Expertentipps zur Erziehung:Weihnachten mit Drehbuch

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Halt, erst wird gesungen! Wie Weihnachten in Familien besinnlich wird.

(Foto: Siegfried Schnepf - Fotolia)

Heiligabend fallen Kinder über Geschenke her, während Eltern noch singen wollen. Am ersten Feiertag hetzt die Familie dann zu den Großeltern. Psychotherapeut Manfred Stelzig im Gespräch über Absprachen, die ein friedvolles Fest versprechen.

Von Katja Schnitzler

Gerade Weihnachten soll perfekt ablaufen. Das ist von vornherein zum Scheitern verurteilt - außer man spricht vorher schon alles und mit allen ganz genau ab. Psychotherapeut Manfred Stelzig gibt Tipps für ein friedvolles Fest.

Süddeutsche.de: Alle wünschen sich ein idyllisches Weihnachtsfest. Doch dann sind die Kinder überdreht, die Eltern gestresst von der Vorbereitung und die Laune sinkt. Wie kann man das vermeiden?

Manfred Stelzig: An Weihnachten geht nichts ohne Drehbuch. Damit die Feier schön wird, sollten sich alle gemeinsam schon in der Adventszeit überlegen, wie sie den 24. Dezember gestalten wollen - mit den Kindern und auch mit Gästen, die zur Feier kommen. Sonst gibt es zu viele überraschende Fallstricke, die die Stimmung kosten können. Wenn etwa die Eltern plötzlich verlangen, dass das Kind vor dem Geschenkeauspacken erst einmal Klavier vorspielt und das Kind sagt, dass fällt ihm gar nicht ein ... schon ist die Idylle gestört.

Gerade bei der Bescherung gehen die Vorstellungen von Eltern und Kindern oft weit auseinander.

Ja, kaum klingelt die Glocke, stürzen sich die Kinder auf den Geschenkeberg und reißen alles auf. Die Eltern stehen daneben, wollen eigentlich auch das Besinnliche an Weihnachten erleben und ärgern sich über diese Gier. Also müssen sie das vorher mit den Kindern besprechen: Wir schauen uns die Geschenke an, aber singen noch gemeinsam zwei Lieder. Oder lesen erst die Weihnachtsgeschichte vor. Bei uns zu Hause packen wir inzwischen die Geschenke in große Nikolaus-Jutesäcke, die teile ich aus - aber nacheinander. Und jeder schaut gespannt zu, was der andere bekommt. So ersparen wir uns diese Weihnachts-Gier. Für die richtige Stimmung braucht es ein Mindestmaß an Regie.

Die große Nähe mit der Familie ist einerseits schön, kann aber einige Mitglieder an ihre Grenzen bringen. Manche Jugendliche möchten auch an Weihnachten ihre Freunde treffen, zum Unverständnis der Eltern. Wer sollte da zurückstecken?

Weihnachten ist die ideale Zeit für Teenager, um zu rebellieren. Da bringen sie die Eltern ganz leicht an ihre Grenzen. Aber Jugendliche haben auch andere Vorstellungen, wie sie das Fest feiern wollen - und das muss man vorher klären und nicht erst an Heiligabend. Denn es ist ja nicht lustig, wenn die Eltern in Familienromantik baden und der Jugendliche plötzlich sagt: Jetzt muss ich aber weg. Deshalb ist es so wichtig, dass alle den Ablauf kennen und alle bereit zu Kompromissen sind. Und wenn doch der Rebell durchbricht, sollten die Eltern versuchen, Humor zu bewahren.

Gerade junge Paare mit Kindern feiern oft mit den Großeltern, wobei ein Elternteil dann bei der Schwiegerfamilie mitläuft, die Weihnachten meist ganz anders feiert als die eigene Familie. Sollte man auch das vorher ansprechen?

Unbedingt, und wenn die Großeltern zu Besuch kommen, dürfen sie bei der Planung ebenfalls nicht übergangen werden. Jeder bringt seine eigenen Urtraditionen mit, wie Weihnachten ablaufen, riechen, schmecken soll. Ich stamme zum Beispiel aus Wien, da gab es immer gebackenen Fisch. Bei meiner Frau in Salzburg durchzieht an Heiligabend das ganze Haus ein grauseliger Würstelsuppengeruch. Also muss man klären, welche Tradition Vorrang hat, ob im einen Jahr dieses und im nächsten jenes Essen gekocht wird. Und ob sich mal jemand für eine Stunde absetzt, weil ihm der Kirchenbesuch im Gegensatz zum Rest der Familie wichtig ist - oder ob die anderen ihn vielleicht sogar begleiten wollen.

