Familientrio:Darf man fremde Kinder erziehen?

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Darf man sich einmischen, wenn fremde Kinder sich daneben benehmen? (Foto: imago/Westend61)

Ein Junge ruft "Schwuchtel", die Eltern reagieren nicht: Darf man eingreifen, wenn fremde Kinder in der Öffentlichkeit hässliche Schimpfwörter benutzen? Experten antworten.

Ein Leser fragt:

Neulich war ich in einem Café, in dem eine Familie mit zwei Jungs im Grundschulalter am Nebentisch saß. Der eine hat den anderen laut als "Schwuchtel" beschimpft, die Eltern haben kaum reagiert. Ich hätte am liebsten etwas gesagt, dann aber nur böse hinübergeguckt. Jetzt ärgere ich mich über mich selbst. Was meinen Sie: Darf man fremde Kinder ungefragt erziehen? Marc T., 37, München

Drei Experten antworten

Kirsten Boie: Das kommt auf die Situation an

Ein afrikanisches Sprichwort sagt: "Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind großzuziehen." Auch wenn wir da in unserer Gesellschaft alle sicherlich Barrieren spüren, finde ich, dass wir uns schon "einmischen" dürfen, wenn wir zum Beispiel beobachten, dass ein Kind ein anderes Kind quält, etwas im Supermarkt mitgehen lässt oder Ähnliches. So etwas gehört nicht nur in den Verantwortungsbereich der Eltern, sondern in den aller Mitglieder der Gesellschaft. Wenn die Eltern wie bei Ihrem Beispiel mit dabei sind, richtet sich Ihre Kritik ja eigentlich an diese, weil sie nicht auf die Beschimpfungen reagiert haben. Und da wird es schwierig und, wie ich finde, sehr situationsabhängig. Vielleicht kann man das Kind trotzdem behutsam ansprechen. Sobald noch andere Zuhörer dabei sind (wie im Café), fühlt sich eventuell die ganze Familie bloßgestellt. Wie könnte dann das Ergebnis Ihres Einsatzes aussehen? Begreift das Kind in dieser Situation tatsächlich, dass und warum es Wörter wie "Schwuchtel" nicht als Schimpfwörter verwenden sollte?

Jesper Juul: Miterziehen nein, Meinung sagen ja

Nein, Sie dürfen nicht miterziehen, aber Sie dürfen etwas zu der Bildung dieser Kinder beitragen, indem Sie Ihre Meinung mit dem gleichen Respekt und der gleichen Empfindsamkeit äußern, wie Sie sich den Umgang der beiden untereinander vorstellen.

Katia Saalfrank: Sprechen sie die Eltern an

Wie hätten Sie reagiert, wenn eine Gruppe Erwachsener so lauthals mit diesen Beschimpfungen in der Öffentlichkeit umgegangen wäre? Würden Sie sich auch so positionieren und ungefragt "erziehen" wollen? Ging es Ihnen um die Kinder, die sich "nicht benehmen", oder um die Beschimpfung mit dem Wort "Schwuchtel"? Wenn Sie etwas zu diesem Umgang und der Art der Streiterei sagen wollen, sollten Sie weniger mit den Kindern als mit den Eltern ins Gespräch kommen. Denn wie Sie schon haben durchblicken lassen: Die Eltern sind hier verantwortlich, auch, wenn diese anders reagiert haben, als Sie sich das gewünscht hätten. Zudem bekommen die Kinder über das Gespräch, das Sie mit den Eltern führen, sehr wohl mit, dass Sie mit der Beschimpfung nicht einverstanden sind - und darum geht es Ihnen doch, oder?

Haben Sie auch eine Frage? Schreiben Sie eine E-Mail an: familientrio@sueddeutsche.de

© SZ vom 09.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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