Familie:Harper Beckham für alle

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Das private Fotoalbum der Familie Beckham ist auf Instagram einsehbar.

(Foto: imago/E-PRESS PHOTO.com)

Kinder von Stars werden heute automatisch Kinderstars. Ist das total süß? Oder total geschmacklos?

Von Silke Wichert

Harper Seven lutschte mit vier noch Daumen. Dafür zeichnete sie schon damals so gut Strichmädchen mit Rock (Tochter einer Modedesignerin!), dass Papa David sich eines davon als Tattoo auf die Handfläche malen ließ. Ihren sechsten Geburtstag feierte sie nicht wie wir früher mit Party-Hütchen zu Hause, sondern im Buckingham Palace. Nein, kein Pseudonym für irgendeine Hüpfburglandschaft in den Cotswolds, der echte. Kurz danach posierten alle kleinen und großen Beckhams im Set von: "Modern Family". Geht's noch symptomatischer?

Sollte irgendwann Not am Mann sein für eine dieser beliebten Dia-Shows zur Hochzeit oder Abiturfeier unserer kleinen Harper - kein Problem, ich könnte sofort einspringen. Getroffen habe ich das Mädchen zwar nie, aber das muss man ja heute gar nicht mehr, um ein Kind lückenlos aufwachsen zu sehen. Dafür reichen die Fotos in den Facebook- und Instagram-Accounts der Eltern, die als "moderne Familie" alle an ihrem Leben teilhaben lassen. Kim Kardashians Tochter North West ist quasi von Geburt an mit eigenem Kanal auf Sendung. Allmählich weiß ich von diesem Mini-Influencer mehr als von meinen eigenen Nichten. Die wohnen auch in Amerika, sind aber dummerweise nicht auf Social Media.

Kinder von Stars werden heute automatisch Kinderstars. Jedenfalls wenn die Eltern sie - wie heißt das in Erziehungsratgebern immer so schön - "in ihren normalen Alltag integrieren". Bei gewöhnlichen Leuten geht es da ums Waschen und Kochen, bei Beyoncé halt um die MTV Awards, zu denen sie letztes Jahr im Yeti-Prinzessinnen-Partnerlook mit Tochter Blue Ivy erschien. Sogar der sonst recht biedere Christian Wulff ließ es sich als Bundespräsident seinerzeit nicht nehmen, Sohn Linus beim Empfang der Sternsinger in Schloss Bellevue herzuzeigen.

Blue Ivy, Beyonce

US-Sängerin Beyoncé und ihre Tochter Blue Icy im Partnerlook bei den MTV Awards.

(Foto: picture alliance / picture allia)

Nach wichtigen Fußballspielen tollen die Mini-Ronaldos und Mini-Bales um ihre tätowierten Väter herum. Nach dem letzten Champions-League-Finale setzte Real Madrids Kapitän Sergio Ramos seinen Jüngsten fürs Familienfoto mitten in die Trophäe. Das war den meisten Fans dann doch zu viel. Die Symbolik allerdings hätte nicht besser sein können.

"Trophy Wives" werden im Englischen die Frauen genannt, die an der Seite ihrer meist älteren Partner vor allem hübsche Anhängsel zum Herzeigen und Angeben sind. Jetzt werden die Trophy Kids ständig und überall präsentiert. Mit Erfolg: Wenn Jessica Alba ein Foto zum Geburtstag ihrer entzückenden Sechsjährigen postet, ist das knapp 90 000 Likes wert, und die Fans überschlagen sich mit "Cutie-Pie!!", Glückwünschen und dreifachen Bussi-Smileys. Aber ist das jetzt total süüüüüüssssss? Total familienfreundlich? Oder total geschmacklos?

Klar, als Mutter oder Vater platzt man ständig vor Stolz, ein bisschen was davon muss gelegentlich raus. Früher verschickte man deshalb ein aufwendig arrangiertes Familientableau auf Pappe als Weihnachtskarte an alle. Den Nachwuchs ein bisschen herzeigen - wahrscheinlich ein Ur-Instinkt. Den Nachwuchs der anderen ein bisschen beäugen - offensichtlich auch. Das Cover mit Baby Suri, Papa Cruise und Mama Holmes von 2006 ist bis heute die zweitbestverkaufte Ausgabe der amerikanischen Vanity Fair; nur Jennifer Aniston ohne Kinder und ohne Brad Pitt war noch interessanter.

