Familienpolitik:Pflegefamilien sollen mehr Rechte bekommen

Pflegekind in München, 2015

Mehr als 71 000 Pflegekinder leben in Deutschland.

(Foto: Catherina Hess)
  • Schon zu Beginn eines Pflegeverhältnisses soll künftig vereinbart werden, ob das Kind dauerhaft oder nur vorübergehend bei den Pflegeeltern leben soll.
  • Damit sollen Pflegekindern belastende Beziehungsabbrüche erspart werden.
  • Selbst wenn leibliche Eltern ihr Kind wieder selbst erziehen wollen, könnte es in der Pflegefamilie bleiben.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Mehr als 71 000 Pflegekinder leben in Deutschland, nun will die Bundesregierung ihnen klarere Zukunftsperspektiven schaffen. Anders als bisher sollen Gerichte den dauerhaften Verbleib eines Kindes in einer Pflegefamilie anordnen können, auch wenn die leiblichen Eltern nicht zustimmen. Um Pflegekindern belastende Beziehungsabbrüche zu ersparen, soll schon zu Beginn eines Pflegeverhältnisses vereinbart werden, ob das Kind dauerhaft oder nur verübergehend bei den Pflegeeltern leben soll.

Das sieht der "Gesetzentwurf zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen" vor, den das Kabinett am Mittwoch beschlossen hat. Das Gesetz regelt auch den Schutz von Frauen und Kindern in Flüchtlingsunterkünften, die Zusammenarbeit von Ärzten mit Jugendämtern sowie die Kooperation der Kinder- und Jugendhilfe mit Strafverfolgungsbehörden. Zudem sollen Führungszeugnisse ehrenamtlicher Jugendbetreuer künftig leichter einsehbar werden.

"Starke Kinder und Jugendliche brauchen starke Rechte", erklärte Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) am Mittwoch in Berlin. Ihr Gesetzentwurf soll die Bedürfnisse von Kindern stärker ins Zentrum behördlicher Entscheidungen rücken. Ein Schwerpunkt sind dabei Pflegekinder, denen emotionaler Stress und Beziehungsabbrüche möglichst erspart werden soll. Kommen sie in eine Pflegefamilie, müssen nach derzeitiger Rechtslage die leiblichen Eltern zustimmen. Sie können diese Zustimmung aber jederzeit widerrufen.

Pflegekinder müssen - zumindest theoretisch - immer damit rechnen, die Pflegefamilie wieder verlassen zu müssen. Diese Ungewissheit sei belastend, sagte Familienministerin Schwesig. "Ich finde es kaum zu ertragen, wenn Pflegekinder zurück in ihre Herkunftsfamilien müssen und dort wiederholt schwere Gewalt erleben, und in manchen Einzelfällen - wir kennen alle die traurigen Geschichten - sogar sterben. Das darf nicht passieren."

Risiko von Beziehungsabbrüchen soll vermindert werden

Der Gesetzentwurf sieht nun vor, dass leibliche Eltern, Pflegeeltern und Jugendamt bereits bei der Entscheidung, ein Kind in Pflege zu geben, vereinbaren sollen, ob eine Dauerpflege erwünscht ist. Um das Risiko von Beziehungsabbrüchen zu vermindern und mehr Stabilität zu schaffen, sei eine "am kindlichen Zeitempfinden orientierten Klärung der Lebensperspektive für Pflegekinder" nötig, so der Entwurf.

Dabei seien aber auch verfassungsmäßige Rechte der leiblichen Eltern "in vollem Umfang" zu wahren. Vorgesehen ist nun "eine Stärkung der Arbeit mit den Herkunftseltern", einerseits. Andererseits erhalten Familiengerichte laut Entwurf erstmals die Möglichkeit, "von Amts wegen oder auf Antrag der Pflegeeltern den dauerhaften Verbleib des Pflegekindes in der Pflegefamilie anzuordnen".

Dies sei möglich, wenn es dem Kindeswohl diene, in der Herkunftfamilie trotz Unterstützung keine Verbesserung innerhalb eines "im Hinblick auf die Entwicklung des Pflegekindes vertretbaren Zeitraums" erreicht wurde und "auch künftig nicht zu erwarten" sei. Selbst wenn leibliche Eltern ihr Kind wieder selbst erziehen wollen, könnte es dann in der Pflegefamilie bleiben.

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