Hot Yoga:Der Yoga-Feldherr

Tausende Jünger verehren ihn. Bei 38 Grad Raumtemperatur treibt Bikram Choudhury sie schmerz- und schweißvoll in die Glückseligkeit - rund um den Globus.

Mirja Kuckuk

"No pain, no gain." Bikram Choudhury hält nicht lang mit seinem Trainingsmotto hinterm Berg. Im hell erleuchteten Trainingssaal in München Neuhausen liegen fast 50 Yoga-Jünger wie am Ballermann dicht an dicht auf ihren Handtüchern. Sie haben große Wasserflaschen mitgebracht, denn sie wissen: Mehr als zwei Stunden schweißtreibende und nicht selten schmerzhafte Übungen liegen vor ihnen.

Bikram Chohdhury; Riva Verlag

Gespannt wie ein Flitzebogen: Die Bogenhaltung ist die siebte von 26 Positionen des Bikram-Yogas, die vor allem das Gleichgewicht schult.

(Foto: Foto: Riva Verlag)

38 Grad misst die Raumtemperatur, die kühlere "Sommervariante" für Bikram Choudhurys Hot Yoga. Im Winter braucht es der Inder noch wärmer, um sich und seine Schüler in die gewünschten Bahnen zu biegen.

Am heißesten mögen es die Japaner. In seiner Tokioter Dependance turnen strapazierfähige Asiaten bei 60 Grad Celsuis. "Ist es auch nur ein Grad kälter, fangen sie an zu schimpfen", erzählt der Yoga-Guru. Er selbst trainiert am liebsten gleich in der Sauna.

Heute besucht Bikram sein bayerisches Studio, eines von weltweit bald 3000. Täglich eröffnen drei neue Schulen. Der Mann befindet sich auf einem Eroberungsfeldzug rund um den Globus. In den USA hat der Wahlamerikaner bereits seit 35 Jahren Erfolg mit der nach ihm benannten Yoga-Methode, dem Bikram-Yoga. Und nie geht es ohne Hitze: "Will ein Schmied sein Eisen formen, hält er es ins Feuer. Genauso verhält es sich mit dem menschlichen Körper. Ist der Körper kalt, fügen wir ihm Schaden zu", erklärt der Mann aus Kalkutta.

Wenig Mitleid mit den Jüngern

Seine 61 Jahre sieht man dem kleinen, muskulösen Mann nicht an. Das Gesicht mit dem dunklen Teint trägt lediglich Mimikfalten. Bikram kann streng schauen, wenn seine Schüler sich allzu ungelenk anstellen; er kann die Augen weit aufreißen, wenn er zu einer Predigt über den Weg zur Glückseligkeit ansetzt, und breit grinsen, wenn er mit einer übernatürlich anmutenden Übung sein Publikum verblüfft.

Lediglich mit einem schwarzen Slip bekleidet (vorsichtshalber hat er davon gleich drei übereinander an), das lange schwarze Haar zu einem senkrecht abstehenden Zopf auf dem Kopf gebunden, macht er die Asanas, die Yoga-Positionen, vor der Spiegelwand vor.

Der Meister, der mit zwölf Jahren Indiens jüngster Yoga-Champion wurde und den Titel jahrelang verteidigte, gibt selbstredend keine Anfängerstunde. Wer täglich - auch auf Reisen - vier Stunden trainiert und es in seinen besten Zeiten auf 24 Stunden nonstop gebracht hat, spürt wenig Mitleid mit ächzenden Europäern, die sich ambitioniert, aber steif vom Bürostuhl auf die Yoga-Matte gelegt haben.

Doch Bikram Choudhury ist kein Unmensch. Schließlich kam er aus Indien in die USA, um eine Mission zu erfüllen: die materialistischen Westler aus ihrer "mentalen Krise zu Gesundheit und innerer Zufriedenheit führen". Zuerst einmal musste er sich seinen Lebensunterhalt aber mit Autowerkstätten verdienen, die ihn nicht ohne Lehre ließen: "In den USA gilt als ein gutes Leben, ein tolles Auto, ein Haus, einen Job zu haben. Aber die Menschen sind trotzdem nicht zufrieden, lassen sich scheiden, und das macht sie häufig krank", sagt der Yogi. Heute vergleicht er sich gern als Mechaniker, der den menschlichen Körper repariert.

Und Bikram Choudhury ist darin durchaus erfolgreich. Seine Untersuchungen über die Wirkung von Yoga auf Knochen und Organe interessieren selbst die Forscher von der Harvard-Universität, mit denen er seit Jahren zusammenarbeitet.

Seine Forschung: Das ist jahrzehntelange Praxis an Tausenden Körpern. "Meine Frau und ich haben zum Beispiel an rund 30.000 Yoga praktizierenden Frauen zeigen können, dass keine von ihnen bei der Geburt einen Kaiserschnitt benötigte", erzählt Bikram. Auch Rheuma-, Osteoporose- und Arthritiskranke kämen in seine Trainingshäuser in Amerika, Europa, Australien, Afrika und Asien.

