Kaugummiautomaten:Drehen, wundern, kauen

Sie kennen keinen Ladenschluss und schlucken das Taschengeld: An Deutschlands Straßenrändern gibt es Hunderttausende der roten Überraschungskisten.

Von Pia Ratzesberger

Die Münze passt genau in die Aussparung. Dann drehen. Es knackt und arbeitet im Automaten. Irgendwo tief drinnen fällt das Geldstück klimpernd in den Münzschacht. Dann hört man etwas Hartes rollen. Mit einem dumpfen Klack schlägt es gegen den grauen Aluminiumdeckel. Mist! Eigentlich wollte man doch die Schleimpeitsche, die im Dunkeln leuchtet. Oder den Schlüsselanhänger mit dem Traktor. Oder die leuchtende Ventilkappe fürs Fahrrad. Es ist: ein blauer Kaugummi.

Für viele ist der Kaugummiautomat der Ort, an dem sie das erste Mal in ihrem Leben etwas einkaufen. Ganz alleine - und ohne Einkaufszettel. Münze rein, drehen, Deckel hochklappen - fertig ist der Einkauf. Was am Ende aus dem Schacht rollt, kann man nicht vorhersagen. Manche finden, dass genau diese Unsicherheit den Kaugummiautomaten so toll macht. Meistens jedenfalls hilft es wenig, gleich noch mal zu drehen. Denn die Automaten werden schichtweise befüllt, eine Schicht Klimbim, eine Schicht Kaugummi. Wenn also gerade ein Kaugummi rauskam, ist es ziemlich wahrscheinlich, dass danach gleich wieder ein Kaugummi passend liegt.

Heute gibt es etwa 500 000 bis 800 000 Kaugummiautomaten in Deutschland. Das sind zehnmal mehr als Bankautomaten. Auf jede Schule in Deutschland kommen rund 13 Kaugummiautomaten. Ziemlich viele also. Er funktioniert immer ohne Strom. Es gibt ihn schon seit mehr als 60 Jahren. Zur Zeit der Deutschen Mark mit drei Einwürfen: 10 Pfennig, 50 Pfennig und eine Mark. Heute sind es an manchen Automaten sogar zwei mehr: 5 Cent, 10 Cent, 20 Cent, 50 Cent und 1 Euro. Aus dem Schacht fallen oft Kaugummis aus den USA, Belgien, Irland oder China. Nur heißen die heute nicht mehr einfach Apfel oder Zitrone, wie früher. Heute heißen sie Maxy Galaxy oder Outrange Orange.

Drei Jahre hat so ein Automat oft Zeit zu beweisen, dass er an der richtigen Stelle steht. Wenn zu wenige Kinder vor ihm halten und ihr Taschengeld in die Schlitze werfen, hängen ihn die Hersteller an einem anderen Ort auf und hoffen dort auf bessere Geschäfte.

Oft sind die Kästen auf dem Weg zu Schulen oder Kindergärten angebracht, weil dort viele junge Leute vorbeilaufen. Meistens hängen sie sehr viel tiefer als zum Beispiel ein Zigarettenautomat für Erwachsene - damit jedes Kind gut rankommt. Auf dem Land, wo es oft ziemlich weit ist bis zum nächsten Laden, ersetzen die Automaten manchmal sogar den Kiosk, wo sich die Kinder sonst Gummischlangen oder Haarbänder geholt haben. Denn der Automat hat immer geöffnet. Jeden Tag, zu jeder Stunde.

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