Kampf gegen Prostitution:Frankreich will käufliche Liebe verbieten

Schweden, Island, Norwegen waren Vorbild: Frankreich will das älteste Gewerbe der Welt abschaffen und plant harte Maßnahmen gegen die Prostitution - vor allem Freier müssen künftig Strafen befürchten. Doch wie soll das funktionieren? Zumal im Land der Libertinage?

Stefan Ulrich, Paris

Der ehemalige französische Star-Sozialist Dominique Strauss-Kahn hat gerade verlauten lassen, er empfinde "Horror" vor der Prostitution. Nicht alle Männer sind so feinfühlig. Schätzungen zufolge arbeiten mindestens 20.000 Prostituierte in Frankreich. Allein auf dem Pariser Straßenstrich - etwa auf der Rue Saint-Denis oder im Bois de Boulogne - hat die Polizei mehr als 800 Huren gezählt.

-

Prostituierte im Bois de Boulogne in Paris: Bislang sind nur Zuhälterei und Anmache, nicht aber die Prostitution an sich strafbar. Das kann sich in Zukunft ändern.

(Foto: AFP)

Nun fühlt sich Frankreich nicht nur als Land der Libertinage, sondern auch als Heimat der Menschenrechte. Daher wollen Politiker verschiedener Couleur jetzt die Prostitution verbieten lassen und hartnäckige Freier ins Gefängnis werfen.

Einen ersten Schritt hat diese Woche die Nationalversammlung in Paris getan. Dort bildete sich eine große Koalition aus Kommunisten, Sozialisten, Grünen, Konservativen und Rechten. Sie stimmten für eine Resolution, die den Willen Frankreichs bekundet, die Prostitution abzuschaffen. Da das Problem der käuflichen Liebe in Europa banalisiert werde, müsse die Republik ein "lautes und starkes" Zeichen setzen. Es gelte, mit der fixen Idee aufzuräumen, das angeblich älteste Gewerbe der Welt sei unvermeidlich. Abgeordnete der regierenden Konservativen und der Sozialisten brachten zudem einen Gesetzesentwurf ein. Er sieht vor, Freier mit bis zu zwei Monaten Haft oder einer Geldbuße von 3750 Euro zu bestrafen.

Als Vorbild gelten Schweden, Island und Norwegen, die Gesetze gegen die Prostitution eingeführt haben. In Schweden soll die Straßenprostitution dadurch um die Hälfte zurückgegangen sein. Gleiches erhoffen sich viele Abgeordnete für Frankreich. Ihr Argument: Wo keine Freier, da keine Huren. "Es geht darum, den Bürgern eine Beziehung zwischen Männern und Frauen beizubringen, die auf Gleichheit und Respekt beruht", sagt die Sozialistin Danielle Bousquet.

Bousquet und ihre Mitstreiter argumentieren, Prostitution sei Gewalt gegen Frauen. Kaum jemand werde freiwillig zur Hure. Neun von zehn Frauen würden von Zuhälter-Banden ausgebeutet. Zudem fördere das Gewerbe den Menschenhandel. Staatlich zugelassene Bordelle, wie sie in anderen Staaten existieren, seien keine Lösung. Die Solidaritätsministerin Roselyne Bachelot berichtete, eine parlamentarische Kommission habe sich ein Freudenhaus in Spanien angeschaut. "Die Frauen leben dort in furchtbaren Verhältnissen. Die Prostituierten sind zuallererst Opfer."

Nicht alle Abgeordneten wollen so weit gehen, die Freier zu bestrafen. Manche tuscheln auf den Gängen der Nationalversammlung, es sei doch die "Konvergenz" mit Deutschland in Mode. "Aber die Deutschen haben Eros-Center!" Zudem habe die Geschichte gezeigt, dass es nichts bringe, die käufliche Liebe zu verbieten. Die Gegner des geplanten Gesetzes warnen, wer die Prostitution kriminalisiere, verlagere das Geschäft mit dem Sex in den Untergrund und gefährde die Prostituierten. Andere befürchten, es entstehe eine Sittenpolizei.

Selbst Feministinnen sind gespalten. Während die einen die Würde und Gleichberechtigung der Frauen per Strafrecht schützen wollen, betonen andere die Freiheit, über den eigenen Körper zu entscheiden. "Wenn eine Frau binnen drei Tagen genauso viel verdienen will, wie andere in einem Monat an einer Supermarktkasse, dann ist das ihr Recht", sagt die Philosophin Elisabeth Badinter.

Zwischen Repression und Laissez-faire

Frankreich schwankte im Umgang mit bezahltem Sex schön öfters zwischen Repression und Laissez-faire. So ließ bereits Ludwig IX., genannt der Heilige, die Prostitution verbieten und den Besitz der Huren einziehen - die Kleider ausgenommen. Später wurden die Zügel gelockert. Im achtzehnten Jahrhundert soll es 40.000 käufliche Damen in Paris gegeben haben. Die Behörden begannen damals, die Prostitution zu reglementieren und "maisons closes", geschlossene Häuser, zuzulassen, um das Gewerbe zu überwachen und Geschlechtskrankheiten vorzubeugen.

Kampf gegen Prostitution: Nicht zuletzt die Affäre um Dominique Strauss-Kahn hat den Ruf nach strengeren Gesetzen in Frankreich verstärkt.

Nicht zuletzt die Affäre um Dominique Strauss-Kahn hat den Ruf nach strengeren Gesetzen in Frankreich verstärkt.

(Foto: AFP)

Nach und nach erarbeiteten sich die französischen Bordelle, zumal in Paris, einen Platz in der Kulturgeschichte. Die Grenzen zwischen Cabarets, Revuetheatern und Freudenhäusern verschwammen genauso wie die Milieus der Halbwelt und der Bohème. Künstler wie Henri de Toulouse-Lautrec verewigten das Pariser Nachtleben des 19. Jahrhunderts, Emile Zola schilderte in seinem Roman "Nana" Glanz und Elend einer Dirne. Bis zum Zweiten Weltkrieg entstanden immer mehr Luxusbordelle, prächtige Häuser im Art-déco-Stil, im Ambiente Arabiens oder mit Fresken à la antikes Ägypten. Künstler, Schauspieler, Politiker und Mitglieder des europäischen Hochadels gingen ein und aus. Paul Claudel antwortete auf die Frage, was er von Toleranz halte: "Dafür gibt es Häuser."

Das Ende kam mit den Nazis. Weil sich die "maisons closes" der horizontalen Kollaboration schuldig machten, hatten es die Sittenstrengen nach dem Krieg leicht, sie zu schließen. Seitdem lebt das Rotlichtmilieu in einer Grauzone zwischen Straßenstrich und Massagesalons. Dem Regisseur Billy Wilder gelang es 1963, die Pariser Straßenmädchen-Szene in seinem Film "Irma la Douce" komisch und anrührend zu porträtieren. Mit diesem romantisierenden Bild hat die Realität wenig zu tun, heute schrecken die Franzosen Berichte von Morden an Huren und von versklavten Frauen aus Afrika und Osteuropa auf.

Auch die Skandale Strauss-Kahns haben den Ruf nach strengen Gesetzen verstärkt. Bislang sind nur Zuhälterei und Anmache, nicht aber die Prostitution an sich strafbar. Künftig könnten auch die Freier belangt werden. So soll die Prostitution in Frankreich 750 Jahre nach Ludwig dem Heiligen endlich ausgerottet werden. Allein, es fehlt der Glaube.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: