Familientrio:Ist unsere zwölfjährige Tochter zu kindlich?

Das Mädchen spielt am liebsten mit ihrem dreijährigen Bruder Kinderkram. Wie können Eltern den Nachwuchs dabei unterstützen, sich mehr zuzutrauen? Drei Experten geben Rat.

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Die Frage

Kita-Tarifkonflikt

Quelle: dpa

Unsere zwölfjährige Tochter ist keine Granate in der Schule. Sie ist zwar kreativ, aber auch da traut sie ihren eigenen Ideen oft nicht. Am liebsten spielt sie mit ihrem dreijährigen Bruder Kinderkram. Sie scheint sich dabei wohlzufühlen. Aber muss sie nicht endlich ein Stück erwachsener werden? Wie können wir sie dabei unterstützen? - Claudia C., Hamburg

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Kirsten Boie

Kirsten Boie

Quelle: Christian Charisius/dpa

Wenn Ihre Tochter deswegen keine Probleme mit Klassenkameradinnen und anderen Gleichaltrigen hat (aber davon schreiben Sie nichts), dann freuen Sie sich doch eher! Kinder und Jugendliche entwickeln sich psychisch und sozial in ganz unterschiedlichem Tempo, auch da spielen nicht zuletzt die Hormone eine Rolle: Der Eintritt in die Pubertät kann bis zu sieben Jahre auseinanderklaffen, wenn es zwischen 9 und 17 Jahren passiert, ist alles in Ordnung! Mit der Kindheit ist es ein bisschen wie mit den Bäumen: Diejenigen, die langsam wachsen, haben später oft das härteste Holz. Eine lange Kindheit bedeutet, dass in der Entwicklung nichts übersprungen werden muss. Freuen Sie sich, dass Ihre Tochter so lange ihre Kindheit genießen kann. In die Pubertät kommt sie schon noch ganz von alleine, und erwachsen ist sie danach auch lange genug!

Kirsten Boie ist Schriftstellerin und Autorin von mehr als hundert Kinder- und Jugend- büchern, darunter die allseits bekannten und geliebten Geschichten "aus dem Möwenweg" oder die Abenteuer des kleinen "Ritter Trenk".

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Jesper Juul

Jesper Juul

Quelle: Anne Kring

Es scheint an der Zeit zu sein, die Entwicklung ihres Selbstgefühls aktiver und gemeinsam mit ihr zu unterstützen. Ihr Selbstvertrauen hatte noch nicht so viele Gelegenheiten, sich zu entwickeln - vermutlich liegt es an der Schule, auf die sie geht? Denn ansonsten wäre sie in ihrer Kreativität längst viel weiter. Damit kreative Köpfe ihre Kreativität auch ausleben können, sollten sie wissen, wer sie sind, und viele Möglichkeiten bekommen, herauszufinden, wie sich das anfühlt. Die Tatsache, dass es ihr am besten mit einem viel jüngeren Kind geht, ist ein Zeichen dafür, dass sich ihr kreatives Talent noch nicht über das reine Spielen hinaus entwickelt hat. Ich vermute, dass Sie Ihre Tochter sehr vorsichtig und liebevoll darin bestärkt haben, so zu sein, wie sie ist, und ihr daher nicht die Herausforderungen und die Führung gegeben haben, die alle Kinder brauchen. Sollte ich richtig liegen, sagen Sie ihr das und beginnen damit.

Jesper Juul ist Familientherapeut in Dänemark und Autor zahlreicher internatio- naler Bestseller zum Thema Erziehung und Familie.

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Collien Ulmen-Fernandes

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Quelle: Anatol Kotte

Wie gerne würde auch ich mich mit solch kindlichen Inhalten beschäftigen, deswegen muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen: Ihre Tochter ist mir hochgradig sympathisch. Mit zwölf Jahren behält sie es sich vor, noch nicht am allgemeinen Rattenrennen teilzunehmen, sondern sich um ihren Bruder zu kümmern. Was glauben Sie, wie viele Eltern sich eine solche empathische große Schwester für ihre Kinder wünschen? Wie viele Eltern viel Geld ausgeben und Kunststudentinnen dafür bezahlen, dass sie ihre Kleinen mit halbwegs authentischer Spielfreude beschäftigen? Dabei kann kein Babysitter dieser Welt so toll sein wie eine zwölfjährige Schwester, die leidenschaftlich gern mit ihrem kleinen Bruder spielt! Welch ein Luxus für den Dreijährigen! Genießen Sie doch diesen familiären Zusammenhalt, solange es ihn noch gibt, bevor Ihre Tochter, ausschließlich auf ihr Handy starrend, mit einem Köfferchen voller Lidschatten und einem fürchterlichen "Boyfriend" im Arm aus Ihrem Haus entschwindet (und sich für ihren kleinen Bruder sehr wenig bis gar nicht mehr interessiert).

Collien Ulmen-Fernandes ist Schauspielerin, Model und Moderatorin. Die Mutter einer Tochter hat mehrfach Texte zum Thema Elternsein veröffentlicht, 2014 erschien von ihr das Buch "Ich bin dann mal Mama".

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© SZ vom 27.05.2017/vbol
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