Esskultur:Das Lätzchen für den Banker

Ein neuer Dresscode fürs Geschäftsessen? Der Schlipsüberzieher "Tie Angel" soll Krawattenträgern beim blamagefreien Essen helfen.

Marten Rolff

Man stelle sich einmal folgende Szene vor: Ein Manager oder Banker ist in einem guten Lokal zum Businesslunch verabredet. Das Tischgespräch dreht sich um neue Anlagemodelle, den unterbewerteten deutschen Immobilienmarkt und interessante US-Investoren. Als der erste Gang serviert wird, unterbricht der Banker, um nach dem Zellstoffvlies in Krawattenform zu greifen, das neben seinem Teller liegt. Und weil er umständlich an den perforierten Faltlaschen nestelt, die partout nicht an seinem edlen Seidenbinder haften wollen, wirkt er bald wie ein unbeholfenes Anziehpüppchen. Was soll der Banker nun tun? Etwa mit genantem Lächeln auf seine Krawatte deuten und erklären: Eine handgenähte Marinella aus Neapel, es wäre so schade, wenn sie Spritzer vom Sellerieschaumsüppchen abbekäme?

Esskultur: Gegen den gemeinen Soßenfleck: Die Krawattenserviette "Tie Angel" mit Einwegfaltsystem soll den gut gekleideten Mann vor Blamagen am Tisch bewahren.

Gegen den gemeinen Soßenfleck: Die Krawattenserviette "Tie Angel" mit Einwegfaltsystem soll den gut gekleideten Mann vor Blamagen am Tisch bewahren.

Gemeine Soße auf feinem Tuch - mit diesem Horrorszenario versucht derzeit ein Wiener Unternehmer, die Restaurants für seine weltweit zum Patent angemeldete Krawattenserviette zu sensibilisieren. Der "Tie Angel" - Slogan: Genuss ohne Verdruss - ist ein reißfester Papierüberzug mit Einwegfaltsystem und abstimmbarem Design, der den männlichen Gast vor dem Ruin des Lieblingsbinders und Blamagen bei Tisch bewahren soll. Noch nicht beantwortet hat das Unternehmen hingegen die Frage, was peinlicher ist: Speisereste auf dem Schlips oder ein gut gekleideter Mann, der sich coram publico ein Lätzchen umtüddelt.

Tatsache ist doch: Wer Anzug und Krawatte trägt, will damit etwas ausdrücken, ob er nun Wert legt auf Eleganz oder Unauffälligkeit, Uniformität, oder Autorität. Alles, was die Souveränität des Trägers so nachdrücklich schmälert wie ein Schlipsüberzieher, dürfte also keine Chance haben. Die Alternative: anständig essen oder den Binder lässig über die Schulter legen.

Eine ganz andere Wahrheit ist: Um geschätzte 85 Prozent der Krawatten, die man so sieht, ist es nun wirklich nicht schade, wenn ein Soßenfleck sie ruiniert.

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