Ein wichtiges Thema ist ja, welche Großeltern mit den Enkeln feiern dürfen. Wie stellt man alle zufrieden?

Dafür gibt es leider kein Patentrezept. Vielleicht will die Kernfamilie im einen Jahr Heiligabend mit den einen Großeltern, im anderen Jahr mit den anderen verbringen. Oder Eltern und Kinder feiern allein und besuchen Omas und Opas erst in den Tagen danach.

Weihnachten ohne Streit

Das hat aber zur Folge, dass an den Feiertagen die manchmal weit entfernte Verwandtschaft abgeklappert wird, obwohl das vielen Eltern und Kindern eigentlich zu stressig ist und sie die Weihnachtstage lieber besinnlich verbringen würden. Wissen Sie eine Lösung?

Es ist sehr verständlich, dass die Großeltern ihre Enkel an Weihnachten erleben wollen. Das Fest hat ja mit Liebe zum anderen zu tun. Aber wenn es für Eltern so stressig wird, dass der Sinn des Weihnachtsfestes verloren geht, sollten da auch die Großeltern großzügig sein. Eine Lösung könnte sein, ein Treffen auf den Dreikönigstag zu verschieben und dann richtig gemütlich zu feiern. Das muss man aber richtig vorher durchsprechen, damit niemand gekränkt ist. Weihnachten an sich ist wie ein jährlicher psychologischer Test, wie gut wir miteinander reden und uns absprechen können.

Eine große Herausforderung.

Ja, das ist schon in einigermaßen harmonischen Familien nicht leicht und in Patchwork-Familien noch schwieriger. Diese müssen noch besser planen: Wie soll was wo stattfinden und wer wann an welchem Ort sein - und wie lange. Meist ist es nicht möglich, dass alle gemeinsam feiern. Oft hat ein Vater Kinder mit zwei Frauen. Da muss es für alle ganz klar sein, wie lange er bei der einen und wie lange bei der anderen Familie ist. Trotzdem besteht die Gefahr, dass der Vater zur "alten" Familie hetzt und dort in Gedanken gar nicht anwesend ist, was alle frustriert. Weil es bei Weihnachten so sehr um die Stimmung geht, getragen von Liebe und Freude, muss sich das der Vater nicht nur bewusst machen, sondern sich auch bewusst in diese Stimmung versetzen. Und die Mütter ebenfalls, damit es für die Kinder ein schönes Fest wird.

Hart bleibt es trotzdem, wenn der Vater wieder weiterzieht zur neuen Familie.

Es gibt keine perfekte Lösung, weder für Patchwork- noch für andere Familienkonstellationen. Das große Problem ist, dass viele Weihnachten nicht als Fest der Liebe sehen, sondern des Perfektionismus. Und wehe, es klappt irgendetwas nicht wie gewünscht. Doch jeder von uns muss nachgeben und Verständnis haben. Für alle Beteiligten.

Nun haben wir rechtzeitig geplant, uns abgesprochen, waren verständnisvoll - und trotzdem kommt es zum Streit. Wie ist Heiligabend noch zu retten?

Mit dem Retten ist das leider so eine Geschichte. Wenn die Leute wirklich heftig aufeinandergekracht sind, braucht es Zeit, bis sich die Gemüter wieder beruhigen. Das kommt leider häufig vor, da bräuchten wir eine Reset-Taste, nur die gibt es nicht. Man kann sich später wieder zusammensetzen, wenn sich der erste Zorn gelegt hat und versuchen, auf den Trümmern des Weihnachtsfestes vielleicht wieder zueinanderzufinden. Doch mit Gewalt lässt sich das nicht erzwingen, bloß weil Weihnachten ist. Dann ist es Zeit zu sagen: Morgen ist auch noch ein Tag.

Manfred Stelzig leitet als Chefarzt die psychosomatische Abteilung des Salzburger Universitätsklinikums. Als Ko-Autor hat er das Buch mitgeschrieben "Oh Tannentrauma: Wie Weihnachten wieder wundervoll wird".

Wer darf Weihnachten mit den Enkeln verbringen und welche Großeltern müssen bis zu den Feiertagen warten? Viele Eltern kennen das Problem. Warum also nicht mit allen Omas und Opas gemeinsam feiern? Das ist nicht immer eine gute Idee. Die Erziehungs-Kolumne.

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