Gewürze:Zimt in der Hauptrolle

Safran, Sesam, Kardamom: Im Reich der Gewürze ist der Koch der Dirigent, der eigenwillige Musiker betreuen muss.

Heiner Effern

Die Steinbüste der Pharaonin Hatschepsut ist weder bunt, noch duftet sie verführerisch. Dennoch steht sie mit gutem Grund gleich in der ersten Besichtigungs-Halle des Rosenheimer Lokschuppens, schließlich gilt die ägyptische Herrscherin als Urmutter aller Gewürzhändler. Schon um 1470 vor Christus schickte sie eine Flotte in das sagenhafte Land Punt, die ihr Weihrauch, Myrrhe und Gewürze bringen sollte.

Damit weckte Hatschepsut eine Leidenschaft, die die nächsten 2500 Jahre ehernen Bestand haben sollte: die Liebe zu den Farben und den betörenden Düften des Safrans, Sesams, Kardamoms oder auch der schwarzen Vanille-Schote. Im Laufe der Zeit erlangten die Gewürze historische Bedeutung. "Sie waren Anlass für Entdeckungsreisen, für Kriege sowie für die Gründung und den Untergang von Kolonialreichen", sagt der Historiker und Kurator Frank Holl.

Der Rosenheimer Lokschuppen spürt in seiner Sommerausstellung, die an diesem Donnerstag beginnt, diesem Phänomen nach. "Gewürze sind wissenschaftlich kaum erforscht", sagt Frank Holl. Erstes heiß diskutiertes Problem: Was ist überhaupt ein Gewürz?

"Wir halten uns an die Definition, nach der Gewürze pflanzliche, in der Regel getrocknete Substanzen sind, deren Zweck es ist, den Geschmack des Essens zu verbessern." Salz fällt damit weg. Die Ausstellung zeichnet die Historie der Gewürze von den alten Ägyptern bis in die Gegenwart nach.

Ausstellungskurator Holl betrachtet die Geschichte der Gewürze als ein Abbild der Menschheitsgeschichte. Die Ausstellung beginnt mit dem Blick auf einen fliegenden Teppich, auf dem eine Weltkarte abgebildet ist. 67 Gewürze sind dort ihrer ursprünglichen Heimatregion zugeordnet. Afrika und Nordeuropa sind nahezu leer, dichtes Gedränge herrscht rund um das Mittelmeer und in Südostasien.

In chronologischer Reihe gelangen die Besucher vom alten Ägypten bis ins Mittelalter -in die Blütezeit der Entdecker und Gewürzhändler. Die Muskatnuss und die Nelke standen damals als Statussymbol Gold und Diamanten kaum nach. Portugiesen, Niederländer, Franzosen und Engländer kämpften um die lukrativen Anbaugebiete. Pierre Poivre, der französische Verwalter der Insel Mauritius, schmuggelte anno 1770 Muskat- und Nelkensetzlinge aus dem Gebiet der Gewürzinseln heraus. Als es ihm gelang, sie auf seiner Insel hochzuziehen, war das Monopol der Niederländer zerschlagen. Was ein Grund für das Ende ihres Weltreichs war.

Der Niedergang der Gewürzkultur. begann im 19. Jahrhundert. In Kolonialwarenladen wurden Nelke, Zimt und Co. als Massenware angeboten. Die Gewürze verloren ihre Bedeutung als Handelsware. Und so findet sich im letzten Raum der Ausstellung ein Labor, in dem frühe Tabasco- und Maggi-Flaschen stehen. Die Chemie verdrängte die getrockneten Gewürze. Die Ausstellung bezieht alle Sinne mit ein. Auf goldenen Tischen stehen Gewürze zum Riechen und Befühlen.

Zwei Maschinen verbreiten den Duft von Vanille und Zimt, Klänge aus einem orientalischen Basar sind zu hören. Filme zeigen die mühsame Ernte des Safrans oder die frühe Schifffahrt auf dem Nil. Eine Installation erwartet die Besucher in der Abteilung Mittelalter. Die Figuren der großen Entdecker Christoph Kolumbus, Vasco da Gama und Magellan beginnen miteinander zu sprechen, sie prahlen mit ihren Erfolgen. Ein Stück entfernt steht Marco Polo als Mittler zwischen Ost und West. In China und Indien kannte man früh die enge Verbindung von Gewürzen und Heilmitteln. "Wir haben verlernt, dass jedes Gewürz eine bestimmte Wirkung auf den Körper hat", sagt Holl.

Gewürze sind Charaktertypen. Findet der Gastronomie-Unternehmer Alfons Schuhbeck, der die Rosenheimer bei ihrer Ausstellung beraten hat. Es gebe dominierende und zurückhaltende, solche, die sich gut in ein Team einfügen und solche, die lieber die Hauptrolle spielen oder dazu neigen, andere zu dominieren. Seine Arbeit mit Gewürzen beschreibt er so: "Als Koch komme ich mir manchmal wie ein Dirigent vor, der ein Orchester an Gewürzen vor sich hat und dafür sorgen muss, dass jedes darin genau den Part spielt, der nötig ist, um aus einem Gericht ein Gesamtkunstwerk zu machen."

Lokschuppen Rosenheim, Gewürze - sinnlicher Genuss, lebendige Geschichte, 25. März bis 10. Oktober, Montag bis Freitag 9-18 Uhr, Samstag, Sonn- und Feiertage 10-18 Uhr, Telefon 08031/365-9036.

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