Genderdebatte in Berlin:High Heels an der Ampel

Später Ruhm mit grünem Männchen

Soll eine Partnerin bekommen: das Berliner Ampelmännchen.

(Foto: dpa)

Belgien hat sie schon, Zwickau auch - doch ausgerechnet die deutsche Hauptstadt noch nicht: eine Ampelfrau. Deshalb will die SPD im Bezirk Berlin-Mitte dem altmodischen Ampelmännchen nun eine Partnerin zur Seite stellen. Das bringt ungeahnte Schwierigkeiten mit sich.

Von Benjamin Romberg

Was war die Aufregung groß in Berlin. Da hatte sich doch tatsächlich ein US-Blogger vor einigen Wochen erdreistet zu behaupten, der Hype um die Hauptstadt sei vorbei. "Berlin is over", so die These. Junge Menschen liefen plötzlich orientierungslos durch die Straßen von Kreuzberg und wussten nicht mehr wohin.

Ist Berlin echt nicht mehr cool, fragten sich einige. Die Amerikaner müssen es ja wissen, oder? Pah, sagten andere, Berlin ist gerade wieder cool; jetzt, da der Stadt die Coolness offiziell abgesprochen wurde und die ganzen Zugereisten nach Leipzig, pardon, Hypezig abwandern. Endlich wieder mehr Platz also für diejenigen, die schon ein halbes Jahr in Berlin wohnen und echt genervt sind von den ganzen Touris.

Cool oder nicht cool - eines ist klar: Berlin hat den Anspruch, Trends zu setzen. Alle schauen auf die Hauptstadt, nicht andersrum. Umso erstaunlicher ist da der Vorstoß von Martina Matischok-Yesilcimen. Martina Matischok-Yesilcimen ist Fraktionsvorsitzende der SPD im Bezirk Mitte und war neulich mal in Belgien. Und als sie so in Belgien über die Straße ging, machte sie eine Entdeckung, die sie nicht mehr losließ: Dem Ampelmännchen auf belgischen Lichtsignalanlagen ist ein Ampelfrauchen zur Seite gestellt. Ein mal rotes, mal grünes Paar leitet den Verkehr. Den Belgiern geht es dabei weniger darum, dass das Ampelmännchen nicht so alleine ist, nein, es geht um Gleichberechtigung.

Gleichberechtigung, dachte sich Matischok-Yesilcimen, das wäre doch auch was für Berlin. Deshalb setzt sie sich in der Bezirksverordnetenversammlung Mitte nun für die Einführung von Ampelfrauen ein. Einen entsprechenden Antrag (PDF) hat die SPD-Politikerin bereits eingereicht, kommenden Donnerstag soll darüber beraten werden.

Hose und Absatzschuhe anstatt Zöpfe und Rock

Nun ist es auf der einen Seite eher untypisch für Berlin, sich andernorts etwas abzuschauen. Zumal es Ampelfrauen nicht nur in Belgien, sondern auch bereits in Zwickau, Dresden oder Kassel gibt. Also in Städten, in denen über die Frage, ob sie noch cool sind, nicht diskutiert werden muss.

Auf der anderen Seite beschäftigt man sich in der Hauptstadt aber auch gerne mit Problemen, deren Dringlichkeit und Komplexität vielen gar nicht bewusst ist. Die Coolness-Debatte ist ein gutes Beispiel. Und die Sache mit den Ampelmännchen, pardon, Ampelfrauen ist auch so ein Problem. Da stellt sich zunächst etwa die Frage: Wie soll die Dame denn überhaupt aussehen?

In Zwickau tragen die Ampelfrauen Zöpfe und Rock - eine Darstellung, die aus Sicht von Matischok-Yesilcimen ein völlig falsches Frauenbild vermittelt. "Die moderne selbstbewusste Frau trägt in der Regel keine Zöpfe und keine weiten Röcke. Sie ist auch nicht überwiegend im Minirock und auf High Heels unterwegs", heißt es in ihrem Antrag. Eine Frau in Hose und Absatzschuhen könne sie sich schon eher vorstellen. High Heels, und an dieser Stelle wird die Sache wirklich komplex, haben per Definition Absätze mit einer Höhe von zehn Zentimetern oder mehr. Absätze wären also okay, nur dürfen sie eben nicht zu hoch sein.

Um Missverständnissen vorzubeugen, wäre es vielleicht praktikabler, die Ampelfrauen mit Birkenstocks auszustatten. Die sind bei Rentnern genauso wie neuerdings auch bei jungen stilbewussten Frauen beliebt und die SPD könnte so Über-die-Straße-Geher mit ökologischem Bewusstsein auf ihre Seite ziehen.

Doch in der Debatte um eine gendergerechte Lichtsignalanlage geht es ja nicht nur um das Schuhwerk der Frauen, sondern auch um ihre Begleitung. Beziehungsweise die Frage, ob ihnen überhaupt eine zur Seite gestellt werden sollte - und wenn ja, welche? Im Antrag der Berliner SPD ist zwar ein Bild des belgischen Ampel-Paares zu finden. Das ist jedoch aus Sicht von Matischok-Yesilciem auch "nicht ideal".

Eine Quote für Ampelwesen?

Die Belgier hätten nämlich nicht bedacht, dass dadurch eine bestimmte Partnerschaftsform von Mann und Frau vorgegeben werde. Sogleich schaltete sich der Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg in die Debatte ein: Grundsätzlich sei der Vorschlag begrüßenswert, allerdings, gibt man zu bedenken, sei es schwierig, Vielfalt auf der Ampel darzustellen. Dieser Schwierigkeit ist sich die SPD bewusst: Man könne nicht alle sexuellen Orientierungen darstellen, sagt Martischok-Yesilcimen, schon gar nicht, wenn man bei der Farbgebung derart eingeschränkt sei. Auch hier liegt die Lösung freilich auf der Hand: mehr Farben. Warum sollte man nicht bei Magenta über die Straße gehen und bei Kornblumenblau stehen bleiben? Dazu vielleicht Birkenstocks in einem Korallenton.

Damit wäre allerdings noch nicht das Problem mit der Quote gelöst. An welcher Kreuzung soll ein Ampelmännchen leuchten, an welcher die Frau mit den Absätzen? Wo eine Patchworkfamilie, wo das schwule Paar mit adoptiertem Kind? Um Diskriminierung vorzubeugen, hat die Gleichstellungsbeauftragte des Bezirks Mitte, Kerstin Drobick, immerhin schon mal einen ersten Vorschlag zur Güte: Wenn es nach ihr geht, könnten sich Ampelmänner und -frauen doch einfach abwechseln.

Der einzige, so scheint es, der sich zur Sache noch nicht geäußert hat, ist der Berliner Ampelmann selbst. Der altmodische Typ mit dem Hut aus der DDR, der seit 2005 auch im Westteil Berlins zu sehen ist. Er ist gewissermaßen eine Berühmtheit, in den Souvenirshops der Stadt werden Kissen und T-Shirts mit seinem Abbild verkauft.

Dennoch wurde er bislang nicht nach seinen Wünschen gefragt. Was, wenn er überhaupt keine Partnerin haben will? Oder doch auf große Frauen mit High Heels steht. Oder, noch schlimmer, ohnehin lieber aus Berlin verschwinden würde, nach Hypezig.

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