Familientrio:Darf ich meinem Kind Kleidervorschriften machen?

Eine Mutter leidet, weil ihr zehnjähriger Sohn seit einiger Zeit nur noch Neonfarben trägt. Darf sie ihm reinreden? Wenigstens, wenn sie gemeinsam unterwegs sind? Drei Experten antworten.

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Modehandel

Quelle: dpa

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Sandra S. aus München fragt:

Mein zehnjähriger Sohn trägt seit einiger nur Zeit nur noch Neonfarben. Ich weiß, dass es sein Körper ist, und mir ist es eigentlich auch egal, wie er rumläuft, wenn ich nicht dabei bin. Aber: Wenn ich dabei bin, halte ich den Modestil meines Sohnes einfach nicht mehr aus! Was darf ich tun?

Haben Sie auch eine Frage? Schreiben Sie eine E-Mail an: familientrio@sueddeutsche.de​

Kirsten Fuchs; kirsten fuchs

Quelle: Stefanie Fiebrig

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Sie dürfen sich vor allem entspannen. Er geht seinen eigenen Weg und hat seinen eigenen Geschmack. Er löst sich nach und nach von den Eltern ab, um ein richtiger Mensch zu werden, lebensfähig und eigenwillig, mit Geschmack (egal, ob gut oder nicht). Und ich bin mir sicher, Sie tun auch etwas, das ihn stört, wenn Sie zusammen unterwegs sind. Vielleicht merken Sie es auch gar nicht.

Manchmal passen Eltern und Kinder gar nicht so gut zusammen, wie sich das alle wünschen und vorstellen. Manchmal wäre es schön, der Mensch hätte ein Federkleid und würde es exakt so an den Nachwuchs vererben. Aber unser Nachwuchs sucht sich sein Federkleid selbst aus. Wenn die neonfarbenen Klamotten sauber sind, nicht zu kalt und nicht sinnlos teuer, würde ich gar nichts machen, außer ihn "mein Glühwürmchen" zu nennen, wenn er so strahlend bekleidet ist. Genießen Sie die Zeit, vielleicht sieht er in fünf Jahren viel schlimmer aus.

Kirsten Fuchs ist Schriftstellerin und lebt mit Tochter, Mann und Hund in Berlin. Sie schreibt Kurzgeschichten und Romane, aber auch Theaterstücke und Kinder- und Jugendbücher. Ihr Buch "Mädchenmeute" erhielt den Deutschen Jugendliteraturpreis.

Jesper Juul

Quelle: Anne Kring

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Die wichtigste Frage, die ich mir in Ihrer Situation stellen würde, ist die gleiche, mit der meine Eltern schon konfrontiert waren, als ich darauf bestand, mir mein Haar wachsen zu lassen. Es ist die gleiche, die Eltern heute haben, wenn ihre Kinder sich Tattoos stechen oder piercen lassen: Ist das noch mein geliebter Sohn hinter all diesen schreienden Farben?

Wenn Sie fragen, wie Sie reagieren dürfen, dann schlage ich vor, dass Sie sich selbst ein paar Alternativen aufschreiben, und dann überlegen, mit welcher Sie am ehesten Ihr Ziel erreichen, wie Sie also sowohl seinen Modestil verändern, als auch Ihre Beziehung zu ihm stärken. Dabei gilt wie immer: Bitte, fragen Sie sich genau, warum ihm sein Aufzug so wichtig ist, und warum Sie sich davon so provoziert fühlen.

Jesper Juul ist Familientherapeut in Dänemark und Autor zahlreicher internatio- naler Bestseller zum Thema Erziehung und Familie.

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Quelle: Anatol Kotte

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Zunächst mal muss man sagen, Ihr Sohn ist nicht allein mit dem Neon-Ding: Der Fußballer Neymar macht das, und Lehrer, die in den Ferien zum Canyoning fahren. Sie alle tragen Neonfarben. Die können ganz unterschiedliche Botschaften transportieren, zum Beispiel: "Ich bin noch aktiv", oder "Ich möchte mich als Fußgänger im nächtlichen Verkehr kenntlich machen". Aber bei Ihrem Sohn tippe ich auf das klassisch jugendliche: "Guck mal, hier bin ich".

Generell finde ich ja Leute toll, die mit ihrem Style aus der Mehrheitsgesellschaft ausbrechen. Am sympathischsten ist mir immer der Grunge unter den Katholiken, der Dicke unter den Athleten und der Discounterkleidungs-Träger am Rosenthaler Platz in Berlin. Ich kenne Ihren Style zwar nicht, aber Sie stammen aus München, haben einen zehnjährigen Sohn und lesen die SZ. Ich tippe bei Ihrem Style auf eine gut dosierte Mischung von "Pep" und "Chic".

Damit sind Sie unter Müttern in München nicht allein. Im Gegenteil: Wenn Sie unterwegs sind, fallen Sie vermutlich nicht auf, anders als Ihr Sohn. Und damit hat er, wie ich finde, einen ersten, ungefährlichen Akt des Widerstands geleistet. Er hat Charakter bewiesen, indem er etwas trägt, das die Mehrheit für hässlich hält - und zwar mit Stolz. Glückwunsch!

Collien Ulmen-Fernandes ist Schauspielerin und Moderatorin. Die Mutter einer Tochter hat mehrfach Texte zum Thema Elternsein veröffentlicht, 2014 erschien von ihr das Buch "Ich bin dann mal Mama".

© SZ.de/bavo
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