"Er sagt, sie sagt" zum Navigationsgerät:Frag nicht!

Er sagt, sie sagt

Wo geht es nochmal hin?

(Foto: iStockphoto / Yinfinity)

Das Paar ist spät dran, das Navi streikt. Doch er weigert sich, Ortskundige um Hilfe zu bitten. Ein Beziehungsdrama in Dialogform.

Von Violetta Simon

Auf einer Landstraße, unterwegs im Auto. Sie wollen zu Tante Mathildes 70. Geburtstag, der in einem Gasthof irgendwo in der Pampa stattfindet.

Er: Das ... darf doch nicht wahr sein!

Sie: Was ist passiert, findet dein Navi den Weg nicht?

Er: Schlimmer! Kein Lebenszeichen! Schau, alles schwarz.

Sie: Bestimmt hast du wieder vergessen, den Akku aufzuladen. Oder den Kartenaktualisierungsservice nicht verlängert.

Er: Quatsch. Das hat doch damit nichts zu tun!

Sie: Ich wollte nur helfen.

Er: Dann hör' auf, mir Vorwürfe zu machen!

Sie: Ist ja gut, sehen wir eben auf der Karte nach. (Öffnet das Handschuhfach und beginnt zu wühlen.) Wo ist denn die Deutschland-Karte? Und die von Bayern?

Er: Hab' ich entsorgt. Brauchen wir jetzt nicht mehr, wo wir das Navi haben.

Sie: So kann man sich täuschen. Na, zum Glück war dadurch Platz für die Gebrauchsanweisung.

Er: Am besten, wir sehen mal unter "Neustart" nach.

Sie (liest vor): "Setzen Sie Ihr Navigationsgerät zurück, indem Sie den Ein/Aus-Knopf drücken, bis Sie ein Trommelgeräusch hören. Das Gerät startet nach dem Reset neu."

Er (drückt den Knopf): Ich hör nix. Hörst du was?

Sie: Was meinen die mit Trommelgeräusch? Wie im Zirkus, wenn es spannend wird? Und am Ende folgt ein Tusch - tataaa!

Er: Sei doch mal still! Jetzt hab' ich es verpasst.

Sie: Vielleicht hat es ja nur hauchzart getrommelt. Oder schüchtern geflötet. Jedenfalls schweigt es jetzt.

Er: Ausgerechnet jetzt.

Sie: Dann versuche ich es eben übers Handy. (Sie tippt, hält das Smartphone in die Höhe, streckt es aus dem Fenster) Mist, kein Netz. Und wenn wir einen Passanten nach dem Weg fragen?

Er: Ich lasse mir nur ungern von einem wildfremden Menschen erklären, wohin ich zu fahren habe.

Sie: Aber von einem Bordcomputer schon, oder wie?

Er: Außerdem ist hier weit und breit niemand.

Sie: Dann erkundigen wir uns eben bei der nächsten Tankstelle.

Er: Sicher nicht! Ich stell mich doch nicht in die Kassenschlange und posaune vor allen Leuten heraus, dass ich mich verfahren habe - am Ende denken die noch, ich hätte kein Navi!

Sie: Du hast vielleicht Probleme. Dann mach' ich das eben.

Er: Darf ich dich daran erinnern, dass ich beim letzten Mal 20 Minuten im Auto gewartet habe? Und als du endlich zurückkamst, wusstest du schon beim Einsteigen nicht mehr, in welche Richtung es weiterging.

Sie: Wenigstens habe ich es versucht! Und für meinen kleinen Orientierungsdefekt kann ich nichts. Aber du kannst was für deine Sturheit! Würdest du dich nicht so anstellen, wären wir längst da.

Was redet das Ding?

Er legt den Gang ein und fährt weiter. Schaut sich suchend um. Flucht. Drückt erneut wild auf den Knöpfen des Navigationsgeräts herum. Plötzlich ist aus dem Gerät eine weibliche Stimme zu hören.

Navi: Pokračujte rovně. Po 200 metrù na křižovatce vpravo.

Er: Du sprichst! Wie schön, deine Stimme zu hören. Ich wusste, dass du mich nicht im Stich lässt.

Sie: Hörst du dich eigentlich selber reden? Du klingst wie ein liebeskranker Greis.

Navi: Na příští křižovatce doprava.

Sie: Was redet das Ding da überhaupt?

Er: Ich verstehe auch nicht, was sie mir sagen will.

Sie: Wie dramatisch. Wenigstens dieses Los haben sie und ich gemeinsam.

Navi: Na příští křižovatce doprava.

Er: Offenbar wurde die Spracheinstellung zurückgesetzt.

Sie: Klingt irgendwie Finnisch. Oder eher Tschechisch?

Er: Ich muss nur das Gerät neu programmieren, dann verstehen wir sie wieder.

Sie: Vergiss' es, dafür haben wir jetzt keine Zeit.

Er: Lass' es mich wenigstens versuchen. (Er drückt, wird wütend, drückt hektischer, flucht, bettelt, rauft sich die Haare.)

Navi: Vire à direita no proximo cruzamento.

Sie: Na toll. Jetzt spricht sie portugiesisch.

Er: Ich finde, das hat schon wieder was. So bekommt man auch ganz nebenbei ein Gefühl für andere Sprachen.

Ein Fußgänger bewegt sich auf den Wagen zu.

Er (schaut erst den Mann an, dann sie): Ich frage nicht, basta.

Sie: Und ich spreche nie mehr ein Wort mit dir, wenn wir zu spät kommen.

Er: Ich ... kann nicht.

Sie: Du weißt schon, dass es als Hauptgang Coq au vin gibt?

Er: Also gut. Aber frag' du. Bitte.

Sie lässt sich den Weg erklären. Es stellt sich heraus, dass es ganz in der Nähe ist.

Sie: Puh, Glück gehabt. Die nächste rechts, dann sind wir da.

Er: Das wollte sie uns die ganze Zeit sagen!

Navi: Sie haben Ihr Ziel erreicht!

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