Gleichgeschlechtliche Trauungen:Vor Gott sind nur manche gleich

Nicht nur in Dänemark und Schweden, auch in manchen deutschen Landeskirchen können homosexuelle Paare kirchlich heiraten. Als offizielle Amtshandlung akzeptiert die Kirche gleichgeschlechtiche Trauungen aber nach wie vor nicht.

Violetta Simon

In Dänemark können sich homosexuelle Paare vom kommenden Sommer an auch kirchlich trauen lassen. Wie Kirchen- und Gleichstellungsminister Manu Sareen in Kopenhagen mitteilte, hat die neue Mitte-links-Regierung die gesetzliche Gleichstellung aller Mitglieder der protestantischen Staatskirche bei Eheschließungen beschlossen. Sareen forderte die dänischen Bischöfe auf, sich ein Trauungsritual für gleichgeschlechtliche Paare auszudenken.

10 Jahre Homo-Ehe

Bundesaußenminister Guido Westerwelle und sein Lebensgefährte Michael Mronz haben am 17. September 2010 in Bonn geheiratet - standesamtlich. Mehr als 23.000 Homo-Ehen gibt es nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in Deutschland. Vor den Traualtar treten die wenigsten.

(Foto: Tobias Hase/dpa)

In Schweden hatte die vom Staat getrennte protestantische Kirche bereits 2009 ja zur Trauung homosexueller Paare gesagt. Auch in verschiedenen deutschen Landeskirchen ist es mittlerweile - zumindest theoretisch - möglich, sich innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) gleichgeschlechtlich trauen zu lassen. "Eine einheitliche Regelung gibt es aber nicht", sagt Stephan Krebs, Sprecher der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN).

Nachdem am 1. August 2001 das Lebenspartnerschaftsgesetz in Kraft trat, machte die Rheinische Kirche 2002 den Anfang. Es folgte die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau. Mittlerweile haben Homo-Paare auch in Bayern, Berlin-Brandenburg, Braunschweig, Schleswig-Holstein, der Nordelbischen Landeskirche (Hamburg, Lübeck), Oldenburg, der Pfalz, im Rheinland und in Westfalen die Möglichkeit, sich im Rahmen einer Andacht oder eines Gottesdienstes den kirchlichen Segen zu holen. Jüngste Nachfolgerin ist die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck, die soeben auf ihrer Synode beschloss, dass gleichgeschlechtliche Paare, die in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben und von denen mindestens eine Person evangelisch sein muss, in einem Gottesdienst öffentlich gesegnet werden können.

Bis dahin konnten die Paare nur eine Segnung im Raum seelsorgerlicher Intimität erhalten, wie es noch immer von den Landeskirchen in Baden, Hannover, Pommern und Sachsen angeboten wird. Im Rest der Republik ist die kirchliche Trauung homosexueller Paare gar kein Thema.

Welche Kirchen in welchen Regionen gleichgeschlechtliche Paare trauen, ist selbst für die Repräsentanten der Landeskirchen nicht leicht zu durchschauen. Sicher ist: Von einer flächendeckenden Regelung ist Deutschland noch weit entfernt. Und selbst wenn eine Landeskirche die Zeremonie anbietet, müssen heiratswillige Paare noch einige Hindernisse überwinden: "Zunächst muss der Kirchenvorstand die Angelegenheit absegnen", erklärt Kirchensprecher Krebs. Dann müssen sie einen Pfarrer finden, der sich bereiterklärt, die Trauung durchzuführen. "Die Umsetzung liegt in der Verantwortung des Einzelnen, dazu kann niemand gezwungen werden", sagt der Pfarrer. Mit anderen Worten: Geistliche, die die Segnung nicht vollziehen wollen, können die Aufgabe an einen Kollegen delegieren.

Immerhin, der Rat der Landeskirche wird nun ein geeignetes Ritual für den Gottesdienst entwickeln. Wem es nur um die Zeremonie geht, wird damit zufrieden sein - doch wirklich gleichgestellt sind Homo-Paare innerhalb der Kirche damit noch immer nicht: "Jede Trauung ist nichts anderes als ein Gottesdienst anlässlich einer Eheschließung", sagt Pfarrer Krebs. Darüber hinaus sei sie - ebenso wie die Taufe oder die Kommunion - eine Amtshandlung, die mit einem Eintrag ins Kirchenbuch bestätigt werde. "Die Trauung schwuler oder lesbischer Paare indes erfährt einen solchen Eintrag nicht, da sie nicht als Amtshandlung gilt, sondern als Handlung in seelsorgerischer Verantwortung", erklärt Krebs.

Segen - ja, aber keine Trauung

Bei aller Toleranz - als gleichberechtigte Zeremonie im Namen der Kirche wird die Trauung also noch immer nicht akzeptiert. Andernfalls hätte man die neue Regelung wohl kaum durchbekommen: Die Einschränkung habe man 2002 bei der Einführung des Beschlusses in dieser Pioniersituation gefasst, um konservative Skeptiker zu beschwichtigen, erläutert Krebs. "Man muss Brücken bauen".

