Hautpflege:Hier kommt die Kosmetik-Polizei

Die Amerikanerin Paula Begoun bewertet seit mehr als 25 Jahren Cremes und Pflegeprodukte nach Wirksamkeit respektive Schädlichkeit.

Susanne Hermanski

Draußen beißt einen der Frost in die Wangen, drinnen trocknet sie die Heizungsluft aus. Hochzeit für Cremchen, Salben und Fluide. Die Haut schreit nach Hilfe, das Angebot der Kosmetikindustrie ist riesig. Doch was ist das Richtige für welche Haut? Wer hält, was er verspricht? Paula Begoun versucht seit mehr als 25 Jahren Verbraucherinnen über die Wirksamkeit von Make-up und Hautpflegeprodukten zu informieren. Plakativ wie Amerikaner es nun einmal gerne haben, nennt ihr Verlag sie auch den "Cosmetics Cop".

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Wie eine Polizistin sieht die Mittfünfzigerin allerdings nicht aus. Eher hat sie etwas von einem intellektuellen Schneewittchen mit ihrer Alabasterhaut, den dunklen, langen Haaren und dem insistierenden Blick, mit dem sie ihr Gegenüber beim Gespräch niemals aus den gut getuschten Augen lässt. Sie ist nach Deutschland gekommen, um auf ihre hiesige Website aufmerksam zu machen, die seit Kurzem verfügbar ist.

Bisher waren ihre Veröffentlichungen nur in den USA und Kanada bekannt. Zweieinhalb Millionen Bücher hat sie dort verkauft: "Don't Go To The Cosmetics Counter Without Me" - "Gehen Sie nicht ohne mich in die Parfümerie" heißt das Nachschlagewerk, das sie herausgibt und das bereits in der siebten Auflage erschienen ist.

Mehr als 30 000 Produkte besprochen

"Mittlerweile", sagt sie, "kommen wir mit der gedruckten Form kaum noch nach, so schnell gibt es neue Produktlinien und Firmengründungen." Mehr als 30 000 Produkte hat sie deshalb auf ihrem kostenpflichtigen Portal www.beautypedia.com besprochen (für rund 17 Euro pro Jahr).

In einem Wörterbuch der Inhaltsstoffe schlüsselt sie dort das Fachchinesisch der Chemiker auf. Vor allem aber gibt sie Antworten auf alle Fragen rund um die Haut, von "spröden Lippen", über "schuppige Kopfhaut" bis hin zur "richtigen Nagelpflege". Verbraucherinnen können überdies individuelle Anfragen stellen. Erstaunen mag den Laien, dass bei ihr oft ein Produkt einer Kosmetiklinie gute Bewertungen erhält, ein anderes verheerende. Da kann die Nachtcreme der Firma XY durchaus annehmbar erscheinen, das Spezialserum der selben Serie indiskutabel. "Ich sehe mir einfach die Inhaltsstoffe an und vergleiche sie mit den Studien, die es weltweit zu deren Wirkungsgraden gibt. Das sagt meistens schon alles."

Ein Beispiel: Eine Firma bewirbt ein Produkt als "Collage-Bio-Aktivator", der der Hautoberfläche Volumen und Form verleihe und für glattere Gesichtszüge sorge. Gleichzeitig weist der Hersteller darauf hin, dass dieses Produkt einer ärztlich verordneten Collagen-Injektion ähnele - was aber nicht stimmt. "Dies zu glauben, käme der Überzeugung nah, ein Skateboard sei ähnlich komfortabel wie ein Auto", schreibt Paula Begoun. "Am meisten enttäuscht jedoch das Produkt, weil es zu wenig UV-Schutz bietet und damit lügt, wenn es behauptet, der Collagenaufbau würde durch es gefördert, denn mangelnder UV-Schutz zerstört Collagen."

Dass Paula Begoun im klagewilligen Amerika angesichts solch deutlicher Worte noch nie in ein Gerichtsverfahren mit der Kosmetikindustrie verwickelt war, erscheint bemerkenswert. "Wogegen wollen sie klagen", sagt sie dazu: "Ich schlage sie mit den Waffen ihrer eigenen Untersuchungsergebnisse".

