Erziehungsfragen:Was tun bei unterschiedlichen Ansichten über religiöse Rituale?

Kindertagesstätte

Durch christliche Rituale Halt geben? Bei Glaubensfragen in der Erziehung gehen die Meinungen oft auseinander.

(Foto: dpa)

Christliche Werte innerhalb der Familie: Sollte man Rituale wie zum Beispiel das Tischgebet dem Partner zuliebe mitmachen, obwohl man nichts damit anfangen kann? Experten antworten.

Katja E. aus München fragt:

Mein Mann ist sehr religiös. Rituale wie Gebete möchte er an unseren Sohn weitergeben. Ich hingegen kann etwa mit dem Tischgebet nichts anfangen, weil ich mich dabei nicht wohlfühle. Mein Mann wirft mir vor, damit schon früh Zweifel beim Kind zu säen. Ich finde es aber wichtig, glaubwürdig zu bleiben. Was würden Sie raten?

Drei Experten antworten:

Kirsten Boie: Miteinander reden und ehrlich bleiben

Bundesweiter Vorlesetag

Kirsten Boie ist Schriftstellerin und Autorin von mehr als hundert Kinder- und Jugendbüchern, darunter die allseits bekannten und geliebten Geschichten "aus dem Möwenweg" oder die Abenteuer des kleinen "Ritter Trenk".

(Foto: picture alliance / dpa)

Auch Ihr Mann wünscht sich vermutlich, dass Ihr Kind später einmal selbst über seinen Glauben entscheiden soll - denn ein Glaube, der nicht durch Zweifeln, Nachdenken, Prüfen gegangen, sondern einfach nur Imitation des elterlichen Glaubens ist, hat wenig Substanz. Und irgendwann wird Ihr Kind all das tun: zweifeln, nachdenken, prüfen. Vermutlich ist es dabei sogar viel freier und weniger von schlechtem Gewissen geplagt, weil wenn es von Anfang an weiß: Jeder Mensch darf seinen Glauben selbst bestimmen. Niemand muss glauben, was seine Eltern glauben. Natürlich ist damit das Risiko verbunden, dass Ihr Kind dann nicht den Glauben des Vaters übernimmt - das besteht aber sowieso! Vielleicht können Sie mit Ihrem Mann besprechen, was ihn so ängstigt: Geht es um die verlorene Seele, ist sein Glaube angstbesetzt, sein Gott ein strafender Gott? Oder will er nur, dass sein Kind glaubt, was er glaubt? Vermutlich müssen Sie zuerst einmal klären, was hinter seiner Sorge steckt. Sie selbst sollten sich in jedem Fall ehrlich verhalten. Ihr Kind spürt auch sehr deutlich, wenn Sie das nicht tun.

Jesper Juul: Keinen Konsens in Sachen Religion erwarten

Erziehungsfragen: Jesper Juul ist Familientherapeut in Dänemark und Autor zahlreicher internationaler Bestseller zum Thema Erziehung und Familie.

Jesper Juul ist Familientherapeut in Dänemark und Autor zahlreicher internationaler Bestseller zum Thema Erziehung und Familie.

(Foto: Franz Bischof)

Ein wichtiges Ziel in der Familie sollte sein, dass jeder so viel von dem bekommt, was er braucht. Das ist nicht immer möglich, aber diesen Umstand kann man auch nicht immer jemandem vorwerfen. In Ihrer Familie bleibt der Wunsch Ihres Mannes nach einem gemeinsamen Tischgebet unerfüllt. Für ihn wird es keinen Sinn machen, alleine zu beten, denn hinter dem Ritual steckt die Vorstellung, Gott und der Familie zu dienen. Ebenso wenig kann er Konsens in Sachen Religion erwarten. Wenn er beten möchte, ist das seine Entscheidung, ebenso wie das Recht zu bedauern, dass er damit alleine ist. Aber für Ihre Haltung darf er Sie nicht kritisieren. Ihr Sohn hat das Privileg, mit zwei unterschiedlichen Einstellungen zum Thema Religion in einer Familie aufzuwachsen. Das wird ihm helfen, eine eigene Entscheidung diesbezüglich zu treffen. Jetzt oder irgendwann später im Leben.

Katia Saalfrank: Suchen Sie gemeinsam nach einem Mittelweg

Katia Saalfrank

Katia Saalfrank ist Pädagogin, Musiktherapeutin und wurde als Fachberaterin in der Sendung "Die Super Nanny" bekannt. Heute arbeitet sie in ihrer eigenen Praxis in der Eltern- und Familienberatung.

(Foto: picture alliance / dpa)

Das Direktive empfinde ich als oft nicht konstruktiv. Daher möchte ich Ihnen keinen Rat geben, sondern Sie darin bestärken zu schauen, was sich für Sie selbst stimmig und echt anfühlt, um dann selbst einen für Sie guten Weg zu finden. Glaube ist aus meiner Sicht etwas sehr Persönliches und findet in einer ständigen Auseinandersetzung mit sich selbst statt. Wenn ich Sie richtig verstehe, sind Sie sich mit Ihrem Mann grundsätzlich einig und haben ähnliche Werte und Vorstellungen über Religion. Im Weiteren geht es jetzt darum, wie Sie als Eltern gemeinsam eine Haltung, einen Glauben und ein Wertesystem mit Leben füllen und es an Ihren Sohn weitergeben. Dazu ist notwendig, dass Sie sich abstimmen und mit Ihrem Mann gemeinsam überlegen, wie Sie den Glauben in Ihrer Familie leben wollen. Wenn Sie das Tischgebet grundsätzlich ablehnen, sollten Sie das mit Ihrem Mann besprechen. Vielleicht finden Sie ja gemeinsame Worte, mit denen Sie sich authentischer fühlen. Eine andere Möglichkeit ist, dass Sie das Gebet nicht mitsprechen. Ihr Sohn wird so verstehen, dass Glaube unterschiedlich gelebt werden darf und vielfältig ist.

Haben Sie auch eine Frage? Schreiben Sie eine E-Mail an: familientrio@sueddeutsche.de

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