Gebärmutterhalskrebs:Bei Licht und Essig besehen

Etwa 275.000 Frauen sterben jedes Jahr an Gebärmutterhalskrebs - vor allem in Entwicklungsländern. Doch mit einem einfachen Test lässt sich die Gefahr offenbar wirkungsvoll erkennen.

Werner Bartens

Nicht mal ein Arzt ist nötig. Man braucht nur eine gute Lampe - beispielsweise Halogenlicht - und vierprozentige Essigsäure. Mit dieser rudimentären Ausrüstung sind Krankenschwestern und angelerntes Hilfspersonal in der Lage, einen der schlimmsten Tumoren bei Frauen wirkungsvoll zu erkennen, bevor er Schaden anrichtet.

Gebärmutterhalskrebs-

Die Häufigkeit von Gebärmutterhalskrebs weltweit: Fälle unter 100.000 Frauen (altersangepasst).

(Foto: Foto: IARC)

Die Todesfälle durch Krebs am Gebärmutterhals würden sich in Entwicklungsländern auf diese Weise um mehr als ein Drittel verringern lassen, auch die Häufigkeit des Leidens ginge um ein Viertel zurück. Zu diesem Ergebnis kommen Krebsforscher aus Lyon und dem indischen Tamil Nadu in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Lancet (Bd.370, S.398, 2007).

Die Ärzte haben ein Programm initiiert, das fast 50.000 indische Frauen im Alter zwischen 30 und 59 Jahren erfasste, die sich dem einfachen Test auf Gebärmutterhalskrebs unterzogen.

Dazu wurde der Gebärmuttermund während der gynäkologischen Untersuchung mit vierprozentiger Essigsäure abgetupft. Waren im Bereich des gefärbten Gewebes bereits einige Zellen verändert, erschienen diese nach Kontakt mit der Essigsäure als hellweiße Flecken.

Diese frühen Krebsvorstufen können bei gutem Licht bereits mit bloßem Auge erkannt werden. Den etwa 3000 Frauen, bei denen sich das Gewebe weiß verfärbt hatte, wurden anschließend Gewebeproben entnommen und diese genauer untersucht. Bestätigte sich der Verdacht, wurden die veränderten Stellen vereist oder abgetragen, um das abnorme Gewebe unschädlich zu machen.

Im Vergleich mit etwa 30.000 anderen Frauen aus Indien, die diese Untersuchung nicht wahrnahmen, bot der einfache diagnostische Farbtest deutliche Vorteile: Unter den Frauen, die sich untersuchen ließen, traten 25 Prozent weniger Krebserkrankungen auf.

Der Anteil der Todesfälle lag sogar um 35 Prozent unter dem in der Vergleichsgruppe. "Unsere Ergebnisse zeigen, dass der Test einfach machbar ist und eine effektive Vorsorge für Gebärmutterhalskrebs in den Entwicklungsländern darstellt", sagt Rengaswamy Sankaranarayanan, der Hauptautor der Studie.

Krebsmediziner wie Harshad Sanghvi von der Johns Hopkins Universität in Baltimore halten die Studie sogar für "einen Meilenstein im Kampf gegen den Gebärmutterhalskrebs". Sie zeige schließlich, dass auch einfache Screeningprogramme in den ärmsten Ländern der Welt erfolgreich sein könnten. "Das ist der letzte Beweis", sagt Sanghvi.

Auch Anne Szarewski, Expertin für medizinische Vorsorge in London, ist von der Untersuchung beeindruckt. "Ich war skeptisch gegenüber dem Konzept, wonach der Test zwar gut genug für die Armen sein soll, aber nicht gut genug für uns in den wohlhabenden Ländern", sagt sie. "Jetzt muss ich meine Meinung wohl überdenken." Sie plädiert jedoch zusätzlich zu dem Essigsäuretest für eine - ebenfalls preiswerte - Färbung mit Jodlösung.

Bei Licht und Essig besehen

An Gebärmutterhalskrebs erkranken weltweit fast 500.000 Frauen jährlich neu, davon 85 Prozent in Entwicklungsländern. Etwa 275.000 Frauen sterben jedes Jahr an dem Krebs. Durch Früherkennung ist der Tumor in den wohlhabenden Nationen immer seltener geworden.

In Deutschland erkranken 6500 Frauen jährlich an dieser Krebsart, etwa 1600 Frauen sterben daran. In reichen Ländern wird bei Frauen seit den 1970er-Jahren regelmäßig der sogenannte Pap-Abstrich entnommen, der es ermöglicht, entartete Zellen unter dem Mikroskop zu erkennen.

Seit 2006 können sich junge Frauen zudem gegen die Viren impfen lassen, die Gebärmutterhalskrebs auslösen. In Deutschland kostet der komplette Impfschutz etwa 450 Euro.

Für arme Länder geeignet

Für die armen Länder sind Impfung wie Pap-Abstrich jedoch viel zu teuer. Dies ist einer der Gründe, warum Gebärmutterhalskrebs mittlerweile der häufigste Tumor bei Frauen in der Dritten Welt ist. Experten fordern daher, dass die Pharmaindustrie ärmeren Nationen die Impfung zugänglich machen und kostengünstiger zur Verfügung stellen soll.

"Hätten wir eine Weltregierung, müsste die Impfung zunächst in Afrika und Asien eingeführt werden", forderte etwa der Pathologe Georg Feichter von der Universität Basel, nachdem sich zu Beginn des Jahres zeigte, dass hierzulande immer mehr Krankenkassen die Kosten für die Impfung übernehmen.

Da die Hersteller den armen Ländern kaum entgegenkommen, suchen Forscher nach billigeren Methoden der Vorsorge. "Der Essigsäure-Test bietet zu 70 Prozent die Wirksamkeit der ausgefeilten und teureren Untersuchungsmethoden, aber das zu einem Bruchteil der Kosten", sagt Krebsarzt Harshad Sanghvi begeistert.

Studienleiter Sankaranarayanan ist überzeugt: "Wenn die Leute gut angelernt werden und die Qualität konstant bleibt, wird sich der Test als eine äußerst effektive Methode zur Krebsvorsorge behaupten."

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