Hier kommt die Kosmetik-Polizei

Zerfall und Verfall

Hautpflege: "The Cosmetics Cop" wird Paula Begoun in den USA auch genannt. Sie hat als Beauty- Redakteurin angefangen und will den Weg im Produkt-Dschungel weisen.

"The Cosmetics Cop" wird Paula Begoun in den USA auch genannt. Sie hat als Beauty- Redakteurin angefangen und will den Weg im Produkt-Dschungel weisen.

(Foto: Foto: Paula's Choice)

Wie ignorant die Firmen mit dem Wissen ihrer Branche umgingen, verstünde sie oft selbst nicht. Zum Beispiel ist es selbst Menschen, die sich morgens nur ihren Orangensaft pressen, oft klar: Licht und Sauerstoff bewirken binnen kürzester Zeit, dass die Vitamine zerfallen. Deshalb lassen sie den Saft nie lang stehen.

Trotzdem gibt es Firmen, die ihre Cremes mit dem durchaus wirksamen Vitamin E anreichern, um die Creme danach in durchsichtige Glastiegel abzufüllen. Weil es unmöglich ist, den Topf nach dem ersten Öffnen wieder hermetisch zu verschließen und so die Antioxidantien nicht stabil bleiben, wird das Vitamin E also im Deckelumdrehen unwirksam. Würde die selbe Creme in einer Tube angeboten, gäbe es das Problem gar nicht.

Paula Begoun kritisiert auch manche "Mythen", die sich ihrer Meinung nach um Kosmetik ranken. Zum Beispiel hält sie es für keinesfalls erwiesen, dass Produkte auf natürlicher Basis grundsätzlich besser für die Haut seien als synthetische. "Die Forschung stützt diese Auffassung nicht. Es gibt sogar viele natürliche Inhaltsstoffe, die schlecht für die Haut sind. Lavendel ist so ein Fall. Sehr viele Menschen reagieren allergisch darauf."

Rauchen ist das Schlimmste

Für ähnlich falsch hält sie die Auffassung, dass Mineralöle in Cremes unverträglich seien. "Es gibt keine Untersuchung, die besagt, streng kontrollierte Mineralöle seien schlecht für die Haut. Aber es gibt welche, die sagen, Mineralöle können der Haut helfen." Bei diesen Thema redet sie sich förmlich in Rage: "Ich wünschte, die Leute würden sich mehr Gedanken über ihre Raucherei machen als über Mineralöl. Neben Sonnenbaden ist Rauchen das Schlimmste, was man seiner Haut antun kann. Beides zerstört massiv die Hautzellen."

Für Frauen mit kleinem Geldbeutel hat Paula Begoun indessen einen Trost bereit: "Mehrere hundert Euro für eine Creme auszugeben, ist eine Dummheit", sagt sie. "Es gibt so gut wie nichts, was man nicht deutlich billiger haben könnte." Für den deutschen Markt wagt sie sogar ein klares Fazit: "Insbesondere die Marken Neutrogena und Olay überzeugen bei vielen Produkten mit guten Wirkstoff-Formeln. Wer es etwas hochpreisiger mag, trifft mit dem Kauf von Clinique-Produkten selten die falsche Entscheidung".

Übrigens hält Paula Begoun keine Anteile dieser Firmen. Sie hat 1995 eine eigene Kosmetiklinie gegründet. Auf die Frage, ob das ihrer Glaubwürdigkeit nicht schade, erwidert sie: "Das sehe ich nicht so. Ich wurde einfach von vielen Leuten darum gebeten". Weil Begoun an manch anderer Firma kaum ein gutes Haar lässt, nimmt es aber wenig Wunder, dass manche Art Presse nie über den "Cosmetics Cop" berichtet. "Wissen Sie, ich bin mit der Chefredakteurin einer großen Frauenzeitschrift gut befreundet", sagt sie. "Die hat mir's direkt ins Gesicht gesagt: "Einen Bericht über Dich können wir uns nicht leisten".

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