Feminismus:Hot or not

Hot Pants

Ist das Protest oder Selbstbestimmung, wenn junge Frauen kurze Hosen tragen?

(Foto: Ole Spata/dpa)

Sie wollen kein Objekt der Begierde, aber auch nicht prüde sein. Wie junge Frauen kämpfen, um dem modernen Frauenbild gerecht zu werden.

Von Susan Vahabzadeh

Vor wenigen Jahren wäre es noch unvorstellbar gewesen, dass eine richtig berühmte Frau öffentlich macht, dass sie vergewaltigt wurde. Lady Gaga hat das getan, bei der diesjährigen Oscar-Verleihung trat sie sogar auf, mit einer Gruppe von "Survivors" , wie Vergewaltigungsopfer in den USA sich selbst nennen. Lady Gagas Auftritt war ein Moment, in dem man fast hätte glauben können, dass junge Mädchen in einer Welt aufwachsen, in der sie es leichter haben werden, ihre Selbstbestimmung und ihre Rechte durchzusetzen als ihre Mütter.

Bis dann so etwas passiert wie vergangene Woche, als ein Richter einen Studenten an der Universität Stanford zu nur sechs Monaten wegen einer Vergewaltigung verurteilte, weil er dem vielversprechenden jungen Mann die Zukunft nicht verbauen wolle. Es gab entsetzte Reaktionen auf das Urteil - aber es zeigt, wie zwei Weltbilder kollidieren. Gleichberechtigung wird einerseits zum gesellschaftlichen Konsens erklärt, doch die Mädchen, die erzogen werden, daran zu glauben, treffen auf eine Realität, die ihre Rechte so wenig respektiert wie vor hundert Jahren.

Was bedeutet es für Teenager, in diesem widersprüchlichen Umfeld aufzuwachsen? Die Autorinnen Nancy Jo Sales und Peggy Orenstein haben gerade Bücher darüber geschrieben, wie soziale Netzwerke die Welt junger Mädchen beeinflussen - Selfies und Likes und Dating-Apps setzen sie ständiger Bewertung aus: Hot or not? Einerseits möchten sie freizügig sein - und andererseits werden sie dann als Schlampen abgeurteilt.

Sex ist für junge Mädchen ein Service

Hotpants, Promiskuität, Sexszenen im Kino waren alle mal Ausdruck einer Protestkultur. Die Rolling Stones haben mit "Midnight Rambler" einem Serienmörder gehuldigt, weil es so schön provokativ war. Die Filme von Pier Paolo Pasolini, Ken Russells "Die Teufel", waren als Angriff auf ein verkrustetes, scheinheiliges System gemeint. Es gibt in der westlichen Welt heute nur noch wenig Prüderie, gegen die man sich wehren müsste.

Bustiers und Selfies mit Flirt-Blick sind heute Mainstream. Werbung, Serien, Filme und Popmusik propagieren ein Frauenbild, das alles gleichzeitig sein soll: aufreizend und selbstbestimmt. Das mag als Vision der Popkultur funktionieren. Die Mädchen bei Orenstein und Sales beschreiben Sex dann aber doch eher als einen Service, den sie an Jungs verrichten.

Eine von Peggy Orensteins jungen Gesprächspartnerinnen, Camilla, erzählt von einem Account, den die Jungs am College eingerichtet haben - um abzustimmen, welche von den Mädchen "hot" sind. Das Ergebnis: Schlampen sind sie sowieso alle. Camilla erklärt es so: Sie kann sich darüber beschweren, dass sie als "hot" bewertet wird, aber dann ist sie prüde. Ist sie nicht hot, ist sie hässlich. Beklagt sie sich über Sexismus, ist sie eine humorlose feministische Kuh.

Es wird immer schwieriger für Mädchen, sich dazu zu verhalten. Das Duckface-Selfie mit anzüglicher Schnute soll auch Ausdruck der Selbstbestimmung sein. Aber geht das überhaupt, ein Objekt sein, weil man es will? Oder liegt es nicht doch in der Natur der Objektifizierung, dass der andere sie vornimmt, und nicht das Objekt?

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: