Heiraten:Wenn Bräute zu Monstern werden

Bridezilla

Nach dem Antrag verwandeln sich viele Frauen in Bridezillas - Monsterbräute.

(Foto: Illustration: Yinfinity)

Mit dem Heiratsantrag verwandeln sich manche Frauen in Bridezillas - despotische Heiratsmonster mit Hang zum Perfektionismus. Wie sie ticken und wie man ihnen begegnen sollte: eine furchtsame Annäherung in vier Schritten.

Von Lena Jakat

Wer oder was ist Bridezilla?

Bridezillas sind Mischwesen und sowohl der Gattung der Bräute (englisch: bride) als auch jener der gefährlichen japanischen Riesenechsen (Godzilla) zuzuordnen. Ursprünglich in den Vereinigten Staaten von Amerika beheimatet, ist das allesfressende Krallentier inzwischen in weiten Teilen der westlichen Welt anzutreffen - der Globalisierung der Hochzeitskultur sei Dank. Erstmals beschrieben wurde diese Spezies 1995. Die Bridezilla, heißt es in dem Text, sei eine Braut, die "besonders schwierig und unausstehlich ist." Für die massenhafte Verbreitung dieser problematischen/bedrohlichen Gattung sorgte die Reality-Show Bridezillas, die von 2004 bis 2013 im US-Fernsehen lief.

Die Bridezilla zeichnet sich durch ein Weltbild aus, das man als nuptiazentrisch bezeichnen könnte. Alles und jeder in ihrer Galaxie kreist um jenen Tag, der für die Bridezilla der Höhepunkt ihrer Existenz, ja ihre gesamten Daseinsberechtigung darstellt: das Datum ihrer Hochzeit. Die Bridezilla lebt in festen Partnerschaften, ist jedoch häufig in einem Rudel mit weiblichen Exemplaren verwandter Spezies gesichtet. Sie ist stets an der Spitze dieses Rudels zu finden, das sie autoritär beherrscht.

Wie erkenne ich eine Bridezilla?

Die Bridezilla strebt nach Perfektion wie kaum ein zweites Wesen. Diese Perfektion erwartet die Bridezilla von sich selbst, den Mitgliedern ihres Rudels, selbst von der 483. Stoffblüte in ihrem Reich. Dem gewählten Motto ihrer Herrschaft ... äh ... Hochzeit hat sich alles unterzuordnen. Lautet dieses etwa "Vintage-Alpin", bedeutet das unter anderem: Das Farbschema "Himmelblau-Eierschale" hat sich konstant durch Save-The-Date-, Einladungs- und Dankeskarten-Papeterie zu ziehen. Es muss sich im Brautstrauß ebenso wiederfinden (Pfingstrosen) wie an den Socken des Bräutigams (himmelblau, nicht eierschalenfarben). Für die Tischdeko werden Bergbachkiesel mit himmelblauem Schriftzug verziert und himmelblaue Zuckermandeln im Internet bestellt - nicht zu vergessen: die Füllung der Hochzeitstorte (Blaubeersahne!). Das Vintage-Alpin-Motto bestimmt Layout und URL der Hochzeitswebsite www.michi-timo-alpenglück.de, den Hashtag "#Alpenglück100615", die Speisefolge (in Heu gegartes Weidelamm) und das Menü der Hochzeits-DVD "Michis Magic Mountain Moments".

Egal, wie verplant und prinzipienlos sie in einer früheren Existenzform gewesen sein mag: Von der Sekunde des Heiratsantrags an betritt die Bridezilla ein Universum, das sie nach ihren eigenen, unverrückbaren Vorstellungen gestaltet. Darin bewegt sie sich nach einem exakten Plan, von dem nicht einmal bei Lebensgefahr abzuweichen ist.

Wenn etwas ihrer Realität widerspricht - zum Beispiel, dass es keine himmelblauen Pfingstrosen gibt -, fragt sich die Bridezilla nicht, ob sie sich vielleicht in der Galaxie vertan hat. Sondern, wie das widerspenstige Gewächs ihrer Wirklichkeit angepasst werden kann, nach dem Motto: "Das muss doch mit Tinte ...?" Was harmlos, für manche womöglich sogar niedlich klingen mag, kann durchaus extremistische Formen annehmen.

Das Portal Business Insider hat anonyme Augenzeugenberichte über Bridezillas veröffentlicht. Sie offenbaren Abgründe. Da ist von einer Bridezilla die Rede, die ihre Brautjungfern zwingt, sich die Haare dunkel zu färben, damit sie die einzige Blondine sein kann. Von einer, die eine schwangere Brautjungfer aus ihren Diensten entließ, weil sie alle Fotos ruinieren würde. Von einer, die sich über die Dreistigkeit ihrer Großmutter empört, ein paar Stunden vor der Trauung zu sterben und ihr damit die Schau zu stehlen.

Da die Pläne der Bridezilla viel zu wichtig sind, um sie irgendwie zu gefährden, verzichtet sie auf moderne Errungenschaften wie Demokratie oder andere Formen der Mitbestimmung. Das bekommt natürlich der Partner zu spüren durch Bemerkungen wie: "Im Ernst jetzt, du hast dir noch keine Gedanken über Manschettenknöpfe gemacht? Die Hochzeit ist doch schon in vier Monaten!" In erster Linie aber erwartet die Bridezilla von Brautjungfern und Trauzeuginnen absoluten Gehorsam. Welche Ausmaße das annehmen kann, zeigt die E-Mail einer Kampfbraut an ihre Untertanen, die dem US-Portal Gawker zugespielt wurde. Bezeichnender Satz: "Ich habe keine Zeit, auf Antworten zu warten, jeder hat sein Telefon bei sich, also solltet ihr nicht länger als einen Tag brauchen, um mich zurückzurufen."

Warum wird jemand zur Bridezilla?

Angst gekriegt? Vielleicht auch davor, selbst einen Antrag zu bekommen? Sie fragen sich vielleicht, was ganz gewöhnliche Frauen dazu veranlasst, sich in weißbespitzte Monsterechsen zu verwandeln. Vielen macht es schlicht Spaß, ein paar Monate oder Jahre absolutistisch zu herrschen wie dereinst Marie-Antoinette. Einmal in einer Welt zu leben, die sich ausschließlich um sie selbst dreht. Doch es gibt auch äußere Faktoren, die zur Bridezillarisierung beitragen. Die Braut besucht ganz unvoreingenommen eine Hochzeitsmesse. Blättert arglos durch ein Hochzeitsmagazin. Oder tippt "Hochzeitsvorbereitungen" in die Suchzeile bei Google. Unvermittelt öffnet sich irgendwo eine Schleuse und lässt eine Lastwagenladung Erwartungen auf die Frau einprasseln.

Helfen? Besser nicht

"Planen Sie zeitig das Budget", liest sie. "Denken Sie an Trinkgeld für den Keyboarder im Standesamt!", "Vergessen Sie nicht, bei Ihrer Floristin die Anstecker für die Blumenkinder zu bestellen - natürlich farblich auf den Brautstrauß abgestimmt!"Nicht genug damit, dass sich die Frau gerade mit einem neuen Lebensabschnitt auseinandersetzen muss. Jetzt soll sie plötzlich auch über die Sockenfarbe ihres Verlobten nachsinnen. "Hilfe!" denken Sie? Fühlen Ihren Fluchtinstinkt? Tja. Leider ist zu dem Zeitpunkt Wegrennen keine Option mehr. Also gehen viele Bräute zum Angriff über - und fahren die Godzilla-Krallen aus.

Und dann ist da auch noch der Leistungsdruck im Freundeskreis. Man mag nur erahnen, was es in einer Bridezilla auslöst, wenn ihre Freundin sagt: "Annas Hochzeit war wirklich die beste, auf der ich je war." Adrenalin wird ausgeschüttet, das himmelblau-weiße Brauthirn fängt an zu rattern. "Vielleicht sollten wir nochmal über den Belag für die Pumpernickel-Amusegeules nachdenken - isst Sabine nicht gerade vegan?". Es kann eben nur eine perfekte Hochzeit geben, und zwar die eigene.

Sicher, auch Bridezillas haben, objektiv betrachtet, noch andere Lebensinhalte. Sie sind (natürlich!) moderne, (selbstverständlich!) emanzipierte, (aber hallo!!) selbstbestimmte Frauen. Sie entscheiden sich ganz bewusst für dieses traditionelle Ritual. Und so zielstrebig und perfektionistisch wie sie die anderen Rollen ihres Lebens (Arbeitnehmerin, beste Freundin, Marathonläuferin oder Supermutti) spielen, nehmen sie auch diese an.

Wie sollte man ihr begegnen?

Sind Bridezillas also am womöglich neurotische Opfer ihrer Zeit? Sollten Sie ihr einfach helfend die Hand reichen, wenn Sie einer Bridezilla begegnen? Lassen Sie das lieber. Da haben sich schon ganz andere eine blutige Nase geholt. Es gäbe genügend Instanzen, die überspannten Bräuten professionelle Unterstützung anbieten. In den vergangenen Jahrzehnten ist für sie ein millionenschwerer Dienstleitungsmarkt entstanden. Es gibt Weddingplanner, Papeterie-Komplettsets, Hochzeitsbauernhöfe, die sich vom Tischkärtchen bis zu den Rosenblättern auf dem Kopfkissen um alles kümmern. Müsste diese Industrie die Spezies Bridezilla nicht längst an den Rand des Aussterbens gedrängt haben?

Mitnichten. Denn es liegt in der Natur der Bridezilla, dass sie stets alles besser kann und ohnehin alles besser weiß als alle anderen. Da kann die Floristin fünfmal behaupten, diese Pfingstrose sei sehr wohl himmelblau. Wenn die Bridezilla sagt, die Blume ist lila, ist die Blume lila. Die Erfindung von Junggesellinnenabschiedsreiseanbietern und Foto-Esspapier für die individuelle Hochzeitstorte hat nicht zur Entspannung der Bridezilla beigetragen. Im Gegenteil. Solche Sparringspartner stacheln ihren Kampfgeist und Perfektionismus nur noch weiter an.

Wenn Sie also mit solchen Existenzen konfrontiert sind, sollten Sie nicht versuchen, zu helfen oder gar Tipps zu geben. Ergeben Sie sich! Verfolgen Sie eine Strategie der Unterwerfung und Kooperation ("Lila ist genauso schön wie Himmelblau"). Trainieren Sie Yoga, Barfußwandern oder andere Entspannungstechniken, aber wehren Sie sich nicht. In den ganz dunklen Stunden: einfach die Tage bis zur Hochzeit zählen. Danach nämlich wird die Bridezilla verschwunden sein. Und dann ist alles wieder gut - das heißt, falls sie sich nicht als Honeymoonster entpuppt. Aber das ist eine andere Geschichte (die Sie hier lesen können).

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