Erfinder von Carcassonne:Die Spielmacher

Ihr erstes handgeklebtes Produkt hatte nur eine Auflage von 150 Stück. Inzwischen haben Bernd und Moritz Brunnhofer mehr als zehn Millionen Exemplare ihres Brettspiels "Carcassonne" verkauft. Ständig arbeiten sie an neuen Ideen.

Von Sabine Buchwald

Hans im Glück hat seinen Sitz in einer Schachtel. Jedenfalls von außen betrachtet erinnert der Bau an eine rechteckige Box. Im Vergleich zu den Hochhäusern drumherum sieht der Flachbau wie eine Spieleverpackung aus, was thematisch passt. Ein paar hundert Meter Luftlinie entfernt ragt der Olympiaturm in den Himmel. Man ist unübersehbar im Münchner Norden, und zu Besuch bei Hans im Glück - nicht bei der Burger-Restaurant-Kette, sondern dem Münchner Spieleverlag, den es schon viel länger gibt. Gegründet hat ihn vor 32 Jahren der Soziologe Bernd Brunnhofer zusammen mit Karl-Heinz Schmiel, einem ebenso spielebegeisterten Lehrer.

Die beiden kannten sich von Schachpartien und versuchten sich Anfang der Achtzigerjahre mit einem ersten selbstentworfenen Spiel: "Dodge City", ein vom Siebdruck des Spielbrettes bis zur geklebten Pappverpackung durch und durch handgefertigtes Eigenprodukt, das pro Stück 30 Mark Herstellungskosten verschlungen hat. Mit 150 Exemplaren sind Brunnhofer und Schmiel 1983 zu Deutschlands wichtigster Spielemesse nach Essen gefahren, um es vorzustellen - und bekamen gute Resonanz.

Das war der Anfang des Verlages, dem Schmiel nur noch als Berater zur Seite steht. Er ist zwar in einem unscheinbaren Haus ansässig, längst aber deutschen Großfirmen wie Ravensburger, Schmidt Spiele oder Kosmos ein ernsthafter Gegner. Jede verkaufte Schachtel zählt im konkurrenzbetonten Spielegeschäft. Und dass Brunnhofer mit "Carcassonne" einen internationalen Millionenseller landen konnte, das dürfte die Konkurrenz schon ein bisschen jucken. Brunnhofer aber sichert das Spiel von Klaus-Jürgen Wrede (Autor) und Doris Matthäus (Illustration) die Existenz.

Spieleverlag Hans im Glück

Vor mehr als 30 Jahren hat Bernd Brunnhofer (rechts) den Verlag "Hans im Glück" gegründet. Inzwischen arbeitet sein Sohn Moritz in der Firma mit.

(Foto: Lukas Barth)

Carcassonne ist inzwischen in 25 Sprachen übersetzt

"Etwa 80 Prozent unseres Umsatzes kommt von Carcassonne", sagt Brunnhofer bei einem Treffen in seiner Firma. Das wandelbare Legespiel, benannt nach der südfranzösischen Festungsstadt, haben sie im Oktober 2000 herausgebracht. "Wir hätten damals sofort 20 000 bis 30 000 Stück verkaufen können", glaubt Bernd Brunnhofer, aber so schnell konnte diese Menge gar nicht produziert werden. 2001 wurde es dann zum "Spiel des Jahres", diese Auszeichnung trieb den Verkauf wie ein Katalysator an.

Inzwischen ist Carcassonne in mehr als 25 Sprachen übersetzt - in Hebräisch und Vietnamesisch zum Beispiel -, und es gibt unzählige Varianten, mit denen es sich abwechslungsreich gestalten lässt. Zusammengenommen wurde Carcassonne bisher weltweit mehr als zehn Millionen Mal verkauft. Längst gehört es zu den Klassikern, die zum Standard jedes Haushalts gehören, in denen man nicht nur vor dem Fernseher zusammensitzt. Natürlich nicht ganz so groß, aber vergleichbar mit "Monopoly" oder "Mensch ärgere dich nicht".

Bernd Brunnhofer, Jahrgang 1946, hat beim Treffen im Firmenbüro ein silbernes Emblem am Revers seines schwarzen Sakkos stecken. Es hat die Form eines "Meeple", eine der Buchenholzfiguren von Carcassonne, die aussehen wie eine Mischung aus Berliner Ampelmännchen und Lauras Stern. Sie ist das Symbol für Hans im Glück. Brunnhofer hat diese kleine, gesichtslose Spielfigur, nur wenig größer als ein Daumennagel, die man stellen und legen kann, entworfen. Inzwischen ist sie weltweit derart populär, dass eine amerikanische Firma damit ein Merchandising-Business betreibt. Brunnhofers Sohn Moritz geht nicht mit einem Plagiatsprozess dagegen vor, sondern mit eigenen Ideen.

Seit gut fünf Jahren arbeitet Moritz Brunnhofer, 30, nun an der Seite seines Vaters. Nach einer Berufsfindungsphase, die ihm Erfahrung in verschiedenen Studiengängen und der Münchner Barszene brachte, wurde ihm klar, dass er sich tatsächlich auch für das interessiert, womit er aufgewachsen ist. Weil die Mutter mit ihrem Job lange das Familieneinkommen sicherte, fuhr er schon als Bub mit dem Vater auf die Messen und war bei Spielerunden dabei. Zum Einstieg habe er wie ein Praktikant erst mal den Keller aufgeräumt, erzählt er, und 2011 dann für Hans im Glück den Online-Handel aufgebaut. Neben Spielen und Ersatzteilen kann man jetzt viel Meeple-Zeug bestellen: Ohrringe, Sticker, Back- und Eiswürfelformen, T-Shirts. Und er denkt über ein Meeple-Spiel nach.

"Es war uns damals nicht klar, dass wir so einen Knüller landen würden"

Als Bernd Brunnhofer kurz nach der Gründung aus einer Liste mit möglichen Firmennamen "Hans im Glück" rauspickte, war nicht vorhersehbar, dass ihm mal so viel Glück mit einem Spiel beschert sein würde. Er hätte auch nie gedacht, dass er sechs Mal den sogenannten Pöppel, wie die Auszeichnung "Spiel des Jahres" in Fachkreisen heißt, bekommen würde. Ebenso wenig, dass er den Markt in 30 Jahren mit mehr als 100 Spielen bereichern könnte. Ist es Talent oder vor allem Erfahrung, Erfolg zu haben?

Bernd Brunnhofer sitzt an einem großen Tisch, der in der Mitte des Büros steht, und blickt von den ausgebreiteten, quadratischen Carcassonne-Kärtchen auf seinen Sohn und zurück. "Es war uns damals nicht klar, dass wir so einen Knüller landen würden", sagt er. "Es ist ein simples Spiel." Sein Sohn ergänzt: "Man kann es aber auch sehr fordernd spielen." Sein Vater antwortet: "Es kann bös und lieb gespielt werden." Da klingt nach bald fünfzig Jahren in München der Charme des Grazers durch. Und man hört auch: Es gibt kein Erfolgsrezept. Höchstens ein paar Kriterien, die erkennen aber auch die anderen Spieleverlage nicht sofort.

Mehr als 400 Spieleideen kommen jedes Jahr

Fast hätten sie "Die Siedler von Catan" bekommen, das Supererfolgsspiel, das heuer sein 20-Jähriges feiert. Monatelang sei es bei Kosmos gelegen, so dass Autor Klaus Teuber bei Bernd Brunnhofer anrief, und fragte, ob er es sich nicht mal anschauen könnte. 1991 hatte Teuber das für den Verlag erste "Spiel des Jahres" "Drunter & Drüber" bei Brunnhofer herausgebracht. Sicher hätte er die Siedler als Freundschaftsdienst begutachtet. Ob sie das Spiel wirklich herausgebracht hätten, da sei er sich nicht sicher, sagt Brunnhofer ehrlich. Schließlich hat die Konkurrenz die Siedler dann doch aus der Warteschleife geholt und inzwischen mit vielen Erweiterungen 22 Millionen Mal verkauft.

Mehr als 400 Spieleideen bekommt der Hans-im-Glück-Verlag jährlich zugeschickt. Oft seien es Abwandlungen von bereits bekannten Titeln, die aber keine Chance haben. Immerhin 100 schaffen es, intern getestet zu werden. Zuerst werden nur die Spielregeln geprüft, dann nimmt sich ein Team einen Prototypen vor. Wenn das Potenzial erkannt, aber Defizite spürbar sind, wird meist mit dem Autor verhandelt.

Das sei wie ein Ping-Pong-Spiel, sagt Bernd Brunnhofer. Am Ende kommen sie mit zwei bis vier neuen Spielen jährlich auf den Markt. Das sind Gesellschaftsspiele, die grafisch und in der Verarbeitung qualitätsvoll sind, aber nicht immer familientauglich wie 2014 das komplexe Themenspiel "Russian Railroads". "Lieber weniger, aber qualitativ hochwertig", das ist Moritz Brunnhofers Devise. Seinem Vater liegt immer noch viel an der Produktentwicklung, der Sohn kümmert sich mehr ums Tagesgeschäft und die Lizenzen. 60 bis 70 Prozent des Verkaufs ist im Ausland.

In diesen Tagen sind die Brunnhofers in Nürnberg auf der Spielemesse. Sie werden wie immer viele Gespräche mit Autoren führen. Die Szene sei ein bisschen wie ein Kaninchenzüchterverein, sagt Bernd Brunnhofer und lacht. Sein Sohn sagt darauf ernst: "Es gibt eine gewisse Erwartungshaltung an uns."

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