Familientrio:Dürfen wir uns in die Erziehung unserer Patenkinder einmischen?

Einem kinderlosen Paar fällt auf, dass befreundete Eltern Ängste auf ihre Kinder übertragen. Sollten sie darauf aufmerksam machen? Unsere Erziehungsexperten antworten.

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Quelle: imago/Westend61

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Timo L. aus Landau fragt:

Als kinderloses Paar fahren wir oft mit einer befreundeten Familie in den Urlaub. Dabei ist uns aufgefallen, wie stark die Eltern Ängste auf die Kinder (7, 10) übertragen, die unsere Patenkinder sind. Machen wir einen Spaziergang, fragt der Vater, ob sie schon Seitenstechen haben. Wenn wir kochen, sagt die Mutter, die Kinder würden das eh nicht mögen und bereitet etwas Eigenes vor. Dürfen wir uns einmischen?

Haben Sie auch eine Frage? Schreiben Sie eine E-Mail an: familientrio@sueddeutsche.de.​​​

Kirsten Fuchs

Quelle: Stefanie Fiebrig

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Kirsten Fuchs

Nur zu, mischen Sie sich ein. Dann können Ihre Freunde ja irgendwas antworten, und sie antworten auch was, und dann können Sie sich unterhalten. Immer noch besser, als sich nicht zu unterhalten. Eltern übertragen ihre Ängste auf Kinder? Aber hallo machen die das. Sogar wenn es nur unbewusst passiert. Eltern nehmen ihre Kinder sehr intensiv wahr und wollen alles richtig machen. Sie sagen "Paul mag keine Gurken und kann nicht Skateboard fahren" anstatt "Paul mag Gurken nicht, wie ich sie zubereite, und lernt vielleicht noch Skateboard fahren". Eltern denken vielleicht die Zukunft ihrer Kinder nicht immer mit, weil sie die Kinder durch die Gegenwart bekommen müssen. Und in der Gegenwart ist es wichtig, dass die Kinder gut versorgt und sicher sind, also kein Seitenstechen haben und nicht vom Baum fallen. Ich denke, dass Außenstehende Kinder manchmal anders sehen und dass Kinder davon profitieren. Wenn es Ihre Freunde sind, können Sie bestimmt Ihre Meinung sagen. Besser, als dass man spürt, dass irgendein Unbehagen da ist, und es wird nicht gesprochen. Oder man spricht nur vor anderen über sie. Ach so, dann wäre man ja gar nicht befreundet. Sind aber einige Leute trotzdem. Gerade beim Erziehen wird sich schlimm das Maul zerrissen. Also mit ihnen reden, nicht über sie.

Kirsten Fuchs ist Schriftstellerin und lebt mit Tochter, Mann und Hund in Berlin. Sie schreibt vor allem Kurzgeschichten und Romane, aber auch Theaterstücke sowie Kinder- und Jugendbücher. Ihr Buch "Mädchenmeute" erhielt 2016 den Deutschen Jugendliteraturpreis.

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Quelle: Anne Kring

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Jesper Juul

Ich bin mir nicht sicher, ob ich ein Einmischen empfehlen würde. Den Eltern geht es, wie den meisten Eltern: Sie sind sich des Unterschieds zwischen sich selbst und ihren Kindern nicht bewusst, oder dieser Unterschied interessiert sie nicht. Meine Empfehlung wäre, dass Sie entweder genau das tun, was die Eltern auch immer tun. Oder Sie fragen die Kinder, was sie gerne hätten. Dann halten Sie sich daran und sagen den Kindern auch, dass Ihnen ihr Input wichtig ist. Später können Sie den Kindern noch einen pädagogischen Hinweis geben, indem Sie sagen: "Ich denke, ihr seid beide alt genug, um für euch selbst zu entscheiden. Bei mir könnt ihr das üben."

Jesper Juul ist Vater, zweifacher Großvater und Familientherapeut in Dänemark. Er hat zahlreiche Erziehungsratgeber geschrieben, darunter den in 14 Sprachen übersetzten Bestseller "Dein kompetentes Kind".

Collien Ulmen-Fernandez

Quelle: Anatol Kotte

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Collien Ulmen-Fernandez

Kenn ich. Unter uns: Mein Mann ist genauso. Ich glaube, hier geht es gar nicht so sehr um die Ängste der Kinder, sondern vielmehr um die Ängste vor den Kindern. Angst vor dem Terror der Kinder, die Chicken Nuggets wollen, aber Hirsebratlinge bekommen. Angst vor dem Heulen der Kinder, die wandern gehen sollen. Auf mich wirkt es so, als agierten ihre Freunde in vorauseilendem Gehorsam, um nicht Opfer eines innerfamiliären Mini-Terrorismus zu werden. Sie handeln so, weil sie Abstraf-Aktionen durch die Kinder fürchten. Wenn diesen Failed-State-Eltern geholfen werden kann, indem Sie sich mal rumpelnd und mit gesundem Menschenverstand einmischen, dann tun Sie das. Sie könnten zum Beispiel darauf bestehen, dass Ihre Patenkinder das Abendessen zumindest probieren, und sie darauf hinweisen, dass Sie sich damit auch Mühe und Arbeit gemacht haben. Sie haben ja den Vorteil, nicht mit den Konsequenzen leben zu müssen. Intervenieren Sie also gerne mal im Krisengebiet. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass das hilft.

Collien Ulmen-Fernandes ist Schauspielerin und Moderatorin. Die Mutter einer Tochter hat mehrfach Texte zum Thema Elternsein veröffentlicht, 2014 erschien von ihr das Buch "Ich bin dann mal Mama".

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Quelle: SZ

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Weitere Leserfragen und Expertenantworten finden Sie auf unserer "Familientrio"-Übersichtsseite.

© SZ vom 20.01.2018/lot
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