Ergebnisse unabhängiger Tests:Die Wellness-Lüge

Lesezeit: 3 min

Ägyptische Isis-Massage, Sauerstoffbad, Schoko-Packung: Viele angebliche Wellness-Angebote sind in Wahrheit nichts als Nepp.

Titus Arnu

Süßigkeiten genießen und dabei schlank werden? Kein Problem mit der Schoko-Behandlung, die ein Wellnesshotel in Österreich anbietet. In süßlicher PR-Prosa, gewürzt mit pseudo-medizinischen Fachwörtern, preist der Hotelprospekt die angeblich glücksbringende Schoko-Packung an: "Die antioxidierende Wirkung der Polyphenole, die gefäßschützende Wirkung der Flavonoide und die lipalytische Wirkung von Kaffein und Theabramin tragen dazu bei, Gewicht zu verlieren und sich rundum wohl zu fühlen."

Eine junge Frau genießt während einer Ayurveda-Massage einen "Kopfguss" mit warmen Kräuteröl (Foto: Foto: ddp)

Klingt supergesund, ist aber Quatsch mit Soße, urteilen Tester des Relax-Guide, einem unabhängigen Wellnesshotelführer. Anonyme Hotelprüfer des anerkannten Fachorgans haben sich anonym der klebrigen Schoko-Prozedur unterzogen und nach der Massage mit Zartbitterschokolade, dem Körperpeeling mit Kaffeepulver, dem Sahnebad und der Körperpackung mit Mousse au Chocolat nicht besser, sondern nur süßer und ärmer gefühlt.

Das Schokopaket kostet 246 Euro und bringt laut Wellness-Tester kaum etwas. Nicht einmal die Masseurin glaubte an die hautverjüngende Wirkung: "Da strafft sich gar nichts."

Ein fluffiges Modewort, sonst nichts

Der Begriff Wellness ist nicht geschützt, deshalb kann sich jeder selbst aussuchen, was eine Wellness-Behandlung eigentlich genau sein soll.

Das fluffige Modewort steht für klassische Sportmassagen ebenso wie für Farbberatung, für ernsthafte Anwendungen wie Akupunktur ebenso wie für das Kleopatra-Bad in lauwarmer Ziegenmilch. Hotels bieten neben dem mittlerweile fast obligatorischen Wellness-Bereich auch Wellness-Menüs, Wellness-Duschen und Wellness-Brunnen an.

Im Waldachtal im Schwarzwald gibt sogar einen ganzen Wellness-Wald: Dort wandeln Wellness-Wanderer über eine Meditationswiese zum "Platz des Mitgefühls", sammeln neue Energie am "Platz der Weitsicht und des Willens" und lassen in den Hängematten am "Platz der Leichtigkeit" die Seele baumeln.

Was ist Firlefanz, was ist wirklich Wellness? Um diese feine Unterscheidung kümmert sich der Österreicher Christian Werner, der jedes Jahr 20 Tester auf Wellnessreisen schickt, deren Beurteilungen mit einer Fachredaktion auswertet und umfangreiche Wohlfühl-Führer für Österreich, Deutschland und Asien herausgibt. In mehr als 2000 Hotels haben sich die Prüfer investigativ verwöhnen lassen und dabei viel Angenehmes, aber auch sehr viel Lächerliches erlebt.

So wunderten sich die Tester in einer Wellness-Herberge über eine "ägyptische Isis-Massage." Was das sein soll, wusste auch die Therapeutin nicht so genau. Zudem gab sie zu Protokoll, dass dabei für den Behandler keine Fachkenntnisse nötig seien, die Isis-Ausbildung dauere genau einen Nachmittag lang: "Das könnte jeder machen."

In der Steiermark wunderten sich die Tester über "Erlebnispissoirs" sowie über ein Hotel, das auch Zimmer direkt am Friedhof anbietet. Selbst ein Wellnesshotel mit KFZ-Werkstätte und zwei mit Tankstelle sind im Relax-Guide enthalten. Für problematisch und keinesfalls empfehlenswert hält Werner unter anderem auch so genannte Ayurveda-Intensivkuren, die ohne entsprechende Diät und medizinische Betreuung angeboten werden.

Skurrile bis katastrophale Zustände

Viele Touristen geben offenbar den gesunden Menschenverstand an der Rezeption ab, wenn sie in ein Wellnesshotel einchecken und gleich eine mehrere hundert Euro teure "Behandlung" buchen, die einen absurden Phantasienamen trägt und deren Wirkung zweifelhaft ist.

"Unsere Tester fanden in mehr als der Hälfte der Betriebe skurrile bis katastrophale Zustände", fasst Christian Werner zusammen, der früher Journalist war und sehr oft in Hotels von sehr unterschiedlicher Qualität gewohnt hat.

Dabei ärgerte er sich regelmäßig über die Frechheit von Hoteliers, die ihre Absteige an der Autobahnausfahrt als "Wellness-Oase" anpreisen. Lage, Ausstattung, Ambiente, Freundlichkeit des Personals und die Qualität der Behandlungen - alle diese Faktoren tragen aus seiner Sicht dazu bei, ob sich der Gast in einem Wellnesshotel wirklich wohlfühlt.

Rund 3,5 Millionen Wellness-Gäste werden in Österreich pro Jahr gezählt. Immer mehr Wellnesshotels öffnen ihre Pforten. In der Mehrzahl dieser selbsternannten Gesundheitsoasen ist ausreichende Qualität allerdings Mangelware.

Auch der Deutsche Wellness-Verband (DWV) verleiht ein objektives Gütesiegel, das von einer unabhängigen Jury vergeben wird. Professionelle Tester gehen nach einer Checkliste vor, die von Brancheninsidern und Verbraucherschützern entwickelt wurde: Liegt der Schwerpunkt des Hotels tatsächlich im Wellnessbereich?

Entspannen in der Wanne: Der Effekt ist unklar (Foto: Foto: ddp)

Auf qualifizierte Mitarbeiter und Wellness-Trainer wird bei der Vergabe des Gütesiegels ebenso Wert gelegt wie auf gesunde Kost und Nichtraucherbereiche. Nach Angaben von Lutz Hertel vom DWV erfüllen nur etwa zehn Prozent der untersuchten Hotels die Qualitätskriterien.

Therapien ohne Effekt

"Manche Anbieter denken, ein Minipool und eine Vier-Personen-Sauna geben ihnen schon den Status eines Wellness-Anbieters", sagt Fachmann Christian Werner. Die Gäste sind der Hotel-PR ausgeliefert - und letztlich ist es ein Glückstreffer, ob man in dem gewählten Hotel wirklich relaxen kann.

Unabhängige Gästekommentare im Internet und objektive Bewertungen werden deshalb immer wichtiger, um Nonsens-Wellness-Angebote zu enttarnen.

Derlei Wellnepp findet sich massenhaft - das Spektrum reicht von Zimmern mit Schrankbetten über industriell vorgefertigte Küchenprodukte bis hin zu schlecht ausgeführten Anwendungen. Die Tester registrierten eine starke Zunahme von Therapien ohne therapeutischen Effekt - meist sündteure Behandlungen, die keinerlei Auswirkungen auf den Organismus haben.

Zum Beispiel das "vitaminreiche Zitronenbad" oder das "Sauerstoffbad" in mit Sauerstoff angereichertem Wasser, das mit dem Versprechen ,,Der Sauerstoff wird vom Körper aufgenommen - ein Gesundbrunnen für die Haut und die inneren Organe'' verkauft wird.

"In Wahrheit können weder Vitamin C noch Sauerstoff von der Haut aufgenommen werden, und keinesfalls werden innere Organe davon beeinflusst," sagt Christian Werner.

Über den blühenden Unsinn eines "Arabischen Bades mit Tropenregen" können die Tester noch lachen, aber bei den fetten "Kasnockn" als Teil eines Vitalmenüs werde Wellness zum Witz, findet Werner. Die Krönung war das "Do-it-yourself-Peeling", das seine Tester in einem österreichischen Wellnesshotel entdeckten. Do-it-yourself-Peeling geht so: Der Gast wird unter die Dusche gestellt und soll sich die Haut abrubbeln - das macht dann 35 Euro, bitte.

© SZ vom 02.05.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: