Eltern auf Facebook:Mein Vater, der Spion

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Gestohlene Online-Identität: Viele Kids empfinden die Kontrolle der Eltern als derart belastend, dass sie sich aus den Social-Media-Plattformen zurückziehen. (Foto: Jens Wolf/dpa)

Die meisten Eltern sind mit ihren Kindern auf Facebook befreundet. Allerdings nicht, weil sie so cool und innovativ sind. Sondern weil sie ihre Kids kontrollieren wollen. Dabei erreichen sie damit genau das Gegenteil.

Von Philipp Selldorf

Man hätte es sich eigentlich denken können: Mama und Papa sind gar nicht bei Facebook, weil sie so jung und entspannt und digital geblieben sind. Sie sind dabei, weil sie den Kindern hinterherspionieren wollen.

Fast die Hälfte aller amerikanischen Eltern sind vor allem deswegen auf der Social-Media-Plattform, weil sie wissen wollen, was ihre Kids dort treiben. Und die meisten, immerhin 43 Prozent, checken sogar jeden Tag den Status ihres Kindes und die Fotos, die es mal wieder draufgestellt hat - alles heimlich natürlich. Zumindest hat das gerade eine Studie der Online-Datenbank "Education Database Online" festgestellt. Da wundert sich keiner mehr, dass inzwischen 72 Prozent aller Mütter Facebook-Accounts haben - 2010 waren es noch 50 Prozent.

Nun wissen die Kids ja theoretisch ganz genau, wie sie sich gegen solche digitalen Helikopter-Attacken schützen können; tatsächlich sagen rund 80 Prozent, dass sie gewisse Zugangsbegrenzungen eingerichtet haben - gegen Eltern und andere unliebsame Besucher. Andererseits sind 72 (nach anderen Zahlen sogar 92 Prozent) dieser neugierigen Eltern mit ihren Kindern auf Facebook befreundet - was den Zugang naturgemäß recht leicht macht.

Überwachung oder nicht? Das scheint zunächst einmal vor allem eine Frage des Alters zu sein. Inzwischen ist es üblich, dass Eltern ihrem Nachwuchs sogar beim Einrichten eines Facebook-Accounts helfen - und sich dann gleich als Freund und Freundin eintragen lassen. Obwohl Facebook den Zugang erst ab dem Alter von 13 Jahren erlaubt, sind viele dieser Kinder um einiges jünger; rund 17,5 Millionen, schätzt man, sind es derzeit allein in Amerika, und ihre Zahl wird weiter steigen.

Die Kontrolle sei ja nur zum Besten der Kinder, werden viele Eltern einwenden, man kenne ja die digitalen Raubtiere, die vor allem jüngere Kinder verführen und gefährden. Heutige Eltern erleben eine Welt, in der Kinder scheinbar ständig von Gefahren umringt sind; eine Welt, in der sogar ein US-Senator ein Video auf Youtube stellt, in dem er erklärt, wie man die Kinderzimmer und Computer am effektivsten durchsuchen kann; eine Welt, in der Software-Firmen spezielle Spyware anbieten, um den Facebook-Account des Sohnes trotz aller Riegel doch heimlich zu knacken.

Sicher, oft geht es um die Kontrolle der kleineren Kids. Aber die Spionagetätigkeiten hören ja nicht auf, nur weil das Kind auf der Highschool oder schon längst auf dem College ist. Da wird dann immer noch fleißig überwacht. Und wer sagt schon seiner Mutter, dass er nun mit 16 eigentlich nicht mehr mit ihr auf Facebook befreundet sein will? Damit setzt er sich gleich einem Generalverdacht aus, denn wenn er nichts zu verbergen hätte, klagt die Mutter mit tränennassen Augen, wo liege dann das Problem ... trickreich arbeitet sie mit dem schlechten Gewissen der Kinder und setzt deren Schuld grundsätzlich voraus. Kein Wunder, dass man irgendwann aus Facebook abwandert.

Die Sorge um die allumfassende Sicherheit kann dabei das Wichtigste zerstören, was es zwischen Eltern und Kindern geben sollte: Vertrauen. Es gab wohl immer schon Mütter, die heimlich das Tagebuch der Tochter lasen - und dann, wenn sie etwas entdeckten, vor einem Dilemma standen: wie sagen, ohne den Vertrauensbruch zuzugeben? In der digitalen Welt kann es sogar noch schlimmer kommen - in einer anderen Umfrage gaben fast eine halbe Million amerikanischer Kids unter 18 an, ihre Eltern hätten ihnen ihre Online-Identität gestohlen - was ja wohl der ultimative Betrug innerhalb der Familie sei, wie einer der Datenanalysten damals geschockt formulierte.

© SZ vom 09.03.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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