Fotoreportage:Das hab' ich gekriegt

Der eine freut sich über das Segelboot, die andere runzelt die Stirn über den Pelzmantel. Sechs Erbstücke und ihre Geschichte.

Von Matthias Döring und Markus Mayr

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Das Segelboot

Ich und mein Erbe

Quelle: Matthias F. Döring

Ich habe Sabrina geerbt. Warum sie so heißt, weiß ich nicht. Sie hieß schon 1963 so, als mein Opa sie kaufte. Niemand tauft Boote um, das bringt Unglück. In Sabrina lässt es sich wunderbar über den Bodensee segeln. Vor fünf Jahren, als Opa noch lebte, haben wir das Boot ausgewassert und saniert. Die Kabine aus Mahagoni-Holz glänzt jetzt wieder wie neu. Da ich Bootsbauer bin, konnte ich mit einem Kollegen alles selber reparieren, mit der finanziellen Hilfe meiner Familie. Schon als Kind bin ich oft mit meinem Opa auf dem Boot gewesen. Er hatte immer Orangina dabei, die Limo in den bauchigen Flaschen, und selbstgebackene Leckerlis von Oma. Wenn wir dann unter Segel ausgelaufen waren, durfte ich die Pinne übernehmen während Opa sich am Kajütenaufbau anlehnte und das leise Plätschern der Wellen am Bug bei einer Zigarre genoss. Schon damals hat er oft zu mir gesagt, dass ich den Einmaster später mal übernehmen dürfe. Das sehe ich als echte Chance. Ich finde es schön, wenn Erbstücke samt der Bedeutung, die sie für die eine Generation haben, an die nächste Generation übergehen. Ich würde mich freuen, wenn es meiner kleinen Tochter später genau so geht.

David Bräutigam, 32, Bootsbauer, Kreuzlingen

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Der Pelzmantel

Ich und mein Erbe

Quelle: Matthias F. Döring

Ich habe Erben bisher nur als Last erlebt. Da kommt so viel Zeug bei rum, von dem man nicht weiß, was man damit tun soll. Ich sage: Gib mir zu Lebzeiten, wenn du willst, aber wenn du stirbst, muss nichts übrig bleiben. Der Pelzmantel meiner Oma ist allerdings so ein Sonderding. Dafür mussten Tiere sterben. Weswegen ich ihn erst auch gar nicht haben wollte. Aber niemand sonst wollte ihn haben, deshalb habe ich ihn dann doch an mich genommen. Auch, weil ich den Tieren, die dafür gestorben sind, die letzte Ehre erweisen wollte. Und natürlich meiner Oma, die damals ein Heidengeld für den Mantel gezahlt hat. Von welchem Tier der Pelz stammt, weiß ich gar nicht. Ich habe ihn nur ein einziges Mal angehabt, zum Shoppen. Aber die Leute haben mich komisch angeguckt. Offen angesprochen haben sie mich nicht. Seitdem habe ich ihn nie wieder getragen und kann mir auch keinen Anlass für ihn vorstellen. Noch kann ich mich von ihm aber auch nicht trennen. Wenn ich ihn sehe, habe ich meine Oma als junge Frau vor Augen, wie sie durch Stuttgart flaniert. Das ist ein schönes Bild, das ich gerne in Erinnerung behalte. Aber weitervererben würde ich das Ding nicht.

Stephanie Kellner, 26, Marketing Managerin, Jettingen

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Das indonesische Paddel

Ich und mein Erbe

Quelle: Matthias F. Döring

Mit Abstand das Ungewöhnlichste, was mir mein Vater hinterlassen hat, ist dieses Paddel. Er arbeitete für die Ölindustrie, war viel in der Welt unterwegs, etwa in Kanada und im Golf von Mexiko. Um 1990 reiste er per Boot durch Borneo. Im Wald traf er auf Ureinwohner. Der Stamm war für seine Tradition des Kannibalismus bekannt; heute bestehe aber keine Gefahr mehr, hieß es. Trotzdem war mein Vater besorgt. Er hatte keine Wahl und musste die Nacht bei diesem Stamm verbringen. Am Abend wurde eine Pfeife herumgegeben oder ein Getränk, ich weiß nicht genau. Ablehnen konnte er jedenfalls nicht. Das Zeug hat ihn ziemlich berauscht, er hatte die ganze Nacht Halluzinationen. Als er am nächsten Morgen aufwachte, standen 15 Jungs um ihn herum. Mein Vater bekam Panik - dabei hatten sie nur Gefallen an seinen Puma-Schuhen gefunden. Er verschenkte sie an einen der Kerle. Als er dann sein Boot bestieg, rannte der Junge hinterher, in der Hand einen spitzen Stab. Mein Vater bekam wieder Panik. Dabei war es keine Waffe, sondern ein Paddel, zum Tausch gegen die Schuhe. "Rühr niemals Drogen an", sagte mir mein Vater, als er es mir gab.

Heather Bradley, 29, Englisch-Dozentin, München

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Die Werkstatt

Ich und mein Erbe

Quelle: Matthias F. Döring

In den ersten Monaten nach dem Tod unseres Vaters hatten wir großen Respekt vor seiner Werkstatt. Er war Möbeltischler und Restaurator und hat uns seinen Arbeitsplatz voll ausgestattet hinterlassen. Wir wollten in den vollgestellten Räumen nicht zu schnell zu viel verändern. Der Ort war regelrecht beseelt von ihm. Wir wussten, dass alles darin dort lag, wo unser Vater es abgelegt hatte. Und dachten uns, wenn wir ein Stück Holz dort wegnehmen, den Staub wegpusten und anfangen, es zurecht zu sägen, verändern wir ein Stück seiner Aura, die hier noch nachwirkt. Doch nach einiger Zeit waren wir soweit und fingen an, aus dem Holz etwas Neues zu bauen. Dann haben wir uns begeistert auf die Spuren unseres Vaters begeben und fügen seinen nun unsere hinzu. Nach und nach schaffen wir uns so einen gemeinsamen Wissensschatz mit ihm. Manchmal ist es so, als ob er uns dabei über die Schulter gucken würde. Unser bisher wohl kompliziertestes Projekt waren Fenster, die wir selbst getischlert haben. In altbewährter Handwerkermanier haben wir mit dem Einstemmeisen die Schlitze für die Fensterbänder gestochen. So etwas selbst zu machen, fühlt sich an wie Freiheit.

Philipp und Stefan Schwabe, 28 & 30, Tonmeister & Designer, Schmalkalden

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Die Schildkröte

Ich und mein Erbe

Quelle: Matthias F. Döring

Ernesto ist außergewöhnlich. Er hat nur ein Auge und drei Beine. Als sein Vorbesitzer starb, landete er in der Münchner Reptilien-Auffangstation, wo ich mich vor vier Jahren sofort in ihn verliebt habe. Ich hatte damals schon zwei Weibchen, ihnen und mir fehlte noch ein Männchen zum Glück. Wegen seiner Verletzungen nenne ich Ernesto manchmal zärtlich Stumpi. So wie's aussieht werde ich ihn einmal weitervererben müssen. Er ist jetzt elf Jahre alt. Eine Schildkröte kann aber gerne auch mal 100 Jahre alt werden. Hoffentlich habe ich dann einen Erben, der was mit ihm anfangen kann, sodass er nicht wieder in die Auffangstation muss. Die kümmern sich zwar liebevoll um ihre Schützlinge, sind aber ausgelastet und unterfinanziert. Da hat es Ernesto bei mir daheim schon besser, in einem großen Gartengehege und der Gesellschaft seiner zwei Mädels. Auf das eine ist er ganz wild, obwohl es doppelt so groß ist wie er selbst. Er ist nur so groß wie mein Handteller. Warum mich Schildkröten so begeistern, kann ich nicht erklären. Aber mit ihnen im Gehege zu sitzen, wenn sie behäbig umhertapsen und mit ihren Schnäbeln frisches Grünzeug zermahlen, ist herrlich entspannend.

Kathrin Behounek, 46, Design Engineer, Oberhaching

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Der Ring

Ich und mein Erbe

Quelle: Matthias F. Döring

Ich mag nichts wegwerfen, das fühlt sich für mich an wie Erinnerungen zu entsorgen. Deshalb habe ich den Schmuck lange aufgehoben, den mir meine Omas und meine Mutter hinterließen. Obwohl das so verschnörkeltes Zeug war, das ich selbst nie tragen würde. Doch dann kam mir die Idee, aus dem Gold des Schmucks zur Erinnerung einen Ring machen zu lassen, in den die Namen meiner Mutter und meiner Großmütter eingraviert sind: Rosa, Maria und Roi (für meine Mutter Rosemarie). Dann kam mein Name dazu und der meiner Tochter Nica. Bald lasse ich den Namen ihrer Tochter Lu eingravieren. Dann sind in dem Ring sechs Frauen aus fünf Generationen vereint. Und ich habe etwas, das ich gut weitervererben kann und das keinem eine große Last ist. Außerdem gefällt mir der schlichte Ring sehr gut. Sollte meine Tochter irgendwann sagen, dass sie diesen Ring nicht braucht, dann kann sie daraus ja Ohrringe machen lassen. Obwohl. Ich finde die Idee mit dem Ring schon gut. Ich glaube, ich wäre fast ein bisschen beleidigt, wenn sie das tun würde. Mmh. Würde sie das wirklich tun? Könnte sein. Sie ist weniger emotional mit den Sachen als ich. Was ich gut finde.

Barbara Giuliani, 58, Psychologin, Basel

© SZ.de/mmm
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