Glaubensbekenntnis:Nils Bokelberg

Lesezeit: 2 min

(Foto: Future Image/Imago)

Autor und Blogger Nils Bokelberg, 40 glaubt an eine höhere Instanz, allein schon weil er jemanden braucht, mit dem er sprechen kann.

Protokoll: Anne Backhaus

Ich glaube an eine göttliche Instanz, das ist für mich aber eher eine Rechtfertigung für Selbstgespräche. Manchmal merke ich auf der Straße, oh Gott, das habe ich ja gerade laut gesagt! Schon etwas kauzig, aber Dinge auszusprechen hilft mir. Das Sprechen mit einer Art höherem Wesen ist aber noch mal anders, als draußen laut zu brabbeln. Es findet auf einer seltsam abstrakten Gedankenebene statt. Es beruhigt mich, meine Sorgen oder auch Freuden an jemanden zu richten. Dann bin ich nicht nur mit mir allein.

Musik zu hören und zu machen, daraus schöpfe ich ebenfalls viel. Schon im Konfirmandenunterricht fand ich das Singen am besten. In der evangelischen Kirche gibt es ja durchaus Lieder, die musikalisch spannend sind. Eines, das sehr unterschätzt wird, ist "Ein Schiff, das sich Gemeinde nennt". Der Titel sagt ja schon alles, Zusammenhalteschwur und so. Aber musikalisch ist das toll. Es hat so eine trostlose, mollige Strophenmelodie und geht dann aber in einem Dur-Refrain auf, der super hoffnungsvoll ist. Der lässt quasi die Sonnenstrahlen durch die Wolkendecke brechen und den Fingerzeig Gottes auf dich herniederfahren. Diese krasse Dynamik hat mir immer gefallen.

Tatsächlich mag ich die Kirche sogar sehr, als Jugendlicher war ich ein richtiger Nutznießer. Ich komme aus einer kleinen Stadt zwischen Köln und Bonn, wo nicht viel los war und das Freizeitangebot der Kirche mich gerettet hat. In den Ferien bin ich mit denen in Dänemark gewesen oder eine Woche auf einem Hausboot durch Holland gefahren.

Reise ich jetzt als Erwachsener, gehe ich irrsinnig gerne in Gotteshäuser. Ich fühle mich da gar nicht unbedingt religiös beeindruckt, sondern mag, dass es so unkompliziert ist. Da kann man einfach rein, sich umschauen und niemand ist böse, wenn man nach einer Viertelstunde wieder rausgeht. Ich zünde auch immer eine Kerze an für die Verstorbenen, die mir wichtig sind und denen ich so ein kleines Herzchen schicken will. Es ist für mich eine schöne Angewohnheit, die mich innehalten lässt. Dabei habe ich in meinem engen Umfeld noch niemanden verloren. Das ist gut und schlimm zugleich, denn je älter ich werde, desto mehr habe ich Angst davor, das zum ersten Mal zu erleben.

Meine schlimmsten Glaubensmomente waren im Religionsunterricht. Einmal ging es darum, was passiert, wenn wir sterben. Das sollten wir in einem Aufsatz beantworten und ich habe damals geschrieben: "Die einen glauben, man kommt ins Paradies, die anderen, man wird wiedergeboren - aber ich glaube, dass jedem genau das passiert, was er glaubt." Darunter stand dann noch: "Deswegen ist der Tod die individuelle Form des Daseins." Das hielt ich für wahnsinnig clever, die Lehrerin wollte aber meine Mutter sprechen. Ich galt als sehr aufmüpfiges Kind. Diese Erklärung von mir damals, die stimmt für mich aber noch immer.

Nils Bokelberg, 40, ist Autor und Blogger. Er wurde als Viva-VJ bekannt und moderierte später in Radio und TV. Nun erscheint sein Buch "Tristesse Renesse. Ferienorte unserer Kindheit revisited".

© SZ vom 15.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: