Familientrio:Ich bekomme ein Baby - aber ich finde Stillen gruselig

Neue Heimat Mutter stillt Baby

Nicht jede Frau möchte ihr Baby stillen. Doch wird das gesellschaftlich akzeptiert?

(Foto: Patrick Pleul/dpa)

Eine Schwangere befürchtet, dass man ihr im Krankenhaus das Kind an die Brust legen wird. Sie will aber auf keinen Fall stillen. Wie soll sie sich verhalten? Drei Experten geben Rat.

Leserin Eva K. aus München fragt:

Ich erwarte ein Baby und weiß schon, dass ich es nicht stillen mag. Ich wurde auch nicht gestillt, und die Vorstellung, dass da immer was an mir hängt, finde ich gruselig. In meinem Freundeskreis ernte ich dafür kein Verständnis. Einige versuchen, mir ein schlechtes Gewissen zu machen. Ich befürchte auch, dass man mir im Krankenhaus das Kind automatisch an die Brust legt. Was kann ich tun?

Drei Experten antworten:

Kirsten Boie: Machen Sie sich keine Gedanken!

Dass Ihre Freunde Ihnen ein schlechtes Gewissen machen wollen, finde ich schlimm. Aber ich bin sicher: Sie haben jetzt noch überhaupt keine Vorstellung davon, wie Ihre Gefühle gegenüber Ihrem Kind einmal sein werden. Ein Kind zu bekommen, bedeutet vermutlich den tiefsten emotionalen Einschnitt im Leben eines Menschen. Man empfindet Gefühle, von denen man nie geahnt hat, dass es sie gibt, und man verhält sich auf eine Weise, die man sich früher nicht hätte vorstellen können.

Es kann also sehr gut sein, dass beim ersten Blick auf Ihr Kind die Abneigung gegen das Stillen vollkommen verschwunden ist. Insofern könnte ich einfach sagen: Machen Sie sich keine Gedanken, warten Sie ab und bleiben Sie gelassen! (Was aber ja nicht klappen würde.) Allerdings bliebe die Frage, warum Sie diese starke und ungewöhnliche Abneigung empfinden (dass Sie selbst nicht gestillt wurden, erklärt es nämlich nicht) - gegen etwas, das sozusagen zu den lebenserhaltenden Verhaltensweisen des Menschen gehört. Vielleicht nehmen Sie mal eine Beratung in Anspruch oder gönnen sich sogar eine Therapie, bei der Sie sich selbst auf die Schliche kommen und nach der Sie dann nicht mehr in diesem Zweispalt stecken müssten?

Kirsten Boie

Kirsten Boie

(Foto: Christian Charisius/dpa)

Kirsten Boie ist Schriftstellerin und Autorin von mehr als hundert Kinder- und Jugendbüchern, darunter die allseits bekannten und geliebten Geschichten "aus dem Möwenweg" oder die Abenteuer des kleinen "Ritter Trenk".

Jesper Juul: Überdenken Sie Ihre Position noch einmal!

Ich wünsche Ihnen, dass Sie Ihre Position noch einmal überdenken, denn Sie haben sie komplett getrennt von der Beziehung zu Ihrem Kind getroffen, und das könnte Ihnen beiden einen problematischen Start miteinander bescheren. Abgesehen davon kann ich Ihnen nur sagen: Wann immer wir beschließen, unsere Leben anders als die anderen zu leben, riskieren wir soziale Isolation und Einsamkeit. Wir glauben zwar, dass unsere Familie und Freunde verständnisvoller, akzeptierender und rücksichtsvoller sind, aber meist zeigt sich, dass sie genauso fest an ihren Überzeugungen hängen wie wir selbst. Um sich treu zu bleiben, müssen Sie dem Krankenhaus sehr klar mitteilen, wie Sie sich entschieden haben, und brauchen Geduld, um sich anzuhören, was man Ihnen dort dazu aus professioneller Sicht zu sagen hat.

Jesper Juul ist Familientherapeut in Dänemark und Autor zahlreicher internationaler Bestseller zum Thema Erziehung

Familientrio: Jesper Juul

Jesper Juul

(Foto: Anne Kring)

Collien Ulmen-Fernandes: Vielleicht Freundeskreis wechseln

Eine Frau, die sich weigert, ihrem Kind die dafür von Gott erschaffene Brust zu geben! Ich kann mir jetzt schon die Facebook-Kommentare zu Ihrer Frage vorstellen. Aber ich bin auf Ihrer Seite. Nicht, weil ich Ihre Ansicht teile, denn das tue ich nicht, sondern weil ich glaube, dass in dieser Welt Platz sein sollte für nicht-stillende Mütter. So wie für Transsexuelle, Eremiten, Veganer. Wir halten alle möglichen Ideologien aus, warum also nicht auch eine Mutter, die ihrem Baby vollwertige Ersatznahrung im Fläschchen geben will?

Ich kenne Ihre Freunde nicht, aber ich gehe davon aus, dass es sich um gut erzogene, tolerante Mitteleuropäer handelt, die für Flüchtlinge spenden und die Homo-Ehe in Ordnung finden. Es sollte ihnen möglich sein, Ihnen als Nicht-Stillerin ebenfalls Toleranz entgegenzubringen und Ihnen nicht gleich jedes Muttertalent abzusprechen. Falls das aber alles intolerante Fundamentalisten sind, lautet meine Empfehlung: Freundeskreis wechseln.

Familientrio: Collien Ulmen-Fernandes

Collien Ulmen-Fernandes

(Foto: Anatol Kotte)

Collien Ulmen-Fernandes ist Schauspielerin, Model und Moderatorin. Die Mutter einer kleinen Tochter hat bereits mehrfach Texte zum Thema Elternsein veröffentlicht, 2014 erschien von ihr das Buch "Ich bin dann mal Mama".

Haben Sie auch eine Frage? Schreiben Sie eine E-Mail an: familientrio@sueddeutsche.de

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