Glaubensbekenntnis:Christoph Sieber

Glaubensbekenntnis: Foto: Rainer Unkel/Süddeutsche Zeitung Photo

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Ich glaube an den Satz: Man begegnet Gott in jedem anderen. Das ist für mich das stärkste Gottesbild. Und ich will die Welt ein bisschen besser machen.

Von Christoph Sieber

Ich glaube an den Satz: Man begegnet Gott in jedem anderen. Das ist für mich das stärkste Gottesbild. "Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem anderen zu" - mehr braucht man nicht für ein gutes Zusammenleben. Wenn es einen Gott gibt, können die ganzen Religionen nicht in seinem Sinn sein. Ich glaube, dass die göttliche Kernbotschaft einfach ist: Lebt friedlich und seid nett zueinander. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Gott sagt, der eine Teil der Schöpfung ist besser als der andere.

Die Welt etwas besser zu machen, empfinde ich als Sinn meines Lebens. Ich habe mir einen Trick angewöhnt, weil ich prinzipiell an das Gute im Menschen glaube: Ich versuche, niemandem etwas Böses zu unterstellen. Es ist aber nicht leicht, diesen Kern zu erreichen, weil man sich dafür durch viele Schichten von Emotionen, Gewohnheiten und Erfahrungen kämpfen muss, auch werde ich oft genug enttäuscht. Dennoch habe ich Hoffnung, weil ich von einem kühlen Kopf regiert werde. Sonst könnte ich nicht mehr auf der Bühne stehen.

Ich bin katholisch erzogen worden und als engagierter Kirchgänger durch alle Höhen und Tiefen gegangen. Ich habe mir viele Gedanken über Gott und sein Bodenpersonal gemacht. Am Ende bin ich als großer Fan der Aufklärung bei dem Punkt angelangt, dass der Zweifler besser als der Gläubige ist. Das ist ein biblischer Gedanke, der sich in dem Wunsch des Apostel Thomas widerspiegelt, die Wunden Jesu' mit eigenen Augen zu sehen, weil er seinen Freunden nicht glaubte. Wie ihn interessiert mich das Wissen mehr als der Glaube an etwas.

Ich kann nichts anfangen mit den primitiven Machtspielchen der Kirche, dem Beichten oder der Vertröstung auf das Jenseits. Wenn es einen Gott gibt, muss er doch wollen, dass wir im Hier und Jetzt das Gute tun und es erleben, statt zu sagen: Wartet das blöde Leben hier ab, dann kommt was Besseres, das große Paradies.

Glaube muss immer Privatsache bleiben. Für mich wird er erst schwierig und auch gefährlich, wenn er institutionalisiert wird. Auch die Vermischung von Staat und Kirche ist ein Problem für mich. Dann strebt eine Religion nach weltlicher Macht. Sogar Donald Trump beruft sich gefühlt in jedem zweiten Satz auf Gott. Die damit gepaarte Ich-Bezogenheit führt dazu, dass man sich für das Gute in der Welt hält und das andere für das Böse.

In der westlichen Welt spielt das Christentum keine große Rolle mehr, deshalb halte ich die Verteidigung des christlichen Abendlandes, die nun durch unseren Innenminister in der Wertediskussion beschworen wurde, für Blödsinn. Errungenschaften wie Gleichheit, Freiheit, Toleranz sind gegen das Christentum erkämpft worden. Das Problem ist nur, dass wir versuchen, dieses Vakuum mit Materiellem zu füllen. Religion wurde durch den Konsumismus ersetzt. Wenn wir uns auf das zurückbesinnen würden, was gottgegeben in uns steckt, würde das vollkommen ausreichen.

Christoph Sieber, 1970 in Balingen geboren, ist Kabarettist. Mit Tobias Mann moderiert er die Late-Night-Show "Mann, Sieber!" im ZDF.

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