Gartenkunst:Phantasie im grünen Bereich

Gabriella Pape ist Deutschlands erfolgreichste Gärtnerin. In der Königlichen Gartenakademie in Berlin lässt sie die Kreativität aufblühen.

Titus Arnu

Hummeln brummen in den Rosenbeeten, es duftet nach Lavendel. Ein warmer Wind lässt die blauen Herbstastern hin- und herwogen. Im Hintergrund ist das Plätschern von Wasser zu hören und das Klimpern von Kaffeetassen und Kuchengabeln. Am liebsten möchte man sich auf die Holzbank unter die Kastanie setzen, ein Stück Zwetschgenkuchen bestellen, sich vom Rauschen der Blätter einlullen lassen und nie mehr von diesem Platz verschwinden. Der Garten der Königlichen Gartenakademie in Berlin-Dahlem ist eine traumhafte Oase in der Stadt.

Gartenkunst: Gabriella Pape, 43, ist Deutschlands erfolgreichste Gärtnerin - und sie glaubt, dass sich jeder Mensch in seinem Garten ausdrücken kann.

Gabriella Pape, 43, ist Deutschlands erfolgreichste Gärtnerin - und sie glaubt, dass sich jeder Mensch in seinem Garten ausdrücken kann.

(Foto: Foto: oh)

Zwischen dunkelblauen Eisenhut-Stauden und Sonnenblumen steht Gabriella Pape in der Nachmittagssonne und strahlt mit den Blüten um die Wette. All die Düfte und Farben, die vielfältigen Formen der Blüten und Gräser, die Anordnung der Büsche, Blumenbeete und Bäume waren zuerst in ihrem Kopf, bevor die Besucher der Gartenakademie das Farbfeuerwerk sehen und die Duftmischung erschnuppern konnten.

Sie hat den Park arrangiert, wie ein Komponist eine Symphonie schreibt. Die 43-Jährige gilt als Deutschlands erfolgreichste Gärtnerin, seitdem sie bei der Chelsea Flower Show eine Silver-Gilt-Medaille für die Kreation eines Senkgartens gewann - eine Auszeichnung, die oft als Garten-Oscar bezeichnet wird.

In Dahlem wurde ein Traum wahr

Gabriella Pape liebt Gärten, sie lebt für Gärten, und selbst wenn sie schläft und träumt, spielen Gärten eine große Rolle für sie. Einmal träumte Gabriella Pape von einem sozialen Supergarten, in dem Ideen und Blumen sprießen, wo Freundschaften und exotische Gewächse gedeihen und sich Vögel, Insekten und Menschen ebenso wohl fühlen wie Pflanzen. Gabriella Pape hat nicht nur viel Phantasie, sie ist auch ziemlich gut darin, ihre Träume zu verwirklichen. Also suchte sie einen passenden Ort und wurde in Berlin-Dahlem fündig. Dort gründete sie die "Königliche Gartenakademie" und schuf damit eine Institution, mit der sie der Gartenkultur in Deutschland zu neuer Blüte verhelfen will.

"Königliche Gartenakademie", das klingt edel und gelehrt, aber Pape will keine versnobte Pflanzenlehranstalt betreiben. Sie treibt eher der Wunsch um, ihre Begeisterung für Gärten an andere Leute weiterzugeben, sei es an Hobby-Gärtner oder an Profis. In der Gartenakademie werden zwar Kurse angeboten zu Themen wie "Blüte und Blatt im Schattengarten" oder "Zwiebeln setzen für Terrasse und Balkon", viel wichtiger ist es der Initiatorin aber, die Phantasie im grünen Bereich zu fördern.

Denn die Gartenkultur, so wie Pape sie versteht, lag ihrer Meinung nach in Deutschland lange brach: "Vorsprung durch Technik war wichtiger." Das zeige sich schon in der Wortwahl: Der Deutsche "arbeitet" im Garten. Ordnung sei in vielen deutschen Gärten das oberste Gestaltungsprinzip. Der typische deutsche Vorgarten ist tatsächlich häufig ein gepflasterter Hof mit Carport, der samstags gekärchert wird, und das Gras am Jägerzaun entlang wird stets akribisch geschnitten. "Das ist nichts für die Seele," findet Gabriella Pape, sie empfiehlt ihren Kunden, den Weg von der Haustür zur Straße so kreativ wie möglich mit deren Lieblingspflanzen zu gestalten.

Dass ihr Ansatz sofort auf großes Interesse stieß, führt Gabriella Pape darauf zurück, dass sich die Einstellung zum Garten auch hierzulande mehr und mehr wandelt. Ein Ziergarten war früher Luxus und hatte wenig mit Seelenfrieden zu tun. Wer früher einen kleinen Privatgarten hatte, dem ging es um die Versorgung mit Gemüse, spätestens in den fünfziger Jahren wurde der Garten dann zum Statussymbol - je größer, desto besser.

