Haifischflossen:"Die chinesische Kultur braucht diese Suppe nicht"

Haiflossenjagd bedroht das ökologische Gleichgewicht. Ein Gespräch mit Tierschützerin Stefanie Brandl über Berührungsängste und Konflikte bei der Hochzeitsplanung.

M. und C. Essig

Stefanie Brandl lebt auf Hawaii und ist Gründerin der Organisation "Shark Allies", die sich für den Schutz von Haien einsetzt.

sueddeutsche.de: Frau Brendl, vor drei Jahren haben sie auf Hawaii die Organisation "Shark Allies" gegründet. Welche Ziele verfolgen sie mit ihrer Arbeit?

Stefanie Brendl: Unser Anliegen ist es, die Hai-Forschung und Umwelterziehung auf Hawaii voranzutreiben, um die Meeresbewohner zu schützen. Die größte Herausforderung dabei ist, die Menschen über das so genannte "Shark-Finning" aufzuklären, das weltweit die größte Bedrohung für Hai-Populationen darstellt.

sueddeutsche.de: Was genau ist Shark-Finning?

Brendl: Die Haie werden aus dem Wasser gezogen, die Flossen abgeschnitten und die Körper bei lebendigem Leib zurück ins Wasser geworfen. Der schwimmunfähige Hai sinkt dann zum Meeresboden, er erstickt oder wird von anderen Tieren angegriffen und gefressen. Es sind große Fangflotten unterwegs, die den Ozean leer fischen, und das mit fatalen Folgen. Wenn eine ganze Generation an sich fortpflanzenden Tieren ausgerottet wird, kann sich diese Hai-Art für Jahrzehnte nicht erholen.

sueddeutsche.de: Und warum wird das Shark-Finning betrieben?

Brendl: Es hat den alleinigen Zweck, Flossen für die Haifischflossensuppe zu gewinnen. Die Suppe ist kein notwendiges Lebensmittel, sondern ein Statussymbol, das hauptsächlich in asiatischen Ländern wie Hong Kong, Singapur oder Taiwan gegessen wird. Aber solche Traditionen müssten abgeschafft werden. Die chinesische Kultur kann auch ohne diese Suppe bestehen.

sueddeutsche.de: Sie beklagen auch, dass Haie zu Unrecht ein negatives Image hätten.

Brendl: Ja, denn Haie sind unglaublich wichtig für das ökologische Gleichgewicht. Sie bilden die Spitze der Nahrungskette. Diese zu entfernen ist äußerst kritisch, es bringt das Ökosystem durcheinander. Haie dezimieren die kranken Individuen, so bleiben andere Populationen gesund und die starken Tiere haben die Möglichkeit, sich fortzupflanzen.

sueddeutsche.de: Sie ermöglichen Touristen auch das Käfigtauchen mit Haien. Gehört das ebenfalls zum Umweltschutz?

Brendl: Ich versuche, den Menschen beim Käfigtauchen einen positiveren Eindruck von Haien zu vermitteln. Wir füttern die Tiere nicht. Durch ein Fenster können Taucher also die Tiere in ihrem natürlichen Habitat beobachten und sich selbst ein Bild machen. In vielen Köpfen steckt leider noch die Vorstellung von Haien als grausame Bestien. Einige Leute müssen große Ängste verarbeiten, um überhaupt ins Wasser zu gehen, sie kreischen oder übergeben sich sogar. Am Ende sagen sie, dass sie am liebsten aus dem Käfig wollten, um die Haie zu berühren. Viele schreiben uns später, ihr Bild vom Hai hätte sich komplett gewandelt. Das ist ein großartiger Erfolg.

sueddeutsche.de: Imagepflege ist also das eine. Aber was muss noch getan werden, um das Überleben der Haie zu sichern?

Brendl: Natürlich müssen wir aufhören, sie zu jagen und Produkte verbieten, die aus ihnen gemacht werden. Das ist die Aufgabe der Bürger und der Politik. Ein Gesetz gegen Shark-Finning, wie es kürzlich hier in Hawaii von der Gouverneurin unterschrieben wurde, wäre der einfachste Weg, das Problem zu lösen. Es verbietet nämlich nicht nur das Abschneiden der Flossen, sondern bereits deren Besitz. Wann immer also eine Haiflosse auftaucht, sei es getrocknet oder in der Dose als Suppe: Es ist illegal.

sueddeutsche.de: Welche Auswirkungen erhoffen Sie sich durch dieses Gesetz auf globaler Ebene?

Brendl: Wir haben gezeigt, dass es einer kleinen Gruppe möglich ist, etwas zu verändern. Das ermutigt vielleicht Organisationen in anderen Ländern weiterzukämpfen, trotz vieler Rückschläge in den vergangenen Jahren. Außerdem haben wir festgestellt, dass die chinesische Gemeinschaft mittlerweile offener über das Thema "Shark-Finning" spricht. Die chinesische Frau des ehemaligen Hawaiianischen Gouverneurs hat sich zum Beispiel sehr entschieden gegen Haifischflossensuppe ausgesprochen. Als Landsfrau, die außerdem sehr angesehen ist, konnte sie sagen, dass das Shark-Finning nicht zur chinesischen Kultur gehört. Das hat Chinesen in den Vereinigten Staaten und vielleicht auch in Hong Kong dazu bewegt, zu sagen: "Wenn sie das tun kann, kann ich vielleicht auch auf die Suppe verzichten." Denn speziell für jüngere Menschen in China ist es schwer, bei den Eltern anzusprechen, dass sie auf ihrer Hochzeit nicht die traditionelle Haifischflossensuppe möchten.

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