Fußball:Nah dran

Können Balljungen und -mädchen den Verlauf eines Fußballspiels beeinflussen? Welche Fähigkeiten brauchen sie? Und wer sucht sie aus? Fragen und Antworten zu den Helfern am Spielfeldrand.

Von Claudia Henzler

Für die Fernsehzuschauer eines Bundesligaspiels wirkt es meist, als käme der Ball von Zauberhand zurück ins Bild geflogen. Die Ballkinder stehen jenseits des Bildschirmrands und sind selten zu sehen. Dass man sie so wenig wahrnimmt, heißt, dass sie ihren Job fast immer gut machen. Hin und wieder aber rücken sie in den Mittelpunkt des Interesses. So wie bei einem Zwischenfall in Madrid am vergangenen Wochenende. Ein Anlass, die wichtigsten Fragen über diese Randfiguren des Profifußballs zu klären.

Manchester City v Real Madrid - UEFA Champions League Semi Final First Leg

Bei den meisten Profi-Fußballspielen wird mit einem "Mehrballsystem" gespielt. Ballkinder haben Ersatzbälle, die sie den Spielern bei Bedarf zuwerfen.

(Foto: Jason Cairnduff/Reuters)

Warum gibt es Ballkinder?

Ihre Aufgabe ist, den Spielern Bälle zuzuwerfen, um Unterbrechungen möglichst kurz zu halten. Durch die Ballkinder sank die Zeit, in der während eines Spiels pausiert wird, messbar.

Wie viele Ballkinder gibt es?

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) schreibt vor, dass der Heimverein "mindestens zehn Spielbälle (bei Schnee farbige Bälle)" bereitstellt und mindestens acht Balljungen oder -mädchen um das Spielfeld herum platziert. Manchmal werden sogar zehn oder zwölf Helfer eingesetzt. Mädchen sind dabei eher selten. Pflicht sind Ballkinder in Deutschland nur in den Profi-Ligen. Bei vielen Klubs im gehobenen Amateurfußball gibt es sie aber auch. Der FC Ingolstadt beispielsweise teilt die Jugendspieler der U10 bis U13 für die Spiele der U23 ein. Die älteren dürfen zu den Bundesligaspielen. In Englands Profi-Liga können die Klubs selbst entscheiden, ob sie Ballkinder und Ersatzbälle haben oder ganz klassisch nur einem Ball einsetzen, dem man dann hinterherlaufen muss. Bei internationalen Turnieren ist vorgeschrieben, dass mehrere Bälle vorhanden sein müssen.

Strafe wegen zweitem Ball

Beim spanischen Erstligaspiel zwischen der Heimmannschaft Atlético Madrid und dem FC Málaga versuchte ein Balljunge, einen Angriff der Gäste zu stören, indem er einen Ball auf das Feld warf. Der Schiedsrichter musste die Partie - und damit auch den Angriff - unterbrechen. Das ist die Regel, wenn zwei Bälle auf dem Platz sind. Es ist zwar nicht erwiesen, dass Atlético-Trainer Diego Simeone den Balljungen dazu angestiftet hatte. Doch Fernsehbilder erwecken den Verdacht, dass es so war. Jedenfalls wurde Simeone vom Schiedsrichter für den Rest des Spiels auf die Tribüne verbannt. Denn die Regeln der spanischen Fußball-Liga schreiben vor: Wenn von einer der beiden Auswechselbänke ein Vergehen verübt wird, dessen Täter unbekannt ist, muss der Trainer büßen.

Wie wird man Balljunge oder -mädchen?

In der Bundesliga sind fast ausschließlich Jugendspieler des gastgebenden Vereins im Einsatz. Ab und zu machen die Vereine aber ein Gewinnspiel, etwa mit Radiosendern, bei denen man für ein bestimmtes Spiel einen Platz als Ballkind gewinnen kann. In der zweiten Bundesliga ist es oft einfacher, Ballkind zu werden. Beim VfL Bochum muss man nicht Jugendspieler sein, sondern nur Mitglied im Verein und zwischen 14 und 17 Jahre alt. Der RB Leipzig forderte zu Beginn der laufenden Saison Nachwuchsspieler von kleineren Fußballvereinen in der Umgebung auf, sich zu bewerben - als Gruppe. Um mitmachen zu können, mussten die Vereine jeweils zwölf Ballkinder im Alter von 14 bis 16 Jahren für ein Spiel der Leipziger Profis zur Verfügung stellen.

Was muss ein Ballkind können?

Fangen und werfen sind natürlich Grundvoraussetzungen. Außerdem müssen Ballkinder Ruhe bewahren, wenn auf dem Rasen die Nerven blank liegen. Denn es kommt immer wieder mal vor, dass ein Ballkind beleidigt wird, wenn es den Ball nach Meinung eines Spielers nicht schnell genug rausrückt - oder auch zu schnell, wenn es um den Gegner geht. Tatsächlich gab es in Einzelfällen schon den Vorwurf, ein Ballkind sei schuld an einer Niederlage. Zum Beispiel im Februar 2015: Da verlor Hertha BSC, weil die Freiburger nach einem Einwurf ein Tor schossen. Und die Berliner waren sauer auf den Balljungen, weil der den Ball ihrer Meinung nach zu schnell dem einwerfenden Freiburger Spieler gegeben hatte. Objektiv betrachtet hatte der Balljunge aber alles richtig gemacht. Denn genau das ist ja seine Aufgabe, den Ball schnell wieder ins Spiel zu bringen. Nur selten wird es für Ballkinder gefährlich, aber es kam schon vor, dass jemand versehentlich von einem harten Ball getroffen und verletzt wurde.

Können Ballkinder das Spiel manipulieren?

Sie haben tatsächlich Einfluss auf das Spiel. Sie können zum Beispiel Zeit schinden, wenn die Heimmannschaft führt oder den eigenen Spielern schneller einen Ersatzball zuwerfen als denen der Gastmannschaft. Es gibt Fälle, in denen die Neutralität der Balljungen zumindest angezweifelt wurde. Das sind aber sehr wenige Szenen, die dafür oft zitiert werden. Wie die aus dem Jahr 2009, als ein Balljunge den Ball absichtlich nicht Jens Lehmann übergab, sondern über ihn hinweg warf. Die Bundesliga-Klubs beteuern, dass die Ballkinder die Heimmannschaften nicht bevorzugten. Die Jugend solle ja Fair Play lernen. Manch ein Trainer hat aber schon das Gegenteil angedeutet, immer angeblich im Scherz. Natürlich haben die Ballkinder ein Interesse am Erfolg ihres Vereins. Sie stehen aber auch unter Beobachtung. 2014 hatte ein Balljunge im Spiel der beiden Madrider Vereine Real und Atlético den Ball einfach nicht hergegeben, als Cristiano Ronaldo nach ihm verlangte. Als der Superstar auf ihn zukam, warf er den Ball offenbar absichtlich zur Seite. Der Heimatverein entband den Jugendlichen daraufhin von seinen Aufgaben. "Er wird kein Balljunge der ersten Mannschaft mehr sein. Solche Aktionen beschädigen unser Image", sagte ein Sprecher von Atlético Madrid danach.

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