Sie selbst empfand das Gärtnern immer als Mischung aus Meditation und kreativem Schaffen, erzählt Gabriella Pape in ihrem Büro. "Für meine Brüder war Gartenarbeit eine Strafe, für mich war es ein Vergnügen", erzählt sie. Sie wuchs in Hamburg auf, ihre Eltern hatten Häuser in der Stadt und auf dem Land, mit Gärten, "die könnte ich heute noch aufzeichnen, mit jedem Baum und jedem Strauch." Schon als Siebenjährige war sie die Chefin im Garten. Anstatt Hausaufgaben zu machen, schnitt sie Rosen und ging mit 15 von der Schule ab.

Auf der nächsten Seite: Der Unterschied zwischen der englischen und der deutschen Gartenkultur.

Gartenkultur ist ein Trendthema

Sie machte eine Lehre in einer Baumschule und studierte später in Großbritannien Biologisch-Dynamische Landwirtschaft, Gartenbau und Landschaftsarchitektur. Im Jahr 1992 gründete sie zusammen mit der Gartenhistorikerin Isabelle Van Groeningen das Gartendesignstudio Landart in England.

Viel wusste Gabriella Pape damals nicht von den englischen Gärten, doch bald merkte sie, dass der Garten dort mehr ist als ein Hobby. Der Unterschied zwischen einem britischen und einem deutschen Freizeitgärtner zeige sich schon an grundlegenden Dingen: "Der Brite kennt den Namen einer Pflanze, der Deutsche den Preis."

In England werde der Garten als Kultur gesehen, sagt sie, Garteln sei dort eine anerkannte Freizeitbeschäftigung, sowohl für Frauen als auch für Männer. Warum in Deutschland Männer vor allem an Aufsitztraktoren interessiert sind und nicht am Pflanzen und Pflegen von Kräutern, Blumen und Sträuchern, kann sie nicht verstehen. Nach 25 Jahren auf den britischen Inseln hatte sie dann den entscheidenden Gartentraum - und zog nach Berlin um.

Schön und pflegeleicht

Der Zulauf, den die Gartenakademie schon im ersten Jahr hat, scheint zu beweisen, dass die Gartenkultur derzeit ein Trendthema in Deutschland ist. In den letzten Jahren, sagt Gabriella Pape, hat sich die Weltanschauung der Hobbygärtner gewandelt. Die Menschen suchen im Garten Ruhe, mit der Gestaltung der privaten Oasen arbeiteten viele an einer "Rückkehr zu sich selbst".

Das Gartenpublikum ist außerdem jünger als noch vor ein paar Jahren, viele ihrer Kunden sind zwischen 30 und 40. Die Kenntnisse über Pflanzen seien in Deutschland bei den meisten Hobbygärtnern aber immer noch nicht sonderlich tiefgehend, meint sie, "viele wissen nicht einmal, was eine Staude ist." Wenn Kunden zu ihr kommen, um sich einen Garten anlegen zu lassen, bekomme sie oft zu hören: "Wir wollen es schön! Und pflegeleicht."

Anstatt aber lukrative Aufträge für große Parks und exklusive Privatgärten anzunehmen, wie sie es zuvor getan hat, will Pape nun jedermann dabei helfen, eigene Ideen keimen und gedeihen zu lassen, egal, wie gering die Fachkenntnisse sind und gleichgültig, wie groß der Garten ist. Sie berät Kunden nach dem Prinzip "Ein Euro pro Quadratmeter."

Die Gartenbesitzer kommen zu ihr mit Plänen und Fotos von dem zu gestaltenden Gelände, dazu sollen die Kunden eine Art Storyboard entwickeln. Aus Zeitschriften und Katalogen schneiden die Hobbygärtner Dinge aus, die ihnen gefallen und kleben sie in ein Album - so kann sich die Gartendesignerin ziemlich schnell ein Bild davon machen, welchen Charakter der jeweilige Traumgarten hat.

Für eine Patchworkfamilie entstand so ein Patchwork-Garten, in dem jedes Familienmitglied seine Lieblingsecke hat, für einen Schloss-Fan ein schlossartiger Minipark, für eine kochbegeisterte Familie ein Gemüse- und Kräuterparadies. Ihre eigenen stilistischen Vorlieben behält Gabriella Pape dabei mehr oder weniger für sich: "Ich liebe die Vielfalt der Menschenwelt, und das soll sich in der Pflanzenwelt widerspiegeln." Sie vermittelt nur zwischen der Phantasie des Kunden und der Realität - und setzt so fast täglich Träume in die Tat um.

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