Familientrio:Darf ich ein Lieblingskind haben?

Sorgerechtsregelung für unverheiratete Väter verfassungswidrig

Familientrio: Ein Vater steht einem Sohn näher als dem anderen.

(Foto: dpa)

Ein Vater liebt seine beiden Kinder, aber er steht dem jüngeren Sohn näher als dem älteren. Ist das schlimm? Experten antworten.

Leser Manuel F. aus Nürnberg fragt:

Ich habe zwei Kinder, die ich natürlich beide sehr liebe. Wenn ich aber ehrlich bin, komme ich mit dem jüngeren besser zurecht. Wir stehen uns einfach näher, vielleicht sind wir uns ähnlicher. Aber die Vorstellung, ein Lieblingskind zu haben, lässt mich manchmal an meiner Qualität als Vater zweifeln. Muss ich meine Rolle überdenken?

Drei Experten antworten:

Kirsten Boie

Kirsten Boie ist Schriftstellerin und Autorin von mehr als hundert Kinder- und Jugendbüchern, darunter die allseits bekannten und geliebten Geschichten "aus dem Möwenweg" oder die Abenteuer des kleinen "Ritter Trenk".

(Foto: Christian Charisius/dpa)

Kirsten Boie: Liebe lässt sich nicht quantifizieren

Niemand liebt jemals zwei Menschen gleich. Wir alle lieben unterschiedliche Menschen unterschiedlich, das ginge gar nicht anders. Es hat auch nicht so sehr viel mit "mehr" oder "weniger" zu tun: Liebe lässt sich nicht quantifizieren. Sie selbst sagen, dass Ihnen der Jüngere ähnlicher ist - natürlich ist da zunächst die Verbundenheit einfacher. Sie finden ja immerzu sich selbst in Ihrem Kind. Außerdem entwickeln sich nicht alle Kinder gleichermaßen geradlinig: Mit dem einen gibt es (vielleicht auch mit der Umwelt) mehr Probleme als mit dem anderen, natürlich haben Sie dann auf eines Ihrer Kinder häufiger einen Zorn als auf das andere. Oder Sie machen sich größere Sorgen um eines der beiden. All das kann sich in den verschiedenen Entwicklungsstadien der Kinder auch noch ständig ändern. Darum: Lieben Sie Ihre Kinder, wie Sie sie lieben. Allein die Tatsache, dass Sie sich deswegen Sorgen machen, zeigt, dass auch Ihr älteres Kind bei Ihnen sicher nicht zu kurz kommt.

Jesper Juul: Genießen Sie Ihre besondere Beziehung

Jesper Juul

Jesper Juul ist Familientherapeut in Dänemark und Autor zahlreicher internationaler Bestseller zum Thema Erziehung und Familie.

(Foto: Anne Kring)

Die meisten Kinder haben eine besondere Beziehung zu einem ihrer beiden Eltern, und mit ein wenig Glück erkennt dies das Elternteil auch - so, wie das bei Ihnen der Fall ist. Diese Form der "intuitiven Beziehung" hat jedoch nichts mit emotionaler Liebe zu tun. Das Kind liebt beide Eltern und umgekehrt. Es handelt sich dabei um eine Art der Vertrautheit auf einem viel existenzielleren Level, die Sie zu einem wichtigen Vorbild für Ihren Jüngsten machen. Leider missverstehen dies andere oft als "Du liebst ihn oder sie mehr als mich", und eines Tages sollten Sie vielleicht Ihrem Ältesten erklären, wie es wirklich ist. Kritisieren Sie sich selbst nicht, sondern genießen Sie Ihre besondere Beziehung und die Liebe, die Sie für beide Kinder empfinden.

Katia Saalfrank: Eltern haben zu jedem Kind eine exklusive Beziehung

Katia Saalfrank

Katia Saalfrank ist Pädagogin, Musiktherapeutin und wurde als Fachberaterin in der Sendung "Die Super Nanny" bekannt. Heute arbeitet sie in ihrer eigenen Praxis in der Eltern- und Familienberatung.

(Foto: picture alliance / dpa)

Mir ist nicht ganz klar, auf was Sie Ihre Rolle als Vater überdenken wollen? Weil Sie sich als keinen "guten" Vater wahrnehmen, wenn Sie sich einem Ihrer Kinder näher und ähnlicher fühlen? Eltern haben zu jedem Kind eine andere und - wenn Sie so wollen - eine exklusive Bindung und Beziehung. So fühlen sich Eltern ihren Kindern mal mehr oder weniger nah, je nachdem, welche Wesenszüge und Eigenschaften sie in den Kindern wiedererkennen. Der eher zurückhaltende Vater erkennt sich selbst in der introvertierten Tochter wieder, der extrovertierte ältere Bruder ist ihm vom Wesen her deshalb etwas fremder. Dafür liebt der Sohn Lakritz - so wie der Vater! Seine Tochter jedoch mag Blumen sehr, damit kann der Vater wiederum gar nichts anfangen. So sind Eigenheiten, Charakterzüge und Interessen unterschiedlich und Eltern fühlen sich mal mehr und mal weniger zu dem einen oder anderen Kind hingezogen. Wichtig finde ich, dass Sie nie aufhören, sich für das zu interessieren, was die Kinder denken, fühlen und tun. Denn darum geht es. Sie haben es selbst gesagt: Sie lieben beide Kinder sehr. Dass Sie sich dem einen Kind näher fühlen, weil Sie sich in manchen Belangen ähnlicher sind, tut doch Ihrer grundsätzlichen Liebe zu dem anderen Kind keinen Abbruch, oder?

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