"Er sagt, sie sagt":Ich bin kein Mustermännchen

popart teaser kolumne "er sagt, sie sagt"

Arbeitsteilung unter Paaren - ein Minenfeld.

(Foto: iStock)

Sie steht am Spülbecken, beide Hände in Gummihandschuhen. Neben ihr türmt sich das Geschirr vom Abendessen und vom Vortag. Er hat sich in die Zeitung vertieft und tastet abwesend nach der Plätzchendose, die auf dem Tisch steht.

Von Violetta Simon

Sie: Könntest du abtrocknen?

Er: Sorry, hab' gerade keine Hand frei.

Als sie sich umdreht, hat er die Plätzchendose in der einen, den Deckel in der anderen Hand.

Sie: Das finde ich nicht lustig. Meinst du nicht, dass du dich auch mal am Abwasch beteiligen könntest - wenn du sonst schon nichts zum Abendessen beiträgst?

Er: Ich habe erst letzte Woche für uns beide gekocht! Ist das vielleicht nichts?

Sie: Doch, aber jedesmal muss ich den Dreck wegmachen. Ich beneide Manuela. Der Carsten kocht fast jeden Abend. Der würde sich trotzdem nie vor dem Spülen drücken. Den muss man nicht mal bitten. Der macht das von alleine.

Er: Toller Hecht, dieser Carsten. Weißt du, wie mich das nervt, dass du jedes Mal Super-Carsten als leuchtendes Vorbild anbringst, wenn du etwas an mir auszusetzen hast? Falls du es vergessen hast: Er ist Fitnesstrainer. Und kann gerade nicht arbeiten, weil er einen Bänderriss hat. Der hat Zeit ohne Ende.

Sie: Er ist trotzdem ein aufgeklärter, fortschrittlicher Mann.

Er: Und was bin ich, ein Höhlenbewohner? Du bist total unfair! Warum vergleichst du mich immer mit diesem Mustermännchen, warum nicht ausnahmsweise einmal mit ... sagen wir: Sebastian. Mein Schwager sitzt nur herum und lässt sich von vorne bis hinten bedienen. Sagt jedenfalls meine Schwester.

Sie: Warum sollte ich dich mit diesem Blindgänger vergleichen?

Er: Weil ich dann gleich viel besser abschneide.

Sie: Kein Wunder. Der Typ ist die totale Niete.

  • popart teaser kolumne "er sagt, sie sagt" Die Fettecke kommt weg!

    Wenn sie kocht, ist es Routine. Wenn er kocht, ist es Kunst. Zumindest gleicht die Küche nach dem Schaffensprozess dem Atelier eines Aktionskünstlers.

Er: Ja eben! Es geht weitaus schlimmer, als mit mir. Und weißt du, was seine Frau bestimmt jeden Abend zu ihm sagt? "Nimm' dir mal ein Beispiel an deinem Schwager." Damit meint sie mich! Für die bin ICH ein Carsten. Du solltest mal die Perspektive wechseln. Das hilft.

Sie: Du meinst, ich soll meine Einstellung ändern, nur weil du zu faul bist, abzutrocknen?

Er: Ich meine, du solltest mir nicht vorwerfen, dass ich kein Carsten bin. Sondern lieber froh sein, dass ich kein Sebastian bin. Ich vergleiche dich ja auch nicht ständig mit Paula.

Sie: Paula? Doch nicht die Paula? Ich bitte dich.

Er: Na gut, dann eben mit Anna.

Sie: Wer bitte ist das denn jetzt wieder?

Er: Meine Kollegin aus der Rechtsabteilung, sie ist seit drei Wochen Mitglied der Geschäftsfführung.

Sie: Ach Gott, wieder so eine karrieregeile Powerfrau ohne Privatleben, die ihren Job über alles stellt?

Er: Sie hat drei Kinder mit ihrem Mann. Gestern im Meeting war sie nur per Skype zugeschaltet, Plätzchenbacken für die Kita.

Sie: Ui, Anna, die Superfrau. Sicher hat sie einen Hausmann daheim, auf dessen Kosten sie das alles wuppt.

Er: Ja, und ich weiß auch wie er heißt: Carsten.

Sie: Sehr witzig.

Er: So, und weil ich deiner Karriere nicht im Weg stehen will, helfe ich dir jetzt abspülen. Setz' dich hin, ruh' dich aus. Ich werde mich von nun an überhaupt verstärkt dem Haushalt widmen. Werde sämtliche Aufgaben, die wir uns bisher geteilt haben, alleine übernehmen. Werde die Kinder versorgen und erziehen, die Wäsche waschen, das Bad putzen, einkaufen, kochen und mich ums Auto kümmern. Ich werde ein Carsten, wie ihn die Welt noch nicht gesehen hat.

Sie: Und ich?

Er: Na, du wirst Chef.

Sie: Gib' das Handtuch her. Ich mach' das.

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