Sämtliche People-Magazine haben in ihren Online-Auftritten mittlerweile feste Rubriken wie: "Die süßen Sprösslinge der Stars". Manchmal geht das Entzücken so weit, dass Leute für Promikinder eigene Instagram-Accounts pflegen. Wüsste man es nicht besser, könnte man glauben, die westliche Welt erlebe einen Babyboom nach dem anderen.

Wurden diese "weltexklusiven" Familienfotos früher noch teuer verkauft, stellen viele Prominente ihre exklusiven Einblicke heute einfach selbst ins Netz. Selbstdarstellung auf Kosten der Kinder? Nee, vorauseilender Gehorsam natürlich. Besser selbst kontrolliert knipsen, statt die Paparazzi alles erledigen zu lassen. Die sind in Amerika ja nicht zu vermeiden.

Komisch nur, dass es andere Prominente auch irgendwie hinkriegen, ihre Kinder aus der Öffentlichkeit rauszuhalten. Heidi Klum, die von sich selbst auf Instagram gerne weniger zeigen könnte, postet grundsätzlich keine Fotos ihrer Kinder von vorne. In deutschen Zeitschriften müssen die Gesichter der vier gepixelt werden. Beinahe rührend anachronistisch. Viele andere Eltern sehen darin offensichtlich eher Wettbewerbsverzerrung. Gäbe dann ja keine Likes für so komische Bilder.

Das Recht am eigenen Bild gilt auch für die Kleinen

Aber wenn den meisten Leuten schon die Dia-Show auf der Hochzeitsfeier peinlich ist, was werden die prominenten Kinder später von ihrer unautorisierten Dauersendung halten? Wird es Suri Cruise gefallen, dass die halbe Welt gesehen hat, wie sie schon mit drei Jahren Absatzschuhe von Marc Jacobs trug, und die halbe Welt deshalb glaubt, eine ungefähre Vorstellung über die Bodenständigkeit dieses Kindes zu haben? Hätte man Cristiano Ronaldos Sohn wirklich immer als Mini-Me mit identisch reingefrästem Scheitel wie sein Vater auftreten lassen sollen?

Familie: Das Cover mit Baby Suri, Papa Tom Cruise und Mama Katie Holmes von 2006 ist bis heute die zweitbestverkaufte Ausgabe der amerikanischen Vanity Fair.

Das Cover mit Baby Suri, Papa Tom Cruise und Mama Katie Holmes von 2006 ist bis heute die zweitbestverkaufte Ausgabe der amerikanischen Vanity Fair.

(Foto: imago stock&people)

Doch, doch, das Recht am eigenen Bild gilt auch für Kinder. Aber das erklären wir euch später, kleine Harper, kleine North West, kleine Suri, wenn ihr alt genug seid. Und jemanden beauftragen könnt, der eure Kinderbilder aus dem Netz fischt. Vielleicht sind öffentliche Familienalben bis dahin aber auch längst uninteressant. Weil es mittlerweile jeder macht. Früher wuchsen höchstens die Royals, in vergleichsweise homöopathischer Dosis, unter den entzückten Augen der Öffentlichkeit auf. Heute werden alle wie Prinzen und Prinzessinnen durch die Kanäle gejagt.

Blöderweise sieht es bei einem selbst zu Hause selten so idyllisch aus wie bei den Windsors, Beckhams oder Albas. Die US-Journalistin Megan Angelo schrieb kürzlich zum Thema "Elternsein im Zeitalter von Instagram" in der amerikanischen Elle, sie mache es insgeheim fertig, dass die Kinder der anderen immer glücklicher, die Wohnung aufgeräumter, sogar die Ultraschallbilder irgendwie stylisher aussähen. Wie sie da bloß mithalten solle?

Am besten: gar nicht. Genauso wie die inszenierten Bilder von Prominenten mittlerweile Standard sind, sind es die Persiflagen davon. Als Beyoncé ihre neugeborenen Zwillinge ikonenhaft mit Schleier sanft in den Armen hielt, stellten Zwillingsmütter auf der ganzen Welt die Szene in Social Media nach. Die Fotos sahen bei ihnen nicht ganz so elegant und "effortless" aus wie bei dem Superstar. Umso mehr Likes bekamen sie dafür.

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