Familientrio:In Sachen "Arschloch-Papa"

Eine Großmutter ist besorgt ob der Aggressivität und Fäkalsprache ihres Enkels. Beschwert sie sich zu Recht? Unsere Erziehungsexperten antworten.

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Quelle: SZ

Irmtraut G. aus dem Landkreis Verden fragt:

Beim Besuch unserer Enkel (2, 6, und 7 Jahre alt) hat der Mittlere gezielt eine von uns geschenkte Pflanze mit einem Ball beworfen und fast zerstört. Als ich ihn dafür kritisierte, reagierte er aggressiv und beschimpfte mich als dumme alte Frau. Seinen Vater nennt er manchmal "Arschloch-Papa". Wir sind beunruhigt. Machen wir aus einer Mücke einen Elefanten?

Haben Sie auch eine Frage? Schreiben Sie eine E-Mail an: familientrio@sueddeutsche.de.​​​

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Kirsten Fuchs

Kirsten Fuchs

Quelle: Stefanie Fiebrig

Kinder sind nicht mehr, was sie mal waren und Eltern auch nicht: Wie es aussieht, haben Ihre eigenen Kinder als Kinder solch ein Verhalten nicht gezeigt. Lustig, früher waren die Großeltern die, die gesagt haben, "nun seid doch mal nicht so streng, entspannt euch doch mal. Wir würden heute alles anders machen..." Und dann konnten sie so richtige Verwöhn-Omis und Verwöhn-Opis sein. Heute sagen Großeltern häufiger mal: "Seid doch mal strenger, das gab's damals nicht!" Kann man finden, wie man will, es geht vom Irgendwie-Finden sowieso nicht weg. Zumindest für Ihr Haus gelten Ihre Regeln. Das können Sie den Kindern doch klar sagen: Da wird nichts zerstört und nicht geflucht! Zack! Außerdem besteht die Frage, warum der Mittlere sich so verhält. Vielleicht ist da irgendein Frust, ein Bedarf ...?

Kirsten Fuchs ist Schriftstellerin und lebt mit Tochter, Mann und Hund in Berlin. Sie schreibt vor allem Kurzgeschichten und Romane, aber auch Theaterstücke sowie Kinder- und Jugendbücher. Ihr Buch "Mädchenmeute" erhielt 2016 den Deutschen Jugendliteraturpreis.

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Jesper Juul

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Quelle: Anne Kring

Kinder zeigen solche Reaktionen häufig, wenn auch die Erwachsene viel schimpfen ("Du bist schuld, ungezogen, frech, taub") und damit Kinder für etwas verantwortlich machen, statt die Verantwortung zu teilen. Letzteres könnte so gehen: "Wenn du solche Sachen machst, weiß ich, dass du wütend auf mich bist. Bitte sag mir, was ich falsch mache."

Kinder kopieren ihre wichtigsten Erwachsenen, und selbst wenn die Erwachsenen ihre Worte mit Bedacht wählen: Ihre Augen und Gesichter verraten ihre Gefühle. Darum wird auch das Kind sofort aufhören, die Erwachsenen zu beschimpfen, wenn diese ihr Verhalten und ihre Sprache ändern. Es geht dabei nicht darum, nett oder weich zu sein. Es geht darum, dass Sie Ihre Grenzen in einer respektvollen Art klarmachen, und den Kindern so den Wert von zwischenmenschlichem Respekt beibringen.

Jesper Juul ist Vater, zweifacher Großvater und Familientherapeut in Dänemark. Er hat zahlreiche Erziehungsratgeber geschrieben, darunter den in 14 Sprachen übersetzten Bestseller "Dein kompetentes Kind".

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Collien Ulmen-Fernandez

Collien Ulmen-Fernandez

Quelle: Anatol Kotte

Nein, das klingt nicht nett. Gezielter Bewurf einer geschenkten Pflanze gehört sich nicht, klar. Mich würde interessieren, ob der Bewurf vielleicht Teil eines Spiels war? Vielleicht war der Ball in dem Moment eine Kanonenkugel, die Pflanze ein menschenfressendes Ungeheuer? Im Alter von sechs Jahren lauern ja überall Diebe, Kämpfer und Krieger. Vielleicht sollten Sie die Welt Ihres Enkels ein bisschen besser kennenlernen. Wenn er Sie ganz bewusst verletzen wollte, Ihr Geschenk niedermachen, könnten Sie ihn fragen, ob er beleidigt oder sauer ist, ob er Sie vielleicht gerade als Ritter oder Drachen wahrnimmt, oder ob ihm vielleicht einfach nicht bewusst ist, wie wichtig der Respekt für ein mitgebrachtes Geschenk in unserem Kulturkreis ist.

Und auch was den Arschloch-Vater angeht, hilft eventuell eine Nachfrage: Wie kommst du auf diese Bezeichnung? Warum, kleiner Freund, schmähst du deinen Vater so? Gibt es jemanden, bei dem du das so gehört hast? Hat dich vielleicht selbst jemand so genannt? Vor der Beunruhigung sollte die Auseinandersetzung mit dem Problem stehen. Wahrscheinlich ist Ihr Enkelsohn unterwegs in einer komplizierten, für uns beide nur begrenzt verständlichen, aber immer auch erklärbaren Welt. Ich würde die Frage wagen. Wenn er trotzdem weiterpöbelt, können Sie ihn immer noch enterben.

Collien Ulmen-Fernandes ist Schauspielerin und Moderatorin. Die Mutter einer Tochter hat mehrfach Texte zum Thema Elternsein veröffentlicht, 2014 erschien von ihr das Buch "Ich bin dann mal Mama".

© SZ vom 20.01.2018/feko
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