Hochzeitsmode:Brautkleid von der Designerstange

Immer mehr internationale Couture-Labels kreieren Hochzeitskeider, die nicht an Kommunion erinnern - und stoßen damit in eine Marktlücke.

Miriam Stein

Als die amerikanische Künstlerin, Regisseurin und Schriftstellerin Miranda July vor einem Jahr vor den Traualtar schritt, trug sie ihr absolutes Traumkleid: ein schlichtes, langes, weißes Kleid mit dramatischen Manschetten an den Ärmeln und zarten schwarzen und weißen Seidenrüschen auf der Brust. July fand ihr Kleid nicht in einem Brautmodekatalog, sondern auf dem Reißbrett der Schwestern Kate und Laura Mulleavy, der zwei Designerinnen des angesagten US-Modelabels Rodarte. Eine moderne und eigenwillige Wahl - denn die Mulleavy-Schwestern lassen sich eher von asiatischen Horrorfilmen als von kitschigen Märchenfilmen inspirieren.

Hochzeitsmode: Was die Farben angeht, kommt man in der neuen Boutique des Berliner Modelabels Kaviar Gauche ganz schön in Hochzeitsstimmung.

Was die Farben angeht, kommt man in der neuen Boutique des Berliner Modelabels Kaviar Gauche ganz schön in Hochzeitsstimmung.

(Foto: Kaviar Gauche)

Miranda July setzte einen Trend: Auch Lauren Howell, Redakteurin bei der US-Vogue, wollte an ihrem großen Tag Rodarte tragen und bestellte die Sonderanfertigung einer Robe des Labels in schlichtem Weiß. Am Ende ihrer diesjährigen Modenschau für Herbst/Winter 2010/2011 präsentierten die Rodarte-Schwestern vier wunderschöne weiße Kleider, die auf jeden Fall als sehr stilsichere Hochzeitskleider durchgehen können, auch wenn sich das Label noch gegen eine reine Brautmoden-Kollektion ausspricht.

Brautmode und Trendlabel, das passt auf den ersten Blick zusammen wie Wiener Walzer und Bushido. Und trotzdem: Immer mehr Bräute verlangen nach modischen Brautkleidern. Starre Reifröcke, Plastikperlenapplikationen, Polyesterspitze und Taft-Puffärmel dürfen weiterhin gerne bei der Erstkommunion, aber auf keinen Fall mehr vor dem Traualtar getragen werden.

Wie Miranda July konnte auch die Designerin Alexandra Fischer-Roehler, Ko-Designerin beim Berliner Trendlabel Kaviar Gauche, kein geeignetes Kleid für ihre eigene Hochzeit finden. Alexandra Fischer-Roehler entschied sich für eine Eigenkreation und legte damit den Grundstein für die erste Bridal Couture Kollektion ihres Labels, die sofort Furore machte. Doris Huber, Chefin der Onlineausgabe der deutschen Vogue, ließ sich auf der Berliner Fashionweek 2009 beim Anblick der Kleider zu folgendem Ausruf via Twitter hinreißen: "Sensationell! Brautmode für Fashionistas!"

Kaviar Gauche bietet in Kooperation mit dem Ritz-Carlton Berlin neuerdings sogar ein Reisepaket für zukünftige Bräute an. Darin enthalten: eine Übernachtung in einer Grand Suite, Frühstück, ein Glas Champagner bei Ankunft, Fahrerdienst, Drei-Gänge-Menü und natürlich die Anprobe der Modelle in der neuen Boutique von Kaviar Gauche in Berlin Mitte. "Wir beraten die Bräute nur beiläufig, bei individuellen Änderungen zum Beispiel. Die Frauen sollen sich ihr Kleid schon selbst aussuchen", erklärt Mitarbeiterin Franziska Heinze. "Jede Frau hat eigene Vorstellungen: einige kommen allein, andere mit der ganzen Familie inklusive Videokamera."

Hungern für das Brautkleid

Mit dem Essen sollten sich die Bräute vor der Hochzeit möglichst zurückhalten. Zumindest entsteht der Eindruck, denn das Menü aus Fischcarpaccio, Kalbsfilet und Buttermilchterrine im Ritz-Carlton ist exquisit, aber auch extra kalorienarm, das Brot wird mit dem Hinweis auf den Kalorienwert in den Kohlehydraten serviert. Und es ist ja auch richtig: Der Körperbau der Braut spielt eine zentrale Rolle bei der Kleidersuche. Im Internet gibt es seitenweise Auskünfte darüber, was eine schlanke, eine kurvenreiche, eine birnenförmige und eine vollschlanke Braut tragen sollte.

