Esskultur für Kinder:Die Sinnstifterin

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Starköchin Sarah Wiener hat eine Stiftung gegründet, um "etwas zurückzugeben". Fragt sich natürlich: Was?

Ijoma Mangold

Wir Menschen wollen gerne das Gute in der Welt sehen. Wir wollen uns vor dem verneigen, der Gutes tut. Wir sind bereit, moralische Größe anzuerkennen, ja zu verehren. Wir wollen dann aber auch sicher sein, dass wir nicht betrogen werden. Sonst werden wir kiebig. Wenn wir schon unser Knie beugen vor dem Guten, dann soll es auch über jeden Zweifel erhaben und ohne Kalkül sein: Das Gute in der Reinheit des Heiligen.

Sarah Wiener gibt Kindern Nachhilfe im Kochen. (Foto: Foto: AP)

Doch das ist gar nicht so einfach. Denn selbst den Säulenheiligen, die in der sengenden Hitze der Wüste ausharrten, kann man vorwerfen, sie hätten es auf ihre mediale Inszenierung abgesehen.

Sarah Wiener, Chefin einer Catering-Firma und als Fernsehköchin bekannt geworden, hat jetzt die Sarah Wiener Stiftung gegründet. Diese hat es sich zum Ziel gesetzt, Schulkindern im Rahmen von Kochstunden ein Bewusstsein für gesunde Ernährung zu vermitteln. An der Hunsrück-Grundschule in Berlin-Kreuzberg wird das Projekt vorgestellt.

Sarah Wiener hat immer etwas innerlich Zerrissenes. Als fühle sie sich nie ganz wohl in ihrer Haut. Als sei das Fernsehen, das sie groß gemacht hat, ihr zugleich peinlich. "Ich möchte gerne", sagt sie, "der Gesellschaft, die mir so viel Aufmerksamkeit geschenkt hat, etwas zurückgeben."

Verändern Kochshows das Ernährungsbewusstsein?

Dann denkt sie nach und fügt etwas überraschend hinzu: "Ich weiß auch, wäre ich 20 Jahre älter und 30 Jahre dicker, wäre ich nicht in den Medien." Wir schauen sie etwas ratlos an. Dann fragen wir, ob sie glaube, dass die vielen Kochshows das Ernährungsbewusstsein der Gesellschaft verändert hätten? "Ach nein", sagt sie, "Kochsendungen sollen vor allem unterhalten. Das ist so wie bei Großbaustellen, da stehen die Leute auch da und schauen gerne zu."

Und als wolle sie es sich jetzt extra nicht leicht machen, fügt sie hinzu: "Aber lieber eine Kochshow als 'Hilfe, meine Schwiegermutter schläft mit meinem Freund.'"

Auch Alfred Biolek ist mit von der Partie. Er unterstützt das Projekt mit seinem Namen und seinem Gesicht. An diesem Tag wirkt er, als sei er in Gedanken ganz woanders, von einer verkaterten Traurigkeit befallen, von der unklar bleibt, ob sie eher seelischer oder körperlicher Natur ist. Wenn er gefragt wird, wacht er, wie aus fernen Traumwelten zurückkehrend, auf und sagt dann, mit gewaltiger Nachdenklichkeit, als lutsche er an einem zu groß geratenen Kräuterbonbon, Sätze wie: "Es geht um das Engagement, etwas zu verändern." Oder: "Medien schaffen Hypes und Trends."

Überhaupt scheint das Fernsehen ein enormes Schamgefühl bei seinen Beteiligten zu produzieren. Auch Sarah Wiener redet immer in melancholischer Defensive. "Wofür", fragt sie, nun schon fast am Rande der Zerknirschtheit, "kriege ich diese Aufmerksamkeit? Das macht mir schon ein schlechtes Gewissen, weil es so ohne Inhalte ist." Und dann, und nun wirkt sie befreit, als habe sie den Knoten durchschlagen, erklärt sie: "Natürlich ist dieses Projekt egoistisch, denn es gibt mir Lebenssinn."

Ist das nun also etwas Gutes, was die Sarah Wiener Stiftung da macht? Unbedingt. Immer mittwochs von 14 bis 16 Uhr ist jetzt Kochstunde an der Hunsrück Grundschule. Wir sind noch einmal zurückgekommen. Diesmal gibt es keine Sarah Wiener und keinen Alfred Biolek. Schulalltag. Zwei Erzieherinnen haben das Kommando übernommen.

Die Kinder sind emsig bei der Sache. Esma, die Neckische, schnippelt eine Zwiebel und ist stolz auf die Träne, die sich ihrem Auge entrinnt. Sie zeigt mit dem Finger darauf: "Siehst du die Träne?" Und Taha erklärt: "Heute machen wir Hamburger. Dann vergleichen wir einen fettigen, den wir bei McDonalds kaufen, mit einem gesunden. Leider dürfen wir den fettigen nicht essen."

Und Antonie mit den schönen grünen Augen sagt: "Bitte, bitte, bitte, schreiben Sie mich in Ihren Artikel rein. Ich bin im letzten Artikel nicht vorgekommen." "Dafür", hält Esma entgegen, "warst du schon im Fernsehen." "Ja", sagt Antonie, "aber nur meine Hände, das zählt nicht."

© SZ vom 28.6.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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