Generell sieht der Pfarrer bei immer mehr Kirchen eine steigende Akzeptanz, eigene Regelungen für das Thema zu finden. Wirklich groß sei der Andrang homosexueller Paare aber nicht: Von den insgesamt 1,7 Millionen Mitgliedern der 1200 Gemeinden in Südhessen und Rheinland-Pfalz würden sich etwa 20 Paare pro Jahr kirchlich trauen lassen. Gerade weil konservative Institutionen wie einige protestantische Kirchen oder die katholische Kirche eine Gleichstellung aller Kirchenmitglieder nach wie vor ablehnen, hält der evangelische Kirchensprecher die Entwicklung in den skandinavischen Ländern für immens wichtig. Ob der Einfluss aber genügt, um etwa die katholische Kirche zu einer Veränderung zu bewegen? "Nein, das glaube ich nicht", sagt Krebs.

Die Kirche ist uneins

Erstaunlich ist, dass selbst innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland die Meinungen auseinandergehen. Oliver Hoesch, Sprecher der Landeskirche Württemberg, erteilt der gleichgeschlechtlichen Ehe eine klare Absage. "Wir halten eine Segnung nicht für angemessen", sagt Hoesch. "Die Landeskirche Württemberg hat das Leitbild von der Familie und von daher gibt es aus ihrer Sicht keinen Auftrag, gleichgeschlechtliche Paare zu segnen." Andere Dinge seien dafür durchaus möglich. "Homosexuelle dürfen zum Beispiel Pfarrer werden." In der neuen Regelung in Dänemark sehe er keine Signalwirkung für Deutschland.

Models present creations of Argentine designer Carolina Abudele during a same-sex wedding dress fashion show in Buenos Aires

Der Markt für gleichgeschlechtliche Hochzeiten ist längst in der Gegenwart angekommen: In Buenos Aires präsentierten kürzlich Designer und Weddingplaner Hochzeitsmode für schwule und lesbische Paare.

(Foto: REUTERS)

In diesem Punkt steht Hoesch auf demselben Standpunkt wie die katholische Kirche. Hier steht die Institution der Ehe zwischen Mann und Frau an erster Stelle. "Für uns ist klar, dass es für Ehe und Familie einen besondernen Schutz- und Förderauftrag gibt, der im Gesetz verankert ist", sagt Elisabeth Bußmann, Präsidentin des Familienbundes der Katholiken. Dieser basiere auf dem Ideal der Partnerschaft von Mann und Frau, die als biologische Eltern Vorrang hätten.

"Natürlich sehen wir die Vielfalt der Lebenssituationen in Deutschland", sagt Bußmann, "und wir bewerten das nicht." Aber im Sinne der Werteorientierung stünden Ehe und Familie an erster Stelle. Dass der Beschluss in Dänemark eine Auswirkung auf die deutsche Kirche haben wird, glaubt die Präsidentin des katholischen Familienverbandes nicht. "Und ich könnte mir vorstellen, dass das viele andere auch so sehen."

Markus Gutfleisch, Vorstand der Ökumenischen Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche (HuK) hält diese Einstellung für respektlos und obendrein unrealistisch. "Wenn ich an Gott glaube und dass er mich so geschaffen hat, wie ich bin, dann kann ich meine sexuelle Orientierung nicht als sündhaftes Verhalten definieren, wie es die Kirche tut", sagte der Theologe in einem Interview mit sueddeutsche.de. Wie viele gläubige Schwule sei er sich sicher, von Gott geliebt zu werden, mit seiner Veranlagung, seiner Lebensweise, seinen Partnerschaften. "Ich glaube, dass Gottes Liebe über der Engstirnigkeit der Kirche steht."

In diesem Punkt sind sich die Landeskirchen noch nicht so sicher. Während die katholische Kirche sich in ihrer Argumentation durchwegs auf die Bibel beruft, debattiert die evangelische Kirche, ob die entsprechenden Stellen in der Heiligen Schrift wirklich durchweg Homosexualität ablehnen oder ob die Kritik nicht vielmehr auf den biologischen Erkenntnissen der damaligen Zeit beruht. Die Bibel wurde in einem helenistischen Umfeld geschrieben", erklärt EKHN-Sprecher Krebs. Das Prinzip des Lustknaben sei auf die Befriedigung rein sexueller Bedürfnisse reduziert gewesen und daher abgelehnt worden. "Über gleichgeschlechtliche Beziehungen im heutigen Sinne wusste man einfach nichts."

Bis zur Gleichstellung homosexueller Paare vor Gott ist es also noch ein langer Weg - selbst in Dänemark. In der Folkekirken, der 80 Prozent der 5,6 Millionen Bürger Dänemarks angehören, hatten sich einige Geistliche massiv gegen Trauungen von Männer- oder Frauenpaaren vor dem Altar gewehrt. Auch nach Inkrafttreten der Gesetzesänderungen können Pastoren in Zukunft individuell homosexuelle Eheschließungen ablehnen.

Die dänische Regierung lässt sich indes nicht entmutigen und peilt bereits den nächsten Schritt an: Künftig will die linke Koalition in Kopenhagen die Rechte gleichgeschlechtlicher Paare bei der Adoption von Kindern erweitern.

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