Meine Tochter hat mich einmal erwischt, als ich abends Schokolade aß. Seitdem sagt sie, dass sie sich aufs Erwachsenwerden freut, weil man nachts Schokolade essen kann. Ihr Sohn trifft also ohne Aufsichtsperson auf einen Zuckerdealer, so wie er später auf andere Verführungen treffen wird, ohne dass Sie dabei sind? Ich finde es superblöd, Zucker zu verschenken, genauso wie ich mich über Werbung und alle Kapitalismustricks ärgere. Für mich gehört es zur Erziehung, das Kindern beizubringen: Nimm dich in Acht vorm bösen Wolf, dem Straßenverkehr und Leuten, die wollen, dass du bei ihnen Geld ausgibst.
Mit der Drogerie können Sie trotzdem reden. Ich finde reden immer gut. Auch mit Ihrer Mutter können Sie reden. Dass Sie nämlich ihre Nichtsorge untertrieben finden. Zucker ist echt krasses Zeug. Ich bin da seit Jahren drauf. Und genau wie bei Alkohol ist es nicht schlecht angesehen, sich diesen Trost als Erwachsener einzuwerfen. Wie soll also ein Neunjähriger dem widerstehen? Aber später werden Sie nicht mit den Zigarettenverkäufern reden können, mit den Discobetreibern, mit den Mädchen und Jungen, die ihm das Herz brechen. Machen Sie ihn einfach so fit und klug, wie es nur geht. Das schafft der schon!
Kirsten Fuchs ist Schriftstellerin und lebt mit Tochter, Mann und Hund in Berlin. Sie schreibt vor allem Kinder- und Jugendbücher, außerdem Theaterstücke und Romane. Ihr bekanntestes Buch ist die "Mädchenmeute". Fuchs steigt als Nachfolgerin von Kirsten Boie neu in das Familientrio ein.