European Outdoor Film Tour:Geschichten von draußen

Snowboarder stürzen sich in Abgründe, Kanuten rasen Wasserfälle hinunter. Und ab und zu geht etwas schief. Jetzt startet die European Outdoor Film Tour in Deutschland.

Birgit Lutz-Temsch

Die Eiswand bricht. Die Hälfte des gefrorenen Wasserfalls rauscht mit gewaltigem Donnern in die Tiefe. Zwei Meter neben der Bruchkante hängt der Eiskletterer Markus Bendler in dem Wasserfall. Jemand sagt langsam: "Oi."

Dieser Schreckensmoment ist eine Szene aus "Reality Check", einem der zehn Filme der European Outdoor Film Tour (EOFT), die von heute an durch Deutschland unterwegs ist. 130 Minuten Filmmaterial werden auf der Tour gezeigt, zusammengesammelt auf den großen internationalen Outdoor- und Bergfilmfestivals im kanadischen Banff und im US-amerikanischen Telluride, in Trento und in Graz. Szenen zum schwindlig werden, so irrsinnig ist das Gezeigte manchmal.

Snowboarder stürzen sich in Abgründe, Kanuten rasen Wasserfälle hinunter, Mountainbiker schlagen Salti. Das alles in großartigen Landschaften. Und ab und zu geht etwas schief. So wie bei Markus Bendler, dem Eiskletterer. Szenen wie die des spektakulären Eisfalls sind es, nach denen die Macher der Tour auf den Festivals suchen - aber nicht nur. Ulf Michels von der Münchner Agentur Moving Adventures ist an der Filmauswahl beteiligt: "Es geht uns nicht darum, das Spektakulärste zu zeigen, was zurzeit auf dem Markt ist. Aberwitzige Sequenzen hat jeder schon gesehen. Aber wir wollen auch Geschichten dazu erzählen."

Ein Fest für die Fans

Seit 2001 gibt es die EOFT, angefangen hat sie mit Vorstellungen in 16 Städten, heute sind es 83. Sie bietet eine Plattform für Filme aus der Extremsportszene, die mit großem Aufwand gedreht werden, aber niemals in Kinos kommen. Viele der Filme sind von Sponsoren finanziert, auf den Drehs werden gleichzeitig Fotos gemacht und die Sponsoren der Athleten bekommen anschließend das Material für Werbezwecke zur Verfügung.

Manche Filme werden auch von Moving Adventures selbst mitfinanziert, Dokumentarstücke meistens, in denen Bergsteiger oder Skifahrer begleitet werden. Manche der Filme werden auf der Internetplattform extremevideo.com vertrieben. Die DVDs kosten allerdings zwischen 20 und 35 Euro.

Das Leben draußen

Die Filmtour ist deshalb so etwas wie eine Auszeichnung für die Filmemacher und ein Fest für die Fans, die die Streifen sonst nie auf einer großen Leinwand sehen würden. Und manchmal schaffen es auch völlig Unbekannte in die Auswahl, dieses Jahr zum Beispiel der Film "Urban Trial" von Danny MacAskill. Der Mitbewohner MacAskills nahm die Tricks des Trial-Bikers auf und stellte seine gedrehten Clips ins Internet. Dort wurden sie Tausende Male abgerufen - und die Tour-Macher wurden aufmerksam.

Mehr als 100 Filme stehen am Anfang auf der Liste, erläutert Michels, ausgewählt wird in einem mehrstufigen Verfahren. "Wir wollen möglichst viele Facetten von Outdoor-Sportarten zeigen", sagt er. Und dabei auch völlig Neues finden. So lief schon auf der ersten Tour 2001 ein Film über Parcours, jenen jungen urbanen Sport, bei dem Bauwerke für Hindernisläufe verwendet werden - erst Jahre später wurde Parcours dann richtig bekannt.

Stürze und Geschichten

Genauso passierte es mit Highlining, wo eine Slackline zwischen zwei Felsen gespannt wird und der Akteur über das Seil balanciert: "Wir hatten schon 2004 einen Film über Highlining im Programm, als die meisten noch gar nicht wussten, was das überhaupt ist", erinnert Michels. Eine der neuesten Varianten sind Highliner, die sich nicht mehr mit Seilen sichern, sondern mit einem Basejumping-Fallschirm.

Nicht immer gehen Stürze oder Geschichten im Extremsport so gut aus wie die von Markus Bendler. 2008 war der Film "Play Gravity" bereits für die Tour ausgewählt, ein Film über den Schweizer Speedflyer Matthias Roten, der sich mit Skiern und Fallschirm unvorstellbare Hänge hinabstürzt. Als Roten im Sommer 2008 einen neuen Schirm ausprobiert, kommt er nicht zurück. Er ist abgestürzt, wird tot gefunden. Ulf Michels: "Wir haben den Film im vergangenen Jahr in Gedenken an ihn trotzdem gezeigt." Und: "Wir tun nicht so, als sei das alles nur Spaß und ungefährlich."

Damit beschreibt Michels eine generelle Veränderung der Freeride- und Outdoorfilme: Es geht nicht mehr nur um spektakuläre Bilder, die Jagd nach den besten Effekten, sondern um das Leben draußen. Manche Filme geraten gerade dadurch zu Liebeserklärungen an den Bergsport: mit grandiosen Landschaftsaufnahmen und Helikopterflügen über Bergkämme und glitzernden Schnee, in dem ein Freerider eine perfekte Linie fährt. Dazu passt die Musik zum Tour-Trailer: "Don't forget to get alive" - vergiss nicht, mit dem Leben anzufangen.

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