Estée Lauder:Königin der Gratispröbchen

Die New Yorker Kosmetik-Legende, Estée Lauder, wäre am 1. Juli 100 Jahre alt geworden - ihr Erbe ist allgegenwärtig.

Claudia Fromme

Manchmal weht uns der Geist Estée Lauders entgegen, wo wir ihn wohl nie vermuten würden. An Orten, die nicht so recht zu der glamourösen New Yorker Gesellschaftsdame passen, die Fürstin Gracia Patricia und Liza Minelli zu ihren Soireen bat. Zum Beispiel im Supermarkt oder am Kiosk. Denn dass Frauenzeitschriften heute kiloschwer ob all der Beigaben sind, ist ihr Verdienst: Estée Lauder hat das Gratispröbchen erfunden.

Estée Lauder

Als Mädchen durfte Lauder nie Lippenstift tragen, und so tat sie es später erst recht - in Pink.

(Foto: Foto: Getty Images)

Als erste in der Branche füllte sie Puder in Tütchen und Cremes in Tiegelchen, die sie im Labor ihres Onkels, einem Hautarzt, mischte. Damit tingelte sie von Friseur zu Friseur, hinterlegte die Gratisgaben auch in Drogerien oder steckte sie Damen auf der Straße zu. Am Strand von Long Island stellte sie einen Tisch mit ihren durch die Proben bekannten Produkte auf, daraus wurde 1948 ein Stand im Edelkaufhaus Saks in der Fifth Avenue, daraus Estée Lauder Companies, ein Konzern, der heute auf zehn Milliarden Dollar geschätzt wird.

Dabei begann die Karriere der Pionierin der Kosmetikindustrie eher farblos. Ihr Vater, ein tschechischer Immigrant, erzog sie streng, verbot der jungen Esther Josephine Mentzer unanständigen Lippenstift zu tragen, sogar am Tag ihrer Hochzeit 1930 mit Joseph Lauder, einem Textilunternehmer.

Vielleicht hat auch das sie befeuert, an einem anderen, einem neuen Rollenbild zu arbeiten. Sie entwickelte Produkte für Frauen - so erklärte sie -, die nicht Heimchen am Herd waren, sondern repräsentieren wollten, in Gesellschaft und Beruf. Im Amerika der vierziger Jahre, als es noch nicht weit gediehen war mit der Emanzipation, eine kühne Idee. Estée Lauder verfolgte sie hartnäckig, legte immer und überall wie aus Trotz ihr Markenzeichen auf: pinkfarbenen Lippenstift. Und sie predigte gerne: "Es gibt keine hässlichen Frauen - nur solche, die sich nicht um sich kümmern oder glauben, sie seien nicht attraktiv."

Mit verstellter Stimme und Fahrrad

Als ihre Konkurrentinnen Helena Rubinstein und Elizabeth Arden noch auf eine betuchte Klientel setzten, öffnete Marketingstrategin Estée Lauder in den fünfziger Jahren die Kosmetikbranche mit ihren Ständen in Kaufhäusern für alle Kreise, was sich auszahlte: Wer ein Pröbchen hat, kauft mehr, genau wie die Kundin, die Parfum reichlich nutzt. Also gab sie die verkaufsfördernde Maxime aus: "Parfum ist wie die Liebe, ein bisschen ist nie genug."

Der Anfang war indes bescheiden: Ihre Söhne Leonard und Ronald fuhren Bestellungen mit dem Rad aus, die Verwaltung bestand aus Lauder und ihrer Sekretärin, die mit verstellter Stimme ans Telefon ging. Mal war sie Empfang, mal Vertrieb, mal Finanzen, wer grad verlangt wurde. Der schöne Schein einer prosperierenden Firma sollte gewahrt bleiben.

Durchbruch mit Badeöl

Mit dem Badeöl Youth Dew, das seinen Nutzerinnen ewige Jugend versprach, gelang Lauder 1953 der Durchbruch. Seitdem halten sich auch die Spekulationen, ob sie nicht doch ein paar Jährchen älter sein könnte, als offiziell deklariert. Heute kontrolliert ihr Imperium, das sie 1996 mit 87 Jahren an ihren Sohn Leonard übergab, 45 Prozent des US-Kosmetikmarktes. Der börsennotierte Konzern hat fast 23.000 Mitarbeiter, verkauft weltweit mehr als 9000 Produkte. Clinique, Aramis und Aveda gehören unter anderem dazu. Als sie 2004 mit 95 Jahren starb, führte Forbes sie als reichste Amerikanerin.

Dennoch bestand bis sie Jahre vor ihrem Tod darauf, überall präsent zu sein, wie sie es zu Beginn ihrer Karriere am einfachen Stand im Kaufhaus Saks war. Noch in den neunziger Jahren eröffnete Estée Lauder persönlich ihre Läden in Russland und Asien. Gerne tauchte sie auch noch jenseits der 90 überraschend in Filialen auf und sagte den verwunderten Schönheitsberaterinnen: "Jetzt zeig ich euch mal, wie man richtig verkauft."

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