Franziska Heinze bei Kaviar Gauche bestätigt: "Alle Frauen wollen für ihr Kleid abnehmen." Verwöhnen lassen kann die Braut sich ja schließlich auch im Spa des Hotels und nicht am Dessertbuffet, erklären die Veranstalter. Ein wenig Süßes ist aber doch erlaubt: Zum Begrüßungchampagner gibt es Erdbeeren in Schokolade. Das komplette Ritz-Carlton-Kaviar-Gauche-Paket kostet ab 890 Euro pro Nacht - ohne das Kleid, versteht sich.

Die Hochzeitsmodenindustrie ist lukrativ, geheiratet wird schließlich immer. Jedes Frühjahr findet in den USA der Bridal Market statt, das ist die größte Messe für Hochzeitskleider, und in Barcelona gibt es die Bridal Week. Im Sommer folgt die Paris Bridal Fair. Die diesjährige Brautmodewoche in Barcelona feierte nicht nur ihren zwanzigsten Geburtstag, sondern auch sieben Prozent Wachstum gegenüber dem Vorjahr, mit insgesamt 215 Ausstellern aus aller Welt und Modenschauen von Luxusmarken wie Lacroix und Valentino.

Die interessanteste Neuheit aber ist: Kürzlich hat das US-Label J. Crew an der Madison Avenue in New York eine Brautmodeboutique eröffnet, die Kleider ab 229US-Dollar verkauft. Und selbst die Teenagermodekette Urban Outfitters plant zum Valentinstag 2011 eine eigene Brautkollektion mit Roben, die sich wie "Erbstücke" anfühlen und zwischen 1000 und 5000 US-Dollar kosten.

Die Preisgrenze ist nach oben offen

Glaubt man Zahlen, die im Internet kursieren, dann investiert eine amerikanische Braut im Durchschnitt etwa 1075 Dollar für ein Kleid. Für Deutschland lassen sich keine konkreten Zahlen finden, aber die Frauen in einschlägigen Braut-Foren liebäugeln mit Kleidern um circa 1500 Euro. Vera Wang, die Mutter aller Brautmodendesignerinnen, verkauft ihre preiswertesten Kleider ab 2000 US-Dollar - nach oben ist keine Grenze gesetzt. Die größte Konkurrenz für die chinesischstämmige Designerin kommt mittlerweile von der Filipina Monique Lhuillier, deren Preisklasse ganz ähnlich ist - ab 2000 bis 10.000 Dollar, Änderungen nicht eingerechnet.

Eines muss man Kaviar Gauche lassen: Sie haben die Braut durchschaut. Ein Brautkleidkauf ist kein Impulskauf. Die Brautkleidsuche ist ein Ritual, das mit Brautmüttern, Trauzeuginnen und Freundinnen ausgiebig zelebriert wird. Man bucht vorab Termine in den Shops, damit das Personal sich viel Zeit für die Braut und ihr Gefolge nehmen kann. Den Brautkleidkauf inszeniert man in Amerika schon lange als Erlebnis: Der US-Sender TLC präsentiert im Reality Format "Say Yes to the Dress" seit 2007 pro Folge eine zumeist verzweifelte Braut auf der Suche nach dem perfekten Kleid im "größten Brautkleidshop der Welt", bei Kleinfeld Bridal in New York. Dass die Damen am Ende immer ein passendes Kleid finden, versteht sich von selbst.

Wie viel Glamour eine Ehe abbekommen darf, hängt vom Budget ab. Immerhin sind jetzt auch viele glamouröse Hochzeitskleider für fast jeden zugänglich. Kaum bezahlbare Couture gibt es nur noch von Designern wie Vera Wang und Oscar de la Renta. Aber der Brautmodemarkt wird dank Labels wie Rodarte und Kaviar Gauche modernisiert und dank Modeketten wie Urban Outfitters und J.Crew demokratisiert. Manche Frauen werden weiterhin verbissen auf ein Vera-Wang-Kleid sparen, um sich einmal wie eine Prinzessin zu fühlen. Diese Sehnsucht wird die Hochzeitsindustrie immer weiter befeuern.

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