"Er sagt, sie sagt" zu TV-Serien:"Immer guckst du ohne mich"

Er sagt sie sagt

Grusel? Schmonzette? Oder besser getrennt schauen?

(Foto: iStockphoto / Yinfinity)

Was sagt es über ein Paar aus, wenn es sich partout nicht auf eine Fernsehserie einigen kann? Ein Beziehungsdrama als Dialog.

Von Violetta Simon

Sie: Was guckst du da? Kann ich mitschauen?

Er: Agents of Shield - ich glaube nicht, dass dir das gefällt.

Sie: Woher willst du das wissen?

Er: Zu viel Action. Du magst doch nur so 'n Mädchenzeug.

Sie: Blödsinn! Nur, weil ich keine Filme mag, in denen eimerweise Blut fließt und Untote durchs Bild taumeln.

Er: Ich weiß nicht, wovon du sprichst. So was Brutales passiert bei Agents of Shield nicht, das sind Geheimagenten, die einer Geheimorganisation angehören. Diese Handlung hat schon ein bisschen mehr Tiefgang.

Sie: Ich glaube, jetzt fällt es mir wieder ein: Ist das nicht die Serie, in der sie einer Frau Symbole in die Haut ritzen und einer anderen den Bauch aufschneiden, um von deren Organen zu leben?

Er: Siehst du? Ich wusste, dass du es nicht verstehen würdest. Hier geht es um etwas viel Höheres - um die Rettung der Menschheit! Offensichtlich hast du dich nie mit der Komplexität der Figuren auseinandergesetzt - und mit ihren Superkräften.

Sie: Nein, mein Schatz, das stimmt. Das Ganze war mir wohl doch zu, äh, komplex. Ich weiß nicht, können wir nicht was anderes ansehen?

Er: Ja, aber was denn? Es gibt nichts, bei dem wir auf demselben Stand sind.

Sie: Aber nur, weil du immer ohne mich weiterguckst, wenn ich mal weg bin. So wie bei Lilyhammer.

Er: Was soll ich denn machen, wenn du einfach während der Serie verreist.

Sie: Das war eine Abendveranstaltung! Und du hast die komplette Staffel ohne mich geschaut - die ganze Nacht durch!

Er: Dafür hast du Orange is the new Black ohne mich gesehen.

Sie: Die Serie hätte dir ohnehin nicht gefallen - es wurden keine Gliedmaßen abgetrennt und es gab keine Explosionen.

Er: Mag sein, aber in dem Fall hätte ich sogar eine Ausnahme gemacht.

Sie: Ja, sicher. Glaub' ich dir aufs Wort.

Er: Also gut, Misses Filmkritikerin, was sollen wir uns ansehen? Ich nehme an, etwas mit Tiefgang, emotional anspruchsvoll.

Sie: Allerdings. Wie wäre es mit Flaked, das könnten wir weiterschauen. Es spielt in Venice Beach, da ist immer schönes Wetter!

Er: Dann sollte ich wohl eine Sonnenbrille tragen, damit ich durchblicke. Jetzt mal im Ernst, das ist todlangweilig: Ein Typ, der dreibeinige Hocker baut und zwischendurch mit dem Rad durch die Gegend fährt. Da bin ich schon nach der zweiten Folge ausgestiegen.

Sie: Siehst du, und dann wirfst du mir vor, dass wir nichts zusammen ansehen können. Dabei lässt du dich gar nicht erst auf die Handlung ein. Du könntest dich ruhig mal ein bisschen bemühen. Dann verstehst du auch, was dahintersteckt.

"Du lachst immer an den falschen Stellen"

Er: Ach ja? Und was ist mit dir? Wenn wir etwas gucken, das mir gefällt, lachst du prompt an den falschen Stellen. Aus reinem Sadismus.

Sie: Und du spulst immer gleich weiter, wenn es mal nicht spannend genug für dich ist.

Er: Und du regst dich immer über angebliche Regiefehler auf - und mampfst dabei Knusperzeug, man versteht kein Wort!

Sie: Und du schläfst absichtlich ein. Und schnarchst, demonstrativ und extra laut!

Er: Aber nur, weil du dir immer diese öden Schmonzetten ansiehst!

Sie: Das ist noch lange kein Grund, gleich einen Eimer drunterzustellen, das war hundsgemein!

Er: Das war doch nur, um den Schmalz aufzufangen!

Sie: Ich werde dir beweisen, dass ich keine Schmonzetten brauche. Lass uns eine dieser Detektivserien schauen.

Er: Na gut, ich habe noch was in Reserve, da bin ich allerdings auch schon bei der dritten Folge: Ray Donovan. Du kannst gerne mitschauen, aber nur, wenn du Ruhe gibst.

Sie: Mal sehen. Los, rutsch - und, worum geht es?

Er: Um einen Mann, der für eine Anwaltskanzlei arbeitet.

Sie: Oh, ein Anwalt! Wie schön.

Er: Nicht direkt, eher so eine Art Problemlöser.

Sie: Ist das denn ein Beruf?

Er: Er kann jedenfalls gut davon leben. Er kümmert sich um alle möglichen Dinge für andere Leute. Beobachtet Personen, setzt sie unter Druck, treibt Geld ein.

Sie: Aha. Und das da ist seine Frau?

Er: Nein, seine Geliebte.

Sie: Ein Typ, der Menschen unter Druck setzt, Geld eintreibt und seine Frau betrügt - so was gefällt dir?

Er: Willst du jetzt über meinen Filmgeschmack diskutieren - oder eine ethische Debatte vom Zaun brechen?

Sie: Mein Gott, sei doch nicht gleich so aggressiv. Das kommt sicher von diesen komischen Serien, die du immer anguckst.

Er: Die sind nicht komisch - DU bist komisch! Deswegen können wir auch nichts zusammen ansehen.

Sie: Können wir nicht etwas finden, das uns beiden gefällt? Womöglich sind wir ja gar nicht füreinander bestimmt.

Er: Wie konnten wir nur denken, dass wir zusammenpassen. Wir können uns ja nicht mal auf einen Film einigen.

Sie: Ich glaube, jetzt brauchen wir was Romantisches. Etwas, das uns ablenkt von unserem Elend.

Er: Also gut, wenn es unbedingt sein muss. Ich brauche ohnehin ein bisschen Schlaf. Aber bitte keine Serie, eine DVD reicht völlig.

Sie (kramt in ihrer Box mit dem Aufkleber "Love Edition"): Wie wäre es damit: Nicholas Sparks - du kannst wählen: "Das Leuchten der Stille", "Wie ein einziger Tag" oder "Nur mit dir".

Er: Oh je. Entscheide du - ich komm' gleich wieder.

Sie: Wo gehst du hin?

Er: Ich hol schon mal den Eimer. Für den Schmalz.

Die besten Folgen der Kolumne "Er sagt, sie sagt" sind bei SZ Editionen als Buch erschienen.

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