Auf der nächsten Seite: Der "unzivilisierte" Westen mit den schönen Autos.

Der Yoga-Feldherr

Der selbsternannte Heiler

Bikram Chohdhury; Riva Verlag

Bikram perfektioniert den "Balancierten Stock".

(Foto: Foto: Riva)

Bikram "heilte" mit seinem heißen Yoga bereits Sportler der nordamerikanischen Basketballliga NBA, die ihre Körper durch exzessives Training heruntergewirtschaftet hatten. Viele von ihnen hätten auf diese Weise ihre Leistungsfähigkeit auf Jahre verlängert. "Auch John McEnroe kam mit gesundheitlichen Problemen zu mir", erzählt der selbsternannte Heiler. "Danach hat er weitere sechs Jahre professionell Tennis gespielt." Yoga als Allround-Medizin?

Zuerst einmal fließt viel Schweiß, wenn der Guru mit Headset die Massen bewegt. Ununterbrochen tropft es von dem Unterschenkel des Vordermannes, der aufgrund des großen Andrangs im Münchner Trainingsraum nicht den nötigen Abstand halten kann. Die Flucht nach hinten ist unmöglich: Am anderen Ende der Matte stehen die Heizkörper, die erbarmungslos heiße Luft in den Raum pumpen.

Die Spiegelwand beschlägt. Erst als drei Frauen nach und nach auf ihren Matten pausieren und mehr als bewusst atmen, erlaubt der Meister, die Tür nach draußen für einen paar Minuten spaltbreit zu öffnen.

Die Redebeiträge des Gurus werden immer länger. Mal betont langsam, mal maschinengewehrgleich prasselt das akzentschwere Englisch auf das Fußvolk nieder. Der Meister hat verstanden, diese Truppe ist zwar willens, aber keineswegs fähig und schon gar nicht fortgeschritten.

Die Besten unter ihnen sind schnell ausgemacht: die Bikram-Trainerinnen aus dem Haus und eine weitere aus dem fernen Australien. Willkommene Musterschüler, um vorzuführen, wie biegsam ein echter "Bikram" sein muss: Die junge Frau sitzt in der "halben Schildkröten-Haltung", das heißt auf den Knien, mit der Stirn den Boden berührend, die Arme nach vorn ausgestreckt. Nicht ausgestreckt genug: Der Meister steigt auf ihren gebogenen Rücken. Dort verharrt er minutenlang - bis ein digitales Fotos von der stolzen Pose und dem gestreckten Rücken geschossen wird.

Kaltes Eisen und schönes Blech

Dasselbe Spiel bei der "Bogenhaltung", bei der Beine, Arme und Rücken einen 360-Grad-Winkel formen sollen. Wieder turnt die Australierin vor: Sie liegt auf dem Bauch, hebt die Beine, hält die Knie dabei im 90-Grad-Winkel. Gleichzeitig streckt sie den Oberkörper nach oben. Der Meister treibt sie soweit, dass sich Kopf und Füße über dem durchgebogenen Rücken berühren. "So sieht ein 360-Grad-Winkel aus", sagt er schließlich anerkennend. Die weniger begabten Yogis klatschen ehrfürchtig und erleichtert aus der Distanz.

Was nach Folter klingt, bedeutet für viele überzeugte Yogis Heilung. Joggen, Tennis, Schwimmen oder Aerobic lehnt Bikram konsequent ab. Sie würden auf Dauer den Körper zerstören: "Das ist, als würde der Schmied mit dem Hammer auf kaltes Eisen schlagen: Seine Hand und der Hammer brechen." Dass sein 16-jähriger Sohn an der Highschool lieber Basketball spielt und nur unregelmäßig Yoga praktiziert, quittiert er achselzuckend: "So ist das, wenn man in den USA lebt, da muss man mitspielen."

Gern predigt er, dass in den Augen der Inder der Okzident bis heute nicht "zivilisiert", sondern lediglich "materialistisch" sei. Die daraus resultierenden Krankheiten versuchten sie mit noch kranker machenden Medikamenten zu heilen. "Ich aber bin der größte Yogi der Welt", sagt Bikram befreit von Bescheidenheit, "und ich kann sie alle heilen."

Dennoch: Der Westen hat es auch dem Mann, den sie "kleinen Buddha" nennen, angetan. Das Geschäft floriert und so groß wie des Meisters Selbstbewusstsein ist auch sein Autohof im schönen Beverly Hills. Bikram liebt ganz profanes Blech: Er sammelt teure Autos, Bentleys und Rolls-Royce, und statt Taxi fährt er lieber Stretchlimousinen. So viel Westlichkeit, sagt der Guru, darf sein.

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