Fashion Week Berlin:Heilige und Narren

Eine Kirche für die Berliner Mode, ein Bürgermeister im Designerfieber und eine Promi-Schau im Zelt: Die Fashion Week im Überblick

Claudia Fromme

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Der Trubel ist vorbei, das Modezelt ist abgebaut. Fünf Tage lang präsentierten 25 Designer bei der vierten Mercedes-Benz Fashion Week Berlin ihre Ideen für den Herbst und Winter 2009/2010. Die Spanne reichte von großen Namen wie Joop und Boss bis zu Berliner Labels wie LaLa Berlin und Kaviar Gauche. Acht Aspekte der Modewoche.

Die Krise

Schwarz ist das neue Schwarz. Kaum ein Designer in Berlin, der nicht Düsternis für den nächsten Winter empfahl. Am konsequentesten hat das Dirk Schönberger bei Joop umgesetzt. Die Schnitte messerscharf, das Design futuristisch. Herren tragen Röhrenhosen und schmale Revers, Damen Bleistiftröcke und strenge Hosenanzüge. Die Stoffe glänzen wie Autolacke, aus dem Industriedesign kommt die Inspiration. "Natürlich beeinflusst die Krise das Design", sagt Schönberger. Es werde reduzierter, weniger verkünstelt, viel liege im Detail. Er versteht sich meisterlich darauf, wenngleich offen bleibt, ob sich Napparollis mit Fetischzipper wirklich verkaufen. Ingo Wilts zeigte sich mit seiner Kollektion für Boss Black tragbar, auch hier dominieren gedeckte Farben, akzentuiert mit Bordeaux. Bernhard Willhelm, in Ulm geborener Avantgardist, der in Japan Furore macht, sagt: "Wenn ich noch mehr schwarze Anzüge sehe, krieg ich die Krise." Alle würden auf Verkaufbarkeit achten, er empfiehlt Farbe: Blau, Rot und Gelb. Kilian Kerner, der junge Berliner Designer, formuliert seine Kampfansage am schönsten: Zum Anzug kombiniert er goldene Boxhandschuhe.

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Die Locations

Forscher erklären sich Trends sehr unterschiedlich. Eine Theorie setzt im Parterre der Gesellschaft an, von wo aus sich Strömungen wie Viren ausbreiten. Beim Punk war das so. Ähnlich verhält es sich mit dem Hauptort der Modewoche: dem fashion tent auf dem Bebelplatz. Trendsetter ist der Kleingärtner und sein Plastikzelt. Die Documenta lud 2007 erstmals in ein Zelt, Berlin folgte. Hat die Stadt nichts Schöneres zu bieten, fragt man sich und findet die Antwort - auf der Fashion Week. Wer etwas auf sich hält, präsentiert offsite. Boss lud in den illuminierten Botanischen Garten in Dahlem, Joop ließ im Museum Hamburger Bahnhof Julia Stegner nach Luft schnappen mit einem 50-Meter-Catwalk, der den Models einiges abverlangte. Michalsky versündigte sich in der Zionskirche, und Bernhard Willhelm ließ tätowierte Kerle im Postbahnhof in Friedrichshain turnen. Ohne Catwalk. Die Gäste flanierten vorbei, wurden Teil der Installation. Sensationell.

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Das Gesicht

Auf dem Oktoberfest wurde sie entdeckt, und so ist es logisch, dass Julia Stegner in einem Zelt ganz im Mittelpunkt steht. Die 24-Jährige tritt die Nachfolge von Eva Padberg an, die dem Hauptsponsor "zu wenig international" war. Julia Stegner, wahnsinnig hübsch und wahnsinnig nett, kommt aus München, lebt in New York und verkörpert das, was die Fashion Week sein will. Die Modewoche war dann doch eine eher nationale Sache, während Julia Stegner in der ersten Liga spielt. Sie läuft für Chanel, Yves Saint Laurent, Calvin Klein. Am Mittwoch eröffnete sie die Schauen bei Boss Black - in einem blütenweißen Hosenanzug. "Berlin hat sich gemacht", sagt sie. Tags drauf berichtet der Boulevard fiebrig, dass sie sich nach einer Bleibe in der Stadt umsieht.

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Der Unruhestifter

Kaum war die Fashion Week eröffnet, warf Karl-Heinz Müller die Turbinen in Tempelhof an. Hatte er sich vor drei Jahren mit seiner "Bread & Butter" nach Barcelona verabschiedet und mehr als einmal Berlin modische Provinzialität unterstellt, meldete er sich nun mit einem Donnerschlag zurück. Während Boss die Fashion Week eröffnete, feierte er eine Party in Tempelhof. Noch in der Nacht pflasterte er die Stadt mit Plakaten, "Coming Home" steht drauf und der Termin: 1. bis 3. Juli 2009. Andere Fashion-Verantwortliche schauen zitronensauer, fürchten Konkurrenz, weil Müller zwei Wochen vor allen anderen Messen ins Rennen gehen will. "Welcher Einkäufer fährt schon zweimal nach Berlin", fragt einer aus der Branche. Müller sagt, dass die B&B nur "Leitmesse" bleiben könne, wenn er international der Erste sei. Zudem könnten sich einige mal ein wenig erfreuter zeigen, immerhin brächte er 80000 Besucher in die Stadt. "Das wirkt sich für alle positiv aus", sagt er. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) freut sich über die "Superperspektive" für Berlin, im Studio Babelsberg, das eigene Pläne für Tempelhof hatte, ist man schwer verstimmt. Der Müller-Deal schließe eine dauerhafte Nutzung durch andere aus, heißt es. Die Opposition redet von einem Skandal.

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Der Bürgermeister

Klaus Wowereit fühlt sich wohl in der front row, und so wurde er mehr an der Seite von Julia Stegner gesehen als an der seines abtrünnigen Finanzsenators Sarrazin. Bei Boss trug er Boss, bei Joop Strellson und bei der Premium einen Schal von Dolce&Gabbana. Am wohlsten, sagt er, fühle er sich in alten Jeans. Der Mann, der mit dem Motto zur Krise ("Arm aber sexy") eine Bürgermeisterwahl gewann, mahnt zur Ruhe in unruhigen Zeiten: "Kein Grund, einen auf Depression zu machen." Er spricht aus, was andere nicht sagen: "Natürlich ist Berlin nicht Paris oder Mailand, man kann die deutsche Filmproduktion auch nicht mit Hollywood vergleichen." Gut sei man dennoch. Sagt es und packt die Koffer für Barcelona. Barcelona? Mit Mode habe das nichts zu tun. Er weihe da einen Willy-Brandt-Platz ein.

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Die Unerhörten

Am meisten geredet wurde über: 1.Bernhard Willhelm. 2. Michael Michalsky. 3. Kaviar Gauche. Willhelm, in Antwerpen groß geworden und heute wohnhaft in Paris, zeigte in Berlin seine Herrenkollektion, die von den Winterspielen in Innsbruck 1976 inspiriert ist. Skihosen in Raschelnylon, Trainingsanzüge aus Polyester, Ringelstulpen. "Diesmal habe ich auf Tragbarkeit geachtet", sagt Willhelm, der sonst mit vogelwilden Designs die Frage provoziert: Wer soll das tragen? Björk etwa, die ist seit Jahren Fan. Presslufthammer Michael Michalsky zeigte seine Kollektion "Heilige und Sünder" in der Zionskirche. Die Gäste sahen aus Kirchenbänken Seidenroben in Kirchenfenster-Optik, Anzüge mit Priesterhemden und vom Designer vorgeführt eine Lederjacke, auf der stand: "Jesus loves me". Ins Kuriositätenkabinett wird Kaviar Gauche eingehen. Die Berliner ließen blasse Mädchen mit nicht viel mehr angetan als Elfenhaar Taschen in Lamellenform tragen. Die Kollektion sei nicht rechtzeitig fertig geworden, sagt einer frech. Rolf Zacher fragt: "Taschen? Welche Taschen?"

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Die Vollversammlung

Kriegt man im fashion tent den Lagerkoller, fährt man zur Premium. Die stilbildende Fachmesse setzt mehr auf Business denn Glamour. Wird man auf der Fashion Week gefragt "Von welchem Sender sind Sie?", trifft man bei der Premium coole Mädchen, die wissen wollen: "Und wo ist Dein Shop?" Wo es so ernsthaft zugeht, darf ein Symposium nicht fehlen. Das heißt "Überdenim" und ist so etwas wie die Uno-Vollversammlung der Jeanser. Vor einer Fototapete mit Folianten sitzen internationale Experten und sprechen über Passformen. Das Auditorium hört über Kopfhörer, was Simultanübersetzer ihnen einflüstern. Elio Fiorucci, 73, der in den 60ern die Stretchjeans erfunden hat, hebt die Stimme und sagt, dass die Jeans gelebte Demokratie sei - jeder trage sie, selbst in Entwicklungsländern. Applaus brandet auf, als hätte Ban Ki Moon ewigen Frieden im Nahen Osten verkündet.

Foto: Reuters

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Die Promis

Die erste Reihe am Catwalk ist kriegsentscheidend, die zweite bedeutet den gesellschaftlichen Tod. Gut, dass die Promidichte nicht so hoch war, dass es Platzprobleme gab. Den einzigen glamourösen Höhepunkt gab es zum Start: Bei Boss zeigte sich Milla Jovovich im Flatterkleid mit rotem Knautschgürtel, David Coulthard sagte jedem, dass Berlin "great" ist und Schauspieler Emile Hirsch, für acht Oscars ("Milk") nominiert, konnte weiblichen Fans nur zulächeln - Freundin Brianna Domont schirmte ihn ab. Beim Plausch auf den Aftershowpartys erfuhr man viel über prominente Kleiderschränke: Heike Makatsch findet Mode für sich "zweitrangig", Jan-Josef Liefers erachtet "sich zu klein, um sich Pullis in die Hosen zu stecken" und Hannelore Elsner teilt mit Eva Padberg die Vorliebe für Krägen aus Christbaumkugeln. Die größte Fotografentraube lockte Boris Becker an, der Händchen mit Freundin Lilly Kerssenberg hielt, die über die zweite Saison mit ihm sagt: "Es sollte wohl so sein."

Foto: Reuters (SZ vom 2.2.2009)

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