Fleischverzicht:Rückkehr zum Sonntagsbraten

Einst Symbol für deutsche Spießigkeit, jetzt klimaschonender Lifestyle? Andreas Troge vom Umweltbundesamt fordert, nur noch sonntags Fleisch zu essen.

M. Kuckuk

Was haben Albert Einstein und Dustin Hofmann gemeinsam? Ihren Verzicht auf Fleisch - und zwar der Umwelt zuliebe. "Nichts wird die Chance auf ein Überleben auf der Erde so steigern, wie der Schritt zur vegetarischen Ernährung", sagte der fleischlos lebende Nobelpreisträger einmal. Neben Dustin Hofman pflichten ihm noch heute Prominente wie Prince, Boris Becker oder Gwyneth Paltrow bei.

ernährung fleisch

Vielleicht demnächst wieder angesagt: die sonntägliche Roulade.

(Foto: Foto: iStock)

Vielleicht bräuchte Andreas Troge, Präsident des Umweltbundesamtes, dieser Tage eine derart starke, prominente Lobby. Denn seine in der Berliner Zeitung formulierte Forderung, die Deutschen sollten nur noch sonntags Fleisch essen, hat - zumindest bei Fleischessern und Bauernverband - für Aufregung gesorgt. Das tägliche Steak - ein Klimakiller? Die geliebte Currywurst - ein Cholesterinkatalysator?

Die Debatte ist alt, aber der Mensch besitzt nun einmal zähes Fleisch, auf dem er Unangenehmes gerne aussitzt. "Ein Mann ist erst ein richtiger Mann, wenn er sein tägliches Fleisch bekommt - diesen Irrglauben tragen wir noch immer von Generation zu Generation weiter", sagt Hartmut Graßl. Der ehemalige Leiter des Max-Planck-Instituts für Meteorologie in Hamburg ist einer der ersten Klimaforscher Deutschlands, der das Thema Treibhausgase auf den Tisch brachte.

Ein tierisches Problem

Andreas Troge wiederholt also - wie viele andere vor ihm - das, was Graßl seit 25 Jahren sagt: Die Landwirtschaft trägt zum Treibhauseffekt bei. "Früher waren es die Kohlekraftwerke, undichte Gasleitungen und die Mülldeponien. Heute sind die Kühe die Methanquelle Nummer eins - vor allem in unseren hochentwickelten Ländern", sagt Graßl.

Laut der UN erzeugt die weltweite Fleischproduktion mit einem Anteil von 18 Prozent mehr Treibhausgase als das Transportwesen (13 Prozent). Das tierische Problem "Methan" ist ein Gas, das die Kühe bei ihrer Verdauung ausscheiden - rülpsend oder furzend. Das Gas wirkt bis zu 23 Mal stärker als Kohlendioxid auf die Atmosphäre.

Troge legt seiner unpopulären Forderung nach Fleischverzicht aktuelle Berechnungen zugrunde: Die deutsche Landwirtschaft ist verantwortlich für knapp sieben Prozent der Treibhausgasemissionen des Landes. Besonders energieintensiv und klimaschädlich ist hierbei die Fleischproduktion. Auf 15 Prozent belaufen sich die Berechnungen - nimmt man die Abgase der landwirtschaftlichen Maschinen, die Düngemittelherstellung und das Pflügen von Brachflächen hinzu.

Dagegen wehren sich die Landwirtschaftsvertreter. "Wir haben in den vergangenen zehn Jahren die Zahl der Rinder halbiert, indem wir leistungsstärkere Tiere einsetzen. Auf drei Milchkühe kommt nun eine", sagt Michael Lohse vom Deutschen Bauernverband. "Diese Bemühungen sehen wir nicht gewürdigt. Wenn das Umweltbundesamt weniger Fleisch fordert, dann muss es zwangsläufig zum Verzicht auf Milch und Leder aufrufen."

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Rückkehr zum Sonntagsbraten

Sinnloses Fleisch

Klimaforscher Graßl hält dagegen: "Der Mensch braucht kein Fleisch, es geht um den puren Lustgewinn. Es kann nicht sein, dass wir den Indern den hohen Ausstoß von Methangas durch ihre Reisfelder vorwerfen, denn hier geht es um die Produktion lebenswichtiger Grundnahrungsmittel." Außerdem lebe rund die Hälfte der Inder vegetarisch.

In Ländern des Überflusses verhält sich das anders. Die Revolution der Nahrungswelt mittels Tiefkühltruhen und die Jahre des deutschen Wirtschaftswunders haben dazu geführt, dass wir uns täglich ein Schnitzel genehmigen können. Unsere Großmütter gönnten sich nur sonntags einen Braten.

Und heute? Laut nationaler Verzehrstudie 2008 ist der Fleischverbrauch der Deutschen gestiegen. Lediglich 1,6 Prozent der Männer bis 34 Jahre leben fleischlos, bei den jungen Frauen sind es 4,2 Prozent.

Dabei könnten auch die überzeugtesten Fleischesser der Umwelt einen Tribut zollen - ohne auf Bratwurstentzug zu leben: Eine Studie der niederländischen Planungsbehörde für Umwelt und Natur (MNP) belegt, dass eine Person, die täglich Fleisch isst und lediglich einmal pro Woche vegetarisch, pro Jahr bereits 170 Kilogramm CO2 spart. Für die gleiche Menge könnte man 1100 Kilometer Autofahren.

Hartmut Graßl begrüßt Troges Vorstoß zum Fleischverzicht, er wäre ein weiterer Beitrag zum Klimaschutz. Zugleich argumentiert der Klimaforscher wie ein beherzter Ernährungswissenschaftler: "Schauen Sie sich doch einmal die Werbung der großen Discounter an - bei den Fleischmassen wird einem doch schlecht!" Der Bumerang-Effekt bliebe nicht aus, das deutsche Gesundheitssystem könne Milliarden sparen, wenn die Menschen sich bewusster ernähren und auf das tägliche Fleisch verzichten würden. Graßl selbst sei zwar kein Vegetarier, aber bei ihm komme - auch ohne öffentlichen Appell - nur am Wochenende Fleisch auf den Tisch.

"Wenn Troge bei den Menschen Gehör finden will,sollte er sich mit den Krankenkassen zusammenschließen und eine Gesundheitskampagne starten", rät der Klimaforscher. "Die persönliche Gesundheit wird die Menschen letztendlich mehr interessieren als das Weltklima."

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