Familientrio:Was tun, wenn mein Kind in der fünften Klasse noch in die Hose macht?

Der Sohn schafft es oft nicht aufs Schulklo. Wie verhindert man, dass er ausgegrenzt wird? Drei Experten geben Rat.

Die Frage

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(Foto: Catherina Hess)

Mein Sohn ist in der 5. Klasse und hat seit jeher Probleme mit dem Zur-Toilette-Gehen. Es ist schon besser geworden, aber manchmal nässt er sich ein, weil er nicht auf das Schulklo will oder es nicht merkt. Ich schäme mich sehr für ihn und fürchte, dass er ausgegrenzt wird. Der Arzt kann keine körperliche Ursache finden. War es falsch von uns zu hoffen, dass sich das Problem auswächst? Katarina U., Freising Haben Sie auch eine Frage? Schreiben Sie eine E-Mail an: familientrio@sueddeutsche.de

Kirsten Boie

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(Foto: Christian Charisius/dpa)

Sich in diesem Alter öffentlich und am Tag einzunässen, ist tatsächlich ungewöhnlich, und Sie haben recht: Das wird ihm Probleme bereiten. Wenn es keine körperlichen Ursachen gibt, existieren vermutlich psychische: Haben Sie auch Psychologen aufgesucht? Das hat Ihr Arzt doch sicher empfohlen? Oft zögern Eltern, weil sie befürchten, dann selbst als Ursache der Probleme enttarnt zu werden: Aber das ist schon lange nicht mehr unbedingt so. Psychologen wissen, dass Kinder in einer komplexeren Welt leben als nur der Familie! Hat Ihr Sohn weitere Probleme, etwa in der Schule? Oder ADHS? All das könnte eine Rolle spielen. Die Hoffnung, dass sich das Problem auswächst, sollten Sie auf keinen Fall aufgeben - das wird es! Aber jetzt braucht er Hilfe und die sollten Sie für ihn suchen. Kirsten Boie ist Schriftstellerin und Autorin von mehr als hundert Kinder- und Jugendbüchern, darunter die allseits bekannten und geliebten Geschichten "aus dem Möwenweg" oder die Abenteuer des kleinen "Ritter Trenk".

Jesper Juul

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(Foto: Anne Kring)

Es war nicht falsch, aber es hat sich gezeigt, dass Ihr Plan zu optimistisch war. Zunächst sollten Sie Ihren Sohn in jede neue Strategie, die Sie haben, einweihen. Probieren Sie die jeweils vier bis sechs Wochen aus und gehen Sie dann zur nächsten über. Ich schätze, dass Sie bisher vermieden haben, sich aktiv und empathisch einzumischen. Jetzt ist jedenfalls die Zeit gekommen, damit anzufangen. Sprechen Sie zunächst als Eltern darüber, was emotional hinter seiner Inkontinenz stecken könnte oder steckt. Vergessen Sie nicht, auch darüber nachzudenken, wie es Ihnen beiden zu der Zeit ging, als Sie von ihm verlangten, sich selbst zu kontrollieren. Nachdem Sie Ihre Strategien ausprobiert haben, könnte es sinnvoll sein, einen erfahrenen Familientherapeuten einzuweihen. Aber am wichtigsten ist, Ihren Sohn nun von Anfang an in Ihre Gespräche zu diesem Thema einzubinden. So wird er verstehen, dass nur er sein Problem lösen kann. Kein Erwachsener kann das für ihn übernehmen, sie können ihn lediglich dabei unterstützen. Ihnen sollte klar sein, dass die Welt voll ist mit physiologischen wie psychologischen Theorien zu diesem Problem. Suchen Sie den Weg, der zu Ihnen passt, und geben Sie die Verantwortung nie an jemand anderen ab. Jesper Juul ist Familientherapeut in Dänemark und Autor zahlreicher internatio- naler Bestseller zum Thema Erziehung und Familie.

Collien Ulmen-Fernandes

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(Foto: Anatol Kotte)

Es war richtig, auf eine Normalisierung zu hoffen und nicht in Aktionismus zu verfallen. Ihr Sohn tut mir leid, und Sie sind in einer fordernden Situation. Ihre Angst, dass er in der Schule ein Problem bekommt, ist, denke ich, leider berechtigt. Ich erinnere mich an solche Situationen und auch, dass leider kaum ein Schüler diskret und umsichtig damit umgegangen ist. Ich frage mich nur: Wer ist "der Arzt" und welche Untersuchungen wurden durchgeführt? Und: Wenn es keine körperliche Ursache hat, haben Sie sich schon mit einem Experten auf die Suche nach einer psychischen Ursache gemacht? Angesichts des Leidensdrucks, unter dem Ihr Kind steht, und der sicher nicht kleiner wird, je älter es wird, würde ich jetzt mit vielen Ärzten sprechen und auf keinen Fall aufgeben. Und was den Umgang mit Ihrem Sohn angeht, bin ich sicher: Je mehr Bestätigung, Trost und Liebe er bekommt, umso besser ist er für die Situation gewappnet. Collien Ulmen-Fernandes ist Schauspielerin, Model und Moderatorin. Die Mutter einer Tochter hat mehrfach Texte zum Thema Elternsein veröffentlicht, 2014 erschien von ihr das Buch "Ich bin dann mal Mama". "Sie haben auch eine Frage? Schreiben Sie an familientrio@sueddeutsche.de" einfügen

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