnis. Der großartige Schauspieler Philip Seymour Hoffman tauchte letztes Jahr bei den Oscars auf und sah aus, als habe man ihn gerade aus der Kneipe gezogen. Zottelige Haare, Dreitagebart, zerknittertes Gesicht. Keiner fragte ihn nach seinem Anzug (der übrigens von Hugo Boss war), und schätzungsweise hatte er auch nicht vor, es irgendwem zu sagen. Nun ja. Er ging dann allerdings mit dem Oscar nach Hause.

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