Erziehungsfragen:Dem Partner zuliebe abtreiben?

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Eine Leserin hat Angst, dass ein vom Mann nicht gewolltes Kind die Beziehung belastet.

(Foto: imago)

Ein Frau ist aus Versehen schwanger mit dem dritten Kind. Ihr Mann ist todunglücklich. Soll sie abtreiben? Oder gegen seinen Wunsch das Kind bekommen? Experten antworten.

Eine Leserin fragt

Ich bin aus Versehen schwanger mit dem dritten Kind, worüber mein Mann todunglücklich ist. Er will mich nicht zu einer Abtreibung zwingen, weil er meint, damit unsere Beziehung für immer zu belasten. Ich selbst habe wiederum Angst, dass ein von ihm nicht gewolltes Kind unsere Beziehung ähnlich schwer belasten könnte. Aber alleine will ich am Ende nicht mit drei Kindern dasitzen. Was würden Sie tun? Juliane R., 35, München

Drei Experten antworten:

Kirsten Boie: Sie müssen viel reden

Bundesweiter Vorlesetag

Kinder- und Jugendbuchautorin Kirsten Boie

(Foto: picture alliance / dpa)

hre Frage klingt, als hätten Sie selbst gar nichts gegen ein drittes Kind. Über einen Abbruch denken Sie nur nach aus Sorge darüber, es könnte Ihren Mann vielleicht aus dem Haus treiben. Wenn er sagt, er sei todunglücklich, wolle Sie aber nicht zu einer Abtreibung "zwingen", klingt das für mich eher nach einer latenten Drohung als nach einer großen Geste. Wirklich frei sind Sie darum in Ihrer Entscheidung nicht. Aber eine einfache Lösung gibt es vermutlich nicht. Die einzige Möglichkeit sehe ich darin, immer wieder miteinander zu reden - nicht mit der Absicht, die eigene Position unbedingt durchzusetzen, sondern im Interesse der gemeinsam besten Lösung, die dann auch beide als die ihre empfinden können. Vielleicht klingt mein Vorschlag naiv, vor allem in Anbetracht der tickenden Uhr. Aber wird nicht sonst, egal wie Sie sich entscheiden, immer bei einem von Ihnen Kummer, Zorn, Ressentiment zurückbleiben, das die Beziehung letztlich auch zerstört? Also: Sie müssen viel reden.

Kirsten Boie

Kirsten Boie ist Schriftstellerin und Autorin von mehr als hundert Kinder- und Jugendbüchern, darunter die allseits bekannten und geliebten "Geschichten aus dem Möwenweg" oder die Abenteuer des kleinen "Ritter Trenk".

Jesper Juul: Kooperieren Sie

Erziehungsfragen: Familientherapeut Jesper Juul.

Familientherapeut Jesper Juul.

(Foto: Franz Bischof)

Eine der grundsätzlichsten Regeln von Liebe und Partnerschaft ist es, dass unsere Partner die Entscheidungen, die wir für uns selbst treffen, akzeptieren müssen. Zum Wohle der ganzen Familie. Das kann ein Erziehungsstil sein, eine berufliche Veränderung, der Umgang mit der Tatsache, dass ein Kind womöglich behindert zur Welt kommt - oder eben das Thema Abtreibung. Beide Partner müssen trotzdem darauf achten, dass so eine Entscheidung und auch die partnerschaftliche Akzeptanz ebendieser nicht moralisch getroffen wird, sondern im engen Dialog entsteht, nach Abwägungen und in enger Kooperation - besonders wenn es eine Lebensentscheidung wie diese ist. Es geht um den feinen, aber wichtigen Unterschied zwischen einem Kompromiss und der Einigung auf eine Entscheidung, hinter der beide stehen müssen. Wenn ihre individuellen Entscheidungen auch nach vielen Gesprächen nicht in Einklang zu bringen sind, können sie die Partnerschaft langfristig aus der Balance bringen. Auch sollte niemand eine Rechnung aufstellen: Ich mache das jetzt so, wie du es willst, will dafür aber später das haben. Stattdessen müssen Sie verständnisvoll miteinander reden und versuchen, einen gemeinsamen Entschluss zu finden, der aber dann von beiden voll und ganz mitgetragen wird.

Jesper Juul

Jesper Juul ist Familientherapeut in Dänemark und Autor zahlreicher internationaler Bestseller zum Thema Erziehung und Familie.

Katia Saalfrank: Nehmen Sie sich Zeit - gemeinsam

Katia Saalfrank

Diplom-Pädagogin Katia Saalfrank.

(Foto: picture alliance / dpa)

Wie wäre es, wenn Sie eine gemeinsame Entscheidung in die eine oder andere Richtung treffen könnten? Wie wäre es, wenn Sie und Ihr Mann für die jeweiligen Folgen der Entscheidung auch gemeinsam die Verantwortung übernehmen könnten? Hierfür ist jedenfalls Voraussetzung, dass Sie miteinander sprechen und Ihre Bedürfnisse, die Haltungen, Wünsche und Ängste intensiv abgleichen. Nehmen Sie sich Zeit und tauschen Sie sich aus. Sagen Sie, was Sie denken und fühlen und hören Sie auch, was Ihr Mann Ihnen sagt. Eine Antwort zu finden, wird sicher etwas Zeit in Anspruch nehmen. Geben Sie sich diese Zeit, nein, nehmen Sie sich diese Zeit: gemeinsam! Ich wünsche Ihnen für diese schwierige Entscheidung alles Gute. ¶

Katia Saalfrank

Katia Saalfrank ist Pädagogin, Musiktherapeutin und wurde als Fachberaterin in der Sendung "Die Super Nanny" bekannt. Heute arbeitet sie in ihrer eigenen Praxis in der Eltern- und Familienberatung.

Haben Sie auch eine Frage? Schreiben Sie eine E-Mail an: familientrio@sueddeutsche.de.

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