Elektrorad im Test:Mit Schwung und Gefühl

Elektrofahrräder sind längst nicht mehr nur etwas für Senioren - sie werden immer schneller und sehen auch immer besser aus. Das Pedelec Delite Hybrid 500 HS im Test.

Birgit Lutz-Temsch

Auf Comicfiguren wirken manchmal enorme Kräfte. Die Figuren verharren dann kurz regungslos in der ursprünglichen Position, bevor sie in aberwitziger Geschwindigkeit davonschnellen. So fühlt man sich, wenn man zum ersten Mal auf das Delite Hybrid 500 HS von Riese und Müller steigt, und ein lustiger Kollege den Motor zuvor auf die höchste Stufe gestellt hat. Nach dem ersten sanften Antreten beschleunigt das Rad so rasant, dass man Mühe hat, alle Körperteile beieinander zu behalten, auf dem Sattel sitzen zu bleiben und außerdem nicht gegen die Tiefgaragenwand des Verlagsgebäudes zu donnern.

Es hat also ordentlich Wumms, das Delite Hybrid: Der Motor BionX PL-500 in der Hinterradnabe hat 500 Watt. Die Unterstützung ist in vier Stufen regulierbar, von sanftem Anschieben in der ersten Stufe bis zum Comic-Effekt in der vierten. Wann welche Stufe nötig ist, und wie vor allem das Rad reagiert, dafür braucht es Einfühlungsvermögen. Das ist auch für den kleinen Computer am rechten Lenkergriff nötig, über den man die Stufen regulieren oder zum Beispiel das Licht anschalten kann. Letzterer simpler Vorgang erfordert schließlich das Nachlesen in der Betriebsanleitung: Beim Druck auf den Knopf geht zwar das Licht an, nach dreimaligem Piepsen aber stets wieder aus. Lösung: Der Knopf muss zart und lang gedrückt werden, nicht fest und kurz.

Dem Hightech-Rad sollte man sich also mit der Anleitung und viel Gefühl nähern. Das mit dem Gefühl ist noch schwieriger, wenn man Handschuhe trägt - und die braucht man angesichts der hohen Geschwindigkeit in Kombination mit relativ wenig Bewegung schneller als auf einem normalen Rad. Das Pressen der etwas bedienerunfreundlichen Tasten fällt unweigerlich entweder zu fest oder zu leicht aus.

Damit sind die im Test aufgetretenen Schwierigkeiten allerdings genannt. Das Delite verschafft dem durchschnittlichen Radfahrer eine enorme Erweiterung der Reichweite und daneben jede Menge Fahrspaß. Wer das Delite sportlich fährt, kommt dabei immer noch ins Schwitzen. Der gelbe Flitzer unterscheidet sich dabei auffallend von vielen anderen Hybridrädern:

Das Delite ist kein Rad für Rentner, die einen Hilfsmotor benötigen. Es ist eine verstärkte Rennmaschine für den dynamischen Stadt- und Landradler, der das E-Bike als Verkehrsmittel der Zukunft begreift und möglichst schnell, sauber und stylish von A nach B kommen will. Es macht auf den ersten Blick den Eindruck eines kleinen Kraftpakets. Dadurch bekommt es die kommunikationsfördernde Funktion, die man von kleinen Kindern und Hunden kennt: Wer mit diesem Rad an der Ampel steht, wird oft angesprochen.

Leuchten die Augen der Fragenden noch beim Erläutern der Vorteile des Elektroantriebs, erlischt das Feuer in den Augen bei den meisten allerdings, sobald sie den Preis hören: 3999 Euro kostet das Delite in der Vollausstattung. Dafür kommt es aber auch mit pulverbeschichtetem Aluminiumrahmen, Marzocchi-Gabel mit einstellbarer Federung, Schwalbe-Bereifung, Shimano-SLX-Shadow-Schaltwerk, einer Bumm Lumotec LED-Lichtanlage mit Standlicht und Magura-Scheibenbremsen daher.

Der Akku ist ein 36-Volt-Lithium-Ionen-Akku mit einer Leistungsfähigkeit von zehn Amperstunden. Die daraus resultierende Reichweite hängt stark von der gewählten Leistungsstufe ab: Bei kontinuierlichem Brausen in der höchsten Stufe kommt man manchmal auch nur gut 40 Kilometer weit. Bei Stufe 1 und 2 musste man im Test erst nach durchschnittlich 80 Kilometer wieder aufladen. Im Winter schlägt sich der Akku selbst bei Temperaturen unter zehn Grad Minus noch tapfer: Zwar muss man merklich schneller wieder an die Steckdose, aber ein sinnvoller Gebrauch des Rads ist trotzdem möglich - und weder Akku noch Motor lassen sich vom Matsch beeindrucken.

Wenn man sich allerdings in der Reichweite verrechnet, taucht ein ganz anderes Comic-Bild vor dem inneren Auge auf: Nämlich das von Figuren, denen die Zunge vor Erschöpfung meterweit auf den Boden hängt. Denn das Delite wiegt ganz unleichte 26 Kilogramm, und wenn der Motor gar nicht mehr will, tritt man auch noch gegen dessen Widerstand an. Aber das passiert einem mit Sicherheit nur einmal.

Auf der nächsten Seite: Die wichtigsten Fragen zum E-Bike im Überblick.

Das E-Bike im Überblick

Was ist der Unterschied zwischen Pedelec und E-Bike?

Beim klassischen E-Bike arbeitet der Motor auch ohne Treten. E-Bikes gelten als Leichtmofas, sind versicherungspflichtig; man benötigt einen Mofaführerschein. Bei Pedelecs dagegen geht ohne Treten gar nichts; der Motor arbeitet nur unterstützend. Dabei wird unterschieden: Bei langsamen Pedelecs schaltet sich der Motor bei 25 km/h ab, verkehrsrechtlich gelten sie als Fahrräder. Bei schnellen Pedelecs reicht die Motorunterstützung bis 40 km/h; für sie ist deshalb ein Mofaführerschein, Versicherung - also auch ein Nummernschild - und ein Rückspiegel Pflicht.

Gibt es eine Helmpflicht?

Nein. Die Hersteller raten allerdings dringend zum Tragen von Helmen - und nach der ersten Fahrt mit einem Pedelec weiß man auch warum.

Wo muss man fahren: Straße oder Radweg?

Mit E-Bikes und schnellen Pedelecs kann man entweder die Straße oder die auch für Mofas zugelassenen Radwege benützen, aber keine reinen Radwege. Mit normalen Pedelecs muss man auf Radwegen fahren.

Wie lädt man den Akku?

Der Akku ist bei den meisten Modellen abnehmbar, bei manchen kann man alternativ das Ladegerät an den auf dem Fahrrad belassenen Akku anschließen - je nach Verfügbarkeit von Steckdosen.

Wie weit reicht eine Akkuladung?

Die Reichweite hängt von der gewählten Unterstützung des Elektromotors und der Außentemperatur ab. Bei mittlerer Unterstützung kommt man mit den meisten Modellen in der Regel etwa 70 bis 80 Kilometer weit.

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