Ernährungsratgeber:"Iss, was du willst"

Kohlehydrate und Zucker sind schlecht, Fett sowieso? Irrtum! Autor Uwe Knop erklärt, warum wir keiner Ernährungsregel glauben sollten. Und warum Pommes und Pizza gesund sind.

Anna-Lena Roth

Uwe Knop, 37, hat an der Universität in Gießen Ernährungswissenschaft studiert und arbeitet seit knapp acht Jahren als Medizin-PR-Experte. Anfang August veröffentlichte er "Hunger & Lust. Das erste Buch zur Kulinarischen Körperintelligenz". Darin rät der Autor: "Vergessen Sie alles, was Sie bisher über 'gesunde' Ernährung gehört haben!"

Essen, dpa

"Egal, was es ist: Wenn du Lust darauf hast, dann ist es gesund."

(Foto: Foto: dpa)

sueddeutsche.de: Brauchen wir wirklich noch eine Ernährungs-Bibel?

Uwe Knop: Durch viele der Ratgeber, die es schon gibt, sind die Leser oft total verunsichert. Mal sind viele Kohlenhydrate gesund, morgen schwört man auf weniger Fett und übermorgen ist mehr Eiweiß der Heilsbringer. Hinzu kommt die tägliche Flut an Ernährungspropaganda, die ebenfalls gerne widersprüchliche Ergebnisse liefert. Ich will den Menschen das Vertrauen in ihr Körpergefühl wiedergeben. Denn es ist nicht wichtig, was man isst, sondern dass man sich dabei wohl fühlt.

sueddeutsche.de: Das heißt, wenn ich mich mit Pizza und Pommes besonders wohl fühle, kann ich jederzeit ohne schlechtes Gewissen zugreifen?

Knop: Ja, unser Körper weiß ganz intuitiv, was er braucht - und darauf sollte man sich verlassen. Er reguliert sich selbst und hat dafür gleich zwei Gehirne: das Bauchhirn und das Gehirn im Kopf.

sueddeutsche.de: Ein Gehirn im Bauch?

Knop: Als Beispiel: Wenn Sie eine Kiwi essen, weil Sie denken, die hat viel Vitamin C, dann liegt das an ihrem Kopfhirn. Möchten Sie die Kiwi jedoch essen, weil Sie spüren "darauf habe ich jetzt richtig Lust", dann ist Ihr Bauchhirn, Ihre Kulinarische Körperintelligenz, aktiv.

sueddeutsche.de: Ihre Empfehlung lautet also: Kopf aus, Bauch an. Wenn mir mein Bauchgefühl aber immer zu Schokoladen-Croissants und Kuchen, Döner und Currywurst rät, kann das auf Dauer doch nicht gesund sein!

Knop: Genau hier liegt der Denkfehler. Wenn Ihr Körper Ihnen signalisiert, dass Sie Lust auf ein bestimmtes Essen haben, dann ist das auch gesund für Sie. Jeder Mensch isst individuell anders. Was für den einen ungesund ist, kann für den anderen genau richtig sein.

sueddeutsche.de: Und trotzdem wird doch wahrscheinlich jeder Mensch an Übergewicht leiden, wenn er 30 Jahre lang nur Süßes und Fettiges gegessen hat.

Knop: Das muss nicht sein. Man nimmt ja nur zu, wenn man dauerhaft zu viel isst. Damit das nicht passiert, hat jeder Mensch seinen eigenen Setpoint, sein Idealgewicht. Der wird über einen längeren Zeitraum reguliert, deshalb macht es auch nichts, wenn man mal über den Hunger hinaus isst. Wenn Sie heute zwei Mal extrem über die Stränge schlagen, wird Ihr Körper dafür sorgen, dass Ihr Hungergefühl die nächsten Tage etwas nachlässt.

sueddeutsche.de: Und wie erklären Sie sich dann, dass es trotzdem so viele übergewichtige Menschen gibt? Haben die alle dauerhaft ihren Setpoint ignoriert?

Knop: Warum einzelne Personen dicker sind als andere, kann man natürlich nicht generell sagen. Das bestimmen maßgeblich die Gene. Sicher ist nur, dass wir alle einen unterschiedlichen Setpoint haben, und der muss nicht immer mit dem gesellschaftlichen Traummaß übereinstimmen. Für manche liegt der Setpoint bei einem Body-Mass-Index von 29, für andere bei 24. Dass beide damit optisch vielleicht nicht dem künstlich kreierten Körperideal entsprechen, ist aber nicht ein Problem der Ernährung, sondern unserer Gesellschaft.

sueddeutsche.de: Damit zweifeln Sie die Forschung von vielen Ihrer Kollegen an.

Knop: Ja, denn es gibt keine allgemeingültigen Ernährungsregeln. Die basieren fast alle nur auf statistischen Daten, die in irgendwelche Zusammenhänge gebracht werden um dann daraus einzelne, medienwirksame Schlagzeilen zu veröffentlichen. Für jede Theorie, die es auf dem Ernährungsmarkt gibt, finden Sie ebenso viele Beispiele, die Ihnen das Gegenteil belegen.

sueddeutsche.de: Sie haben jahrelang als PR-Berater gearbeitet. Da wissen Sie natürlich, dass sich die Botschaft "Iss, was du willst" viel besser verkaufen lässt als die Aufforderung zum Verzicht.

Knop: Ich habe das Buch nicht aus Kalkül geschrieben und ich sage ja auch nicht "Das ist die neue Ernährungs-Bibel". Seit sechs Jahren bekomme ich täglich mit, was an Propaganda und Studien auf die Menschen einrieselt. Irgendwann wurde mir das zu viel. Der Leser soll sich selber ein Bild machen können, er soll selbst entscheiden, ob er diesen widersprüchlichen Studien glaubt oder auf seinen Körper hören will. Hinter dem, was ich schreibe, stehe ich voll und ganz zu 100 und ein Prozent - und ich weiß, das klingt jetzt nach viel Pathos.

sueddeutsche.de: Stimmt. Sie selbst können es sich bestimmt leisten, nach dem Motto "Iss, was du willst" zu leben, oder?

Knop: (lacht) Mein Body-Mass-Index wird tatsächlich langsam immer niedriger, momentan liegt er bei 25,5. Offiziell gelte ich damit immer noch als übergewichtig. Zudem habe ich einen Bauchumfang von 95 Zentimetern und einen Fettgehalt von knapp über 20 Prozent. Da sollte ich jetzt eigentlich nachdenklich werden: "Alter Schwede, ich bin übergewichtig und fett" - Ich bin es aber nicht. Ich fühle mich pudelwohl.

Uwe Knop: Hunger & Lust. Das erste Buch zur Kulinarischen Körperintelligenz. Books on Demand, 13,80 Euro.

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