Familientrio:Sollten Kinder an einer Beerdigung teilnehmen?

Trauerfeier für toten Säugling

Ein Mädchen legt während einer Beerdigung eine Blume auf ein Grab.

(Foto: Ole Spata/dpa)

Die Mutter eines Kindes aus dem Kindergarten ist gestorben. Ist es richtig, Eltern darum zu bitten, ihre Kinder auf die Beerdigung zu schicken?

Leser Peter T. aus Rosenheim fragt:

Die Mutter eines Kindes aus dem Kindergarten ist gestorben. Die Familie wünscht sich, dass viele seiner Freunde zur Beerdigung kommen. Das führte zu einer großen Diskussion unter den Eltern, viele wollten nicht, dass ihr Kind mit so etwas Traurigem direkt konfrontiert wird. Ist es richtig, Eltern darum zu bitten, ihre Kinder auf eine Beerdigung zu schicken?

Drei Experten antworten:

Kirsten Boie: Kleine Kinder reagieren ganz unterschiedlich

Ob es nun richtig ist oder nicht, weiß ich nicht. Es hat wenig Sinn, das Verhalten von Menschen in einer derartigen Schocksituation zu beurteilen. Aber ob die Eltern dem Wunsch entsprechen wollen, können sie nur jeweils für ihr Kind selbst entscheiden. Kleine Kinder reagieren ganz unterschiedlich: Für manche ist die vollkommen fremde Situation vielleicht hauptsächlich spannend; andere sind verschreckt, weil sie sich konkret vorstellen, dass im Sarg die Frau liegt, die sie gekannt haben. Manche Kinder finden so ein Abschiedsritual aber auch tröstlich, wenn sie es mit ihren Eltern gemeinsam erleben.

Ein bisschen hängt das vielleicht auch davon ab, was man dem Kind darüber erzählt hat, wo die Mutter des Freundes jetzt ist, und was Tod bedeutet; das ist für sie ja noch nicht vorstellbar. Das Begreifen, dass Tod "für immer" bedeutet, entsteht erst allmählich.

Ob die Anwesenheit der anderen Kinder dem verwaisten Kind tatsächlich hilft (das steckt ja sicher hinter der Bitte der Familie), weiß ich nicht. In dieser Beerdigungssituation wird das Kind vermutlich eher die Nähe seines Vaters, der Großeltern etc. suchen. Wenn Sie fürchten, Ihr Sohn könnte - in Ihrer Begleitung - die Beerdigung nicht verkraften, müssen Sie also kein schlechtes Gewissen haben.

Kirsten Boie

Kirsten Boie

(Foto: Christian Charisius/dpa)

Kirsten Boie ist Schriftstellerin und Autorin von mehr als hundert Kinder- und Jugendbüchern, darunter die allseits bekannten und geliebten Geschichten "aus dem Möwenweg" oder die Abenteuer des kleinen "Ritter Trenk".

"Traurigkeit ist für kleine Kinder nicht gefährlich"

Jesper Juul:

Ich halte das für ein wertvolles Geschenk, für Kinder und Eltern, denn dadurch haben sie nun die Gelegenheit, einige interessante und inspirierende Gespräche mit ihren Kindern zu führen. Traurigkeit ist für kleine Kinder nicht gefährlich. Wie alle Gefühle bereichern sie ihr Leben und ihr Selbstwertgefühl.

Jesper Juul ist Familientherapeut in Dänemark und Autor zahlreicher internationaler Bestseller zum Thema Erziehung und Familie.

Familientrio: Jesper Juul ist Vater, zweifacher Großvater und Familientherapeut in Dänemark. Er hat zahlreiche Erziehungsratgeber geschrieben, darunter den in 14 Sprachen übersetzten Bestseller "Dein kompetentes Kind".

Jesper Juul ist Vater, zweifacher Großvater und Familientherapeut in Dänemark. Er hat zahlreiche Erziehungsratgeber geschrieben, darunter den in 14 Sprachen übersetzten Bestseller "Dein kompetentes Kind".

(Foto: Anne Kring)

"Jemanden zu einer Beerdigung 'zu schicken' ergibt keinen Sinn"

Katia Saalfrank:

Immer wieder erlebe ich, dass Eltern beim Thema Tod von nahen Angehörigen und wichtigen Bezugspersonen ihren Kindern, aus Angst sie zu überfordern, wichtige Prozesse und Erfahrungen lieber vorenthalten. Eltern wollen Kindern die Atmosphäre und die Traurigkeit nicht zumuten, und so dürfen sie an diesem so wichtigen Prozess des Abschiednehmens oft nicht teilnehmen.

Kinder können grundsätzlich gut und viel besser, als wir Erwachsene denken, mit Trauer umgehen. Ich bin auch der Meinung, dass es wichtig ist, sie diesen Prozess in ihrem Tempo machen zu lassen. Sie haben dabei in der Regel einen natürlichen Umgang. Wird es ihnen zu viel, wenden sie sich ab und tauchen in die ihnen vertraute Welt des Spielens ein.

Zu Ihrer Frage: Ich habe nicht ganz verstanden, mit welchem Ziel die Freunde bei der Beerdigung der Mutter dabei sein sollen. Ich nehme an, dass die Kinder mit der Mutter keine enge Bezugsperson verloren haben, sodass es hier nicht um den Trauerprozess der Kinder geht, sondern um den des Jungen.

Jemanden zu einer Beerdigung "zu schicken", ergibt sicher keinen Sinn, und so verstehe ich den Wunsch der trauernden Familie auch nicht. Je nachdem wie eng jedoch die Elternschaft in ihrem Kindergarten ist, kann es eine wertschätzende Geste sein, dass Kindergarten-Eltern zur Beerdigung gehen. Ob sie ihre Kinder mitnehmen oder nicht, sollte jedem selbst überlassen sein.

Katia Saalfrank
(Foto: picture alliance / dpa)

Katia Saalfrank ist Pädagogin, Musiktherapeutin und wurde als Fachberaterin in der Sendung "Die Super Nanny" bekannt. Heute arbeitet sie in ihrer eigenen Praxis in der Eltern- und Familienberatung.

Haben Sie auch eine Frage? Schreiben Sie eine E-Mail an: familientrio@sueddeutsche.de

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