Fred Kogel über:Musik

Fred Kogel hat Mediengeschichte geschrieben. Doch heute beschäftigt ihn das, wovon seine 18 000-Tonträger-Sammlung kündet: seine große Leidenschaft.

Interview von Philipp Crone und Christian Mayer

In seinem Vorstandsbüro bei der Constantin in Schwabing hängt das Foto seines Freundes, überlebensgroß. Bernd Eichinger, der legendäre Produzent und Talentjäger. Auf seine Weise hat auch Fred Kogel, 54, Mediengeschichte geschrieben. Doch an diesem Tag beschäftigt ihn ein anderes Thema: seine große Leidenschaft, die Musik. Da dreht Kogel, der eine Plattensammlung mit 18000 Alben hat, so richtig auf.

SZ: Herr Kogel, warum geht ein erfolgreicher Fernsehmanager und Filmboss wie Sie noch einmal zurück zum Radio, um als Moderator den Bayern3-Kultabend zu moderieren?

Kogel: Ich bin Musikmissionar. Wenn ich so einen Abend moderiere, falle ich meiner Familie mit diesen Geschichten nicht so auf die Nerven. Mein Leben hat sich im Grunde immer um Musik gedreht. Die Sendung ist der perfekte Abflusskanal. Ansonsten war die Sache natürlich ein reines Spaßprojekt, das nicht dem Lebensunterhalt dient. Das macht es auch für alle Beteiligten so locker.

Sie haben eine gigantische Plattensammlung in zwei Zimmern Ihres Hauses. Wird man da automatisch zum musikalischen Archivar, zum Rock-Opa aus dem Radio?

Nein, mir war es immer wichtig, die Bezüge zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart herzustellen. Ich kaufe beinahe täglich neue Musik. Und ich habe auch ein bestimmtes Verständnis einer Radiosendung, ich sehe das eher als eine Art Live-Konzert, es muss fließen, Rhythmus haben und den Hörern Hintergründe liefern. Wenn ich eine Band wie die Rival Sons spiele, die ich großartig finde, erkläre ich eben auch mal, dass das Riff von Jimmy Page ist. Mir sagen Florence and the Machine, Disclosure und Namika genauso viel wie Status Quo.

Ihr Vorteil beim Radio-Machen ist, dass Sie so viel altes Material aus Ihrer Radiozeit einfließen lassen können.

Ja, 280 Musikinterviews, daraus kann ich schöpfen. Ich habe von 1980 bis 1990 eine irrsinnige Sammlung von Gesprächen angehäuft, damals mit dem Bandrekorder. Erst beim BR, dann beim Privatradio Xanadu in München, und dann natürlich in meiner Fernsehzeit. Als ich "Wetten, dass . .?" als Produzent betreute, habe ich den Stars gelegentlich ein Mikro unter die Nase gehalten. Und ich habe fast alles aufgehoben und digitalisiert.

War das früher wirklich so leicht, einen Weltstar wie Mick Jagger einfach mal kurz auszufragen?

Schon. Weil so viele berühmte Musiker Ende der Siebziger, Anfang der Achtziger in München waren. Jeder, wirklich jeder musste damals auch in der Olympiahalle spielen. Queen, Led Zeppelin, die Stones - alle haben im Arabella-Haus ihre Platten aufgenommen, in den Musicland-Studios von Giorgio Moroder. Meine zweite Heimat war die Bar vom Park Hilton am Englischen Garten, wo die Musiker grundsätzlich wohnten.

Wer war der beste Interviewpartner?

Freddie Mercury. Normalerweise kann man sich mit Musikern nur über ihre Musik unterhalten, das ist das Boris-Becker-Syndrom, auch Tennisspieler sprechen ja am liebsten über Tennis. Aber Freddie konnte mehr, er war eben ein Paradiesvogel, der genauso über die Politik in Großbritannien von Margaret Thatcher sprechen konnte wie über die Münchner Diskotheken. Bei den Discos kannte ich mich zum Glück seit meiner Schulzeit aus, weil ich dort aufgelegt habe, ganz am Anfang in einer fürchterlichen Disco.

Wo war das denn?

Im Pharao-Haus, das war die berühmte Pyramide am Föhringer Ring. Im Keller hatten sie dort damals eine Disco, und ich durfte da für acht Mark pro Stunde auflegen. Dort waren die Weißbier-Könige zugange, ich konnte darauf warten, dass um Mitternacht ein Zoff losging. Später durfte ich im Henderson ran, in der Rumfordstraße, auch Freddie Mercury schaute da öfter mal vorbei, bei Trockeneis und Neonlicht.

Gehören Sie zu den Musik-Melancholikern, die ein Leben lang von den Hits ihrer verblassten Jugend schwärmen?

Fred Kogel
(Foto: Natalie Neomi Isser)

Nee, überhaupt nicht. Ich finde am Ende nichts schlimmer als alte Männer, die sich über alte Musik unterhalten. Es gibt heute auch herausragende Songs. Allerdings stimmt es auch, dass man heute noch Songs aus den Sechziger- und den Siebzigerjahren problemlos anhören kann: Das hat mit der Instrumentierung zu tun. Solange ein Song die Ebene Bass - Schlagzeug - Gitarre und guter Sänger nicht verlässt, bleibt der Sound relativ clean und wirkt auch heute nicht altmodisch. Da kann man eine Rockband aus dieser Zeit nehmen und mit einer heutigen Band vergleichen: klingt identisch, wenn man diese Grundvoraussetzung nicht ändert.

Der Musikgeschmack wird ja meist in der Jugend geprägt. Wie lief das bei Ihnen?

Das allererste Erlebnis war der Song "Delilah" von Tom Jones, da war ich acht. Das war auch meine erste Single, die ich gekauft habe. Witzigerweise weil ich eine Version von Peter Alexander in seiner großen Show gehört hatte.

War der damals nicht damit beschäftigt, täglich seine Sorgen zu zählen?

Nicht auf dieser Platte. Ich wollte unbedingt "Delilah" haben, also bin ich in einen Plattenladen gegangen - und zufällig bekam ich dort die Version von Tom Jones zu fassen. In diesem Moment hat sich für mich eine neue Welt aufgetan, weil Jones einfach besser sang als Peter Alexander. Etwas später war ich mit meinen Eltern im Pullacher Supermarkt, die hatten dort immer einen Plattenständer, und dort fiel mir dann eine Rock'n'Roll-Compilation in die Hände, mit Songs von Eddie Cochran und Elvis. Mit Begeisterung hörte ich wenig später den amerikanischen Musiksender AFN, und das hat mich wiederum auf Led Zeppelin und Aerosmith und vor allem auf Queen gebracht.

Musik war Ihre erste große Liebe?

Es war sogar mehr: eine total emotionale, politisch-zeitgeistig geprägte Beziehung. Ich komme ja aus einem musikalischen Elternhaus. Mein Vater war Opernsänger, meine Mutter Ballettmeisterin und Solotänzerin in Frankfurt. Ich kann heute noch 50, 60 Opernpartien auswendig singen, weil ich als Kind oft zehn Mal in den Inszenierungen am Gärtnerplatz war, in denen mein Vater auftrat. Meist saß ich in der Intendantenloge gleich neben der Bühne. Meine Lieblings-Spielopern sind die Opern meiner Kindheit, "Der Barbier von Sevilla", "Hoffmanns Erzählungen" oder "Zar und Zimmermann".

Wie hat sich diese frühkindliche Prägung ausgewirkt?

Bei mir war es ein wenig wie bei Obelix, der in den Zaubertrank gefallen ist: Ich habe die komplette Ladung Klassik abbekommen. Kein Wunder, dass irgendwann die Gegenreaktion kommen musste. Ich bin zum Rocker mutiert, auch aus dem Gefühl heraus, gegen den Musikgeschmack meiner Eltern revoltieren zu müssen.

Was haben Ihre Eltern dazu gesagt?

Meine Mutter hat es verstanden, für meinen Vater, der aus der Welt der klassischen Oper kam, war es schwieriger, als bei mir dann der erste Starschnitt hing: Alice Cooper mit seiner Boa Constrictor um den Hals. Ich hatte einen Dualplattenspieler im Zimmer, und wenn ich den bis zum Anschlag aufdrehte, ging es zu Hause rund.

Was passierte in solchen Momenten?

Als ich zwölf war, lief via Satellit das Konzert von Elvis in Hawaii. Wir saßen zusammen im klassischen Siebzigerjahre-Wohnzimmer, die Eltern rauchten, selbstverständlich. Dann kam Elvis in diesem weißen Kostüm auf die Bühne, er spielte "CC Rider". Mein Vater flippte aus: Wie kann so einer mit so was Geld verdienen, und ich singe mir jeden Abend die Lunge aus dem Leib? Das hat meine Liebe zur Rockmusik und zum Soul erst so richtig entfacht.

Ist Musik für die heutigen Jugendlichen noch ein Statement?

Ich glaube schon, vor allem im Hip-Hop und im Rap. Da gibt es eine enge Verbundenheit der Fans zu ihren Musikern. Das typische Produkt in den Charts hat aber einen starken Marketing-Charakter.

Liegt vielleicht auch daran, dass man als Zwölfjähriger im Netz mit einem Klick alle Musiktitel der Welt haben kann.

Vielleicht. Ich habe früher noch auf den Erscheinungstag einer Platte gewartet. In der Bravo hatte ich meist schon davon gelesen, es gab ja nicht so viele Informationsquellen. Man musste sparen, um sich die Platte leisten zu können, man war froh, sie in den Händen zu halten. So etwas schafft Emotionalität. Der größte Unterschied zu früher ist, dass Teenager heute meist nur für eine kurze Zeitspanne eine enge Beziehung zu einzelnen Musikern oder Bands aufbauen.

Heute gibt es andere Kanäle, auf denen eine Band direkt zum Ruhm surfen kann.

Ja, man muss sich nur die Facebook- und Youtube-Erscheinungen ansehen. Sängerinnen wie Rihanna oder Taylor Swift, die über riesige Fankreise weltweit verfügen, haben die digitale Verfügbarkeit perfektioniert. Diese Phänomene leben mehr vom Lifestyle und vom Look als von der Nachhaltigkeit der Musik. In den sozialen Netzwerken geht es immer auch darum: Was hat Rihanna an, wie sieht sie aus, was twittert sie? Deshalb sieht man ja auch bei vielen Live-Konzerten die Künstler kaum mehr, weil die Fans ständig ihre Mobiltelefone hochhalten und abdrücken. Aber die Flüchtigkeit ist kein neues Phänomen, auch bei uns gab es früher Bands wie Showaddywaddy oder die Bay City Rollers. Haben die nachhaltige Musik gemacht? Nein.

Zur Person

Fred Kogel kam 1960 in Wiesbaden zur Welt und wuchs in München auf. Seine Karriere startete er nach dem Jurastudium beim Bayerischen Rundfunk. 1985 wechselte er wegen Bernd Eichinger zur Neuen Constantin Film. Für das ZDF verantwortete er "Wetten, dass..?", 1993 wurde er ZDF-Unterhaltungschef. Von 1995 bis 2001 betreute Kogel als Geschäftsführer von Sat 1 die Bereiche Programm und Verkauf, anschließend war er bei der Kirch-Gruppe in der Geschäftsleitung. 2003 wechselte er als Vorstandschef zurück zur Constantin Film. Als Partner von Harald Schmidt in der Kogel & Schmidt GmbH produzierte er bis 2014 die Harald Schmidt Show und managte einige Jahre Til Schweiger. Heute ist er sowohl Vorstand der Constantin Film AG wie auch der Constantin Medien AG. Beim Bayern 3-Kultabend, der Ende Juli eingestellt wurde, war der Vater dreier Söhne einer der Moderatoren.

Viele Jugendliche lernen von Songtexten Englisch.

Absolut, ging mir ähnlich. Ich hatte einen irren Musiklehrer am Ludwigsgymnasium, Peter Granzow. Der hatte nicht nur das blaue Musikbuch laut bayerischem Curriculum "Unser Lied" als Standardwerk dabei. Er brachte das Pink-Floyd-Album "The Dark Side of the Moon" mit diesem Prisma auf dem Cover in die Klasse mit. Lied für Lied ging er mit uns die Texte und die Musik durch. So etwas eröffnet dir Welten. Granzow hat mich dann zu meinem ersten Rockkonzert mitgeschleppt, zu Pink Floyd, die "Animals"-Tour in die Olympiahalle 1977. Zum Glück haben meine Eltern gesagt: "Ja, wenn dein Lehrer dabei ist, darfst mitgehen."

Wer solche Lehrer hat, hat Glück.

Kann man sagen. Zuvor hatte ich schon versucht, im Dezember 74 ins Queen-Konzert im Theater an der Brienner Straße zu kommen, bin aber leider gescheitert, da haben sie mich nicht reingelassen. Live waren Queen das Beste, was man sehen konnte. Später war ich dann mindestens 15 Jahre lang von schwarzer Musik begeistert. Das Erweckungserlebnis war ganz sicher Prince, ich bin ein kompletter Prince-Fanatiker, der alles von ihm verschlingt, für ihn habe ich alles in Bewegung gesetzt, um ihn zu sehen. Auch seine neuen Songs "Baltimore" und "Hardrocklover", die es jetzt im Netz gibt. Einfach grandios.

Wann haben Sie Prince zum ersten Mal live gesehen?

Bei seiner "Parade"-Tour in Frankfurt, da sind Fritz Egner und ich hingefahren, er spielte ja nur einmal in Deutschland in der Frankfurter Festhalle. Bei Prince gibt es diese zwei Welten, das Hauptkonzert und die exklusive After-Show-Party, die tief in der Nacht stattfindet. Einmal, im Tränenpalast in Berlin, bin ich fast eingeschlafen. Erst um drei Uhr morgen ging's los. Grandios! 2007 gab er in London 21 Konzerte hintereinander. Da hatte er immer danach im Indigo Club der O2-Arena einen After-Show-Auftritt. Von halb zwei bis fünf Uhr dreißig, es gab billigen Weißwein, Prince spielte fast nur James Brown. Absoluter Wahnsinn: Er riss dem Bassisten den Bass weg und legte los: "I'll show it to you!"

Prince ist für Sie . . .

. . . ein Gott.

Wer berührt Sie von den jungen Bands?

Im Rockbereich etwa die Rival Sons. Dann gibt es eine englische Band wie Royal Blood, die vermischen Rock mit Elektronik oder The Temperance Movement, Vintage Trouble und den Südstaaten-Sänger J. J. Grey & Mofroy. Die alle machen etwas Neues. Mich berühren heute einzelne Songs, weniger die Bands. Auch Florence Welch als Performerin finde ich großartig, Nummern wie "Delilah" von ihr hauen mich weg.

Weil sie was genau hat?

Weil ihr Sound clean und druckvoll ist. Den Unterschied macht aber immer nur der Sänger. Es gibt tausend Bands, die toll sind, aber es kommt auf die emotionale Performance an und auf die Wucht. Ich bin ja grundsätzlich ein Uptempo-Typ, kein balladesker Mensch.

Warum sind Sie eigentlich nicht Musiker geworden?

Weil ich damals das falsche Instrument gewählt habe. Klavier. Ich stand dann mit meinem Schlangengürtel hinter diesen Keyboards und machte sphärische Klänge wie bei Pink Floyd. Hat leider nicht so richtig funktioniert. Aber man musste E-Gitarre spielen, um bei den Mädchen anzukommen, und unbedingt lange, schwarze Haare haben. Ich hätte so gerne dieses Instrument gelernt! Immerhin hab ich mir jetzt meine drei Lieblings-E-Gitarren gekauft, die hängen bei mir an der Wand, und ich warte, bis mein Sohn Unterricht nehmen kann, dann mach ich mit . . .

Ist das nicht ein wenig spät, mit 54?

Ach, das kann schon cool werden. Musik ist ein Jungbrunnen. Die Scorpions altern zwar nicht unbedingt in Würde, aber sie haben immerhin noch Spaß: Die Menschenpyramide mit 70 zu machen, hat diesen grenzwertigen Charme. Jimmy Page schafft das ja auch.

Ihr Vierjähriger kann sich also auf etwas gefasst machen.

Absolut, ich wollte ihn ja eigentlich unbedingt schon zum AC/DC-Konzert in München mitnehmen. Meine Frau hatte aber Bedenken: die Lautstärke! Jeden Morgen auf dem Weg ins Büro nehme ich den Leo ja mit in den Kindergarten im Auto, das ist unsere Musikzeit. Ich glaube, er ist der einzige Vierjährige, der sich komplett auskennt in der Armada zwischen Rod Steward, Led Zeppelin und Mark Ronson. "Uptown-Funk", das liebt er. Genauso wie Prince, da ist er voll drin, zumindest Luftgitarre beherrscht er.

Die Stones, AC/DC oder Status Quo wirken heute wie Bühnen-Dinosaurier. Auch Sie haben also doch ein Faible für die siebzigjährigen Überlebenskünstler . . .

Aber ich bin kein Altrocker. Ich glaube, ich verstehe die heutige Generation und ihre Musik ganz gut.

Sie sind nicht nur zweifacher Vorstand bei der Constantin, sondern auch begeisterter Läufer. Was treibt Sie an?

Ich stehe zwar heute mit zwei kleinen Kindern müder auf als früher. Was hilft, ist ein guter Lauf. Zum Glück kann ich heute noch mit meinem Sohn aufs Klettergerüst und sehe nicht aus wie der Opa. Ich habe noch immer diese enorme Lust, etwas zu gestalten. Wie sagte mein Vater doch immer: Pass auf, Bub, dass es reicht mit dem Geld. So was prägt sich ein, das kriegst du nie ganz raus (lacht).

Der BR3-Kultabend hat mit dem Slogan "Der Soundtrack des Lebens" geworben. Welche Lieder dürfen da bei Ihnen auf keinen Fall fehlen?

Aerosmith "Walk this way". Und dann natürlich "Don't stop me now" von Queen. Immer volles Tempo!

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