Gute Vorsätze:Selbstverbesserung für Könner

Opening Day - Oktoberfest 2016

Kein Nachschub für den süßen Zahn? Schwierig, aber schaffbar, wenn man die ersten 66 Tage durchhält.

(Foto: Getty Images)

"Morgen ess ich weniger Süßes": Wie wir Weltmeister in der Toleranz des eigenen Scheiterns geworden sind. Und was man dagegen tun kann.

Von Evelyn Roll

Fasten? Aber klar, schon seit Aschermittwoch! Und, ja, natürlich bis Ostern, mindestens bis Ostern. Kein Fleisch. Kein Alkohol. Keine Süßigkeiten. Jeden Tag Sport. Einmal in der Woche mit einem AFD-Wähler diskutieren. Die alte To-Do-Liste abtragen. Freundlich und nett sein, auch zu Langweilern. Dazu verschärfte digitale Entgiftung selbstverständlich: Nur dreimal am Tag überhaupt zur Psychoprothese greifen und maximal eine Viertelstunde Emails und Social Media checken.

Gut! Sehr gut! Aber: Waren die guten Neujahrsvorsätze nicht auch genau neun Programmpunkte? Und klangen die nicht, nun, ja, sehr ähnlich? Nur 12 Prozent der Menschen gelingt es, ihre Vorsätze für das neue Jahr oder für die Fastenzeit einzuhalten, 88 Prozent scheitern also.

Warum ist das so? Und, wenn das so ist, warum versuchen wir es trotzdem immer wieder? Warum fassen Menschen Vorsätze in der Silvesternacht, nehmen sich Entbehrungen vor zum Beginn der Fastenzeit, hoch und heilig. Und wissen eigentlich schon vorher, dass es nachher wieder nicht gelingt? Wie wird man Weltmeister in der Toleranz des eigenen Scheiterns?

Es ist einerseits angeboren, eine Anpassungsstörung gewissermaßen. Das menschliche Gehirn will seine Ressourcen schonen, es vermeidet Aktivierungsenergie, es ist also grundsätzlich faul und läuft gerne auf Autopilot. Weiter machen wie bisher scheint für das Gehirn immer die ökonomischere Option zu sein. Experiment-Reihen haben gezeigt: Es dauert deswegen im Durchschnitt 66 Tage, bis der Mensch sich eine gute Angewohnheit wirklich neu angeeignet oder eine schlechte abtrainiert hat. Das heißt: Wer es 66 Tage lang schafft, hat es geschafft.

Weil andererseits und außerdem Menschen in Multioptionsgesellschaften an chronischer Willenskrafterschöpfung leiden, könnte zum Beispiel Smartphone-Fasten der beste Einstieg sein in diesen 66 Tagen. Ein paar Tage geordnete Benutzung der Psychoprothesen setzt erstaunlich viel Willenskraft frei für Größeres.

Wer es probieren will, sollte sich die 66 Tage in drei Phasen einteilen, die im großen Essay zur Gewohnheitsveränderung erklärt werden. Und nein, bis zum nächsten Aschermittwoch muss da keiner warten, sondern es lieber mit Konfuzius halten: "Wenn du die Absicht hat, dich zu erneuern, tu es jeden Tag."

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