"Er sagt, sie sagt" zu glücklichen Paaren:"Widerlich, diese Harmonie!"

"Er sagt, sie sagt" zu glücklichen Paaren: Klammer-Pärchen nerven, da ist sich unser Paar ausnahmsweise einig.

Klammer-Pärchen nerven, da ist sich unser Paar ausnahmsweise einig.

(Foto: iStockphoto/Yinfinity)

Glückliche Paare sind die Pest. Zumindest solche, die ihr Glück demonstrativ zur Schau tragen. Darin sind er und sie sich zur Abwechslung mal einig.

Paarkolumne von Violetta Simon

Sie: Hast du gesehen, wie Hannah und Chris wieder zusammengehangen sind?

Er: Hör' mir bloß auf. Die hat sich an ihn geklammert wie ein Orang-Utan-Baby.

Sie: Und wie er ihr ununterbrochen den Rücken gestreichelt hat, in kreisenden Bewegungen? Ich dachte, er schabt ihr die Haut ab.

Er: Nicht mehr lange, und er hätte ihre Wirbelsäule freigelegt.

Sie: Und zwischendurch hat sie immer wieder an seinem Ohrläppchen genuckelt. Sogar beim Essen. Wahrscheinlich hatte er am Ende des Abends Auflaufreste im Gehörgang.

Er: Dafür hat er den ganzen Abend ihre Hand nicht losgelassen. Dass die das nicht nervt, ich könnte dabei gar nicht essen!

Sie: Du hast ja gesehen: Sie haben sich gegenseitig gefüttert.

Er: Wirklich gruselig. Und hast du gehört, wie sie die Vorspeise kommentiert haben? "Wir mögen keine Pilze - wegen der Strahlung." Offenbar haben sie die erste Person Singular abgeschafft. Fehlt nur noch, dass sie sich gegenseitig auf die Toilette begleiten.

Sie: Aber das Beste war, dass sie um 22 Uhr sagt: "Ich bin müde, kommst du?"

Er: Und was hat er geantwortet?

Sie: Na, tschüss!

Er: Richtig so. Das hätte ich mir auch nicht gefallen lassen.

Sie: Aber nein, zu uns hat er tschüss gesagt. Er ist aufgestanden, hat ihr in die Jacke geholfen und sie sind verschwunden.

Er: Widerlich, diese demonstrative Harmonie. Eindeutig zu viel Happiness für meinen Geschmack.

Sie: Sie treten uns normale Paare mit Füßen. Man fühlt sich so ... so unzureichend, als hätte man etwas nicht geschafft.

Sie: Ja, man fühlt sich, als hätte man nur die zweite Wahl abgekriegt.

Er: ...

Sie: Also, nicht dass du zweite Wahl wärst, im Gegenteil!

Er: Siehst du? Beinahe wäre es ihnen gelungen, Streit zwischen uns zu säen.

Sie: Ich sag' dir was: Die wollen einem den Spaß an der eigenen Beziehung verderben. Genau wie Agnes und Herrmann mit ihrer perfekt durchgestylten Wohnung. Jedes Mal, wenn ich bei denen zu Hause war, habe ich anschließend das Bedürfnis, alles umzustellen und neue Möbel zu kaufen. Oder gleich auszuziehen. Ich brauche Tage, bis ich das überwunden habe.

Er: Schrecklich, solche Leute. Ich finde es jedenfalls sehr wohltuend, dass wir das ganze Herumgefummle nicht brauchen.

Sie: Ja, wir müssen unser Glück nicht jedem auf die Nase binden.

Er: Und andere Paare mit solchen Demonstrationen demütigen.

Sie: Andererseits ... hin und wieder könntest du ruhig mal meine Hand nehmen. Oder mich umarmen. Versteh' mich nicht falsch, aber gerade wenn wir neben Hannah und Chris sitzen. Ich meine, wie sieht das denn aus? Als hätten wir 'ne Krise oder so was.

Er: Aber wir haben doch keine Krise, oder?

Sie: Aber nein, wir doch nicht!

Er: Also gut, wenn du meinst. Ich könnte dich ja mal ein bisschen am Nacken kraulen. Wenn gerade niemand hersieht.

Sie: Ja, ich denke, das wäre durchaus vertretbar.

Er: Was meinst du: Ob du das mit dem Ohr vielleicht mal bei mir ausprobieren könntest?

Sie (grinst): Aber mit Vergnügen - mit oder ohne Speisereste?

Er: Ohne, natürlich! Wie gesagt, wir wollen niemanden neidisch machen.

Die besten Folgen der Kolumne "Er sagt, sie sagt" sind bei SZ Editionen als Buch